Pasing: Traditionsbäckerei schließt nach über 80 Jahren - Stück Stadtteilgeschichte verschwindet

Pasing verliert das nächste Traditionsgeschäft. Seit 83 Jahren versorgte die Bäckerei Keller ihre Kunden mit Semmeln, Brezen und Co. Am 31. Dezember schließen endgültig die Pforten.
Dieser Laden ist Kult: Ganze Generationen von Pasingern* pilgerten in die Gräfstraße 68, um frische Semmeln und resche Brezen bei der Bäckerei Keller zu kaufen. Noch ist die Auslage prall gefüllt und in der Backstube warten Zutaten wie Mehl und Hefe auf ihre Verarbeitung. Doch am 31. Dezember ist der Ofen aus.
Georg und Claudia Keller, die die Bäckerei seit dem 1. Januar 1991 führen, haben sich aus gesundheitlichen Gründen zu diesem Schritt entschlossen. Damit bricht ein weiteres Stück Pasinger Geschichte weg – wie schon mit der Schließung des Kaufhauses Kopfmiller, des Betriebs Farben Metzger, der Buchhandlung Fiebig und des Textilhauses Bohn. Den langjährigen Kunden bleibt ein kleiner Trost: Die Bäckereien Höflinger und Müller ziehen in das Keller-Anwesen ein. Und das Bäcker-Paar kann immerhin demnächst morgens ausschlafen. Dennoch bekennen beide: „Wir verlassen die Bäcker-Bühne mit einem lachenden und einem weinenden Auge.“
Bäckerei Keller: Seit 83 Jahren kauften die Pasinger Brezen, Semmeln und Co.
Die Erfolgsgeschichte der Kellers hatte 1938 mit Georg und Therese Keller begonnen. Sie eröffneten in der Hindenburgstraße 87 (heute Bäckerstraße) einen Laden und richteten daneben eine Backstube ein. Es folgten die Eheleute Georg und Erika, die 1960 in das heutige Anwesen an der Gräfstraße einzogen. Im April 1984 mieteten sie am Pasinger Viktualienmarkt zusätzlich einen Laden, in dem die Kunden nicht nur einkaufen, sondern auch an Stehtischen essen und trinken konnten. Nach 31 Jahren zog sich das Ehepaar zurück und übergab an Georg und Claudia Keller. Die beiden mussten allerdings bald erkennen, dass sie gegen die Supermärkte in der Umgebung wenig Chancen haben. Im Jahr 2016 kam das Aus für den Laden am Viktualienmarkt. „Dieser Schritt war unvermeidlich“, sagt Georg Keller rückblickend.
Pasing: Südlich der Bahnachse schließt der letzte Bäcker, der im Stadtteil produziert
Der Gedanke daran, dass am Silvestertag wieder ein Abschied ansteht, diesmal aber ein endgültiger, dass sie sich von langjährigen Stammkunden, Mitarbeitern und Teilzeitkräften trennen müssen, trübt die Freude der Kellers auf den nach 31 Jahren unermüdlicher Arbeit verdienten Ruhestand.
In der einst eigenständigen Stadt Pasing, die 1938 von den Nazis zwangseingemeindet wurde, waren einmal sieben Bäcker angesiedelt. Für das Ehepaar ist es hart, dass sie es sind, die eine Handwerkstradition nun zu Ende gehen lassen: Südlich der Bahnachse, so bedauern die Eheleute, werde es in Pasing dann keinen Bäcker mehr geben, der in Pasing produziert. Im ganzen Stadtteil Pasing-Obermenzing mit mehr als 75 000 Einwohnern bleibt dann nur noch die Bäckerei Müllritter an der Obermenzinger Sibeliusstraße. Ansonsten, so Claudia Keller, gebe es Brot, Semmeln und Kuchen „nur noch bei Filialisten“. *Merkur.de und tz.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA