Zu den Delikten gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Erstens: Drogenhandel. Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins erklärt: Im Vordergrund stehe, den Lebensunterhalt aufzubessern. „In einigen Regionen, aus denen Asylbewerber kommen, ist es außerdem akzeptiert, von Drogenhandel zu leben“, so Martins. Zuwanderer handelten meist mit weichen Drogen.
Zweitens: Schwarzfahrten. Wer Asylleistungen bezieht, kann zwar im Sozialreferat gratis Nahverkehrstickets abholen: Einzelfahrscheine und das Sozialticket. Doch wie Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel moniert, gilt die IsarCard S erst ab 9 Uhr, viele Flüchtlinge müssen aber bereits um 8 Uhr beim Sprachkurs sein. Überdies wollen Helfern zufolge Asylbewerber ihr Taschengeld, das sie etwa für Handykarten brauchen, nicht antasten. Viele kämen anfangs auch mit dem MVV-Preissystem nicht zurecht.
Drittens: Rohheitsdelikte. Laut Polizei werden immer mehr Körperverletzungen und Nötigungen in oder im Umfeld von Asyl-Einrichtungen angezeigt (siehe Kasten).
Die Innere Mission hat in 20, die Caritas in 18 Münchner Unterkünften Asylsozialberater . Andrea Betz von der Inneren Mission sagt, tagsüber, wenn alle Bezugspersonen – auch die Einrichtungsleitung – da seien, herrsche eine
„geordnete Stimmung“. Sie vermutet, dass die meisten Vorfälle nachts oder am Wochenende passierten. In den städtischen Unterkünften ist rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst im Einsatz. In den staatlichen Häusern dagegen gibt es nachts keinen Sicherheitsdienst, wie die Regierung von Oberbayern bestätigt. Ziel sei es, „die Bewohner auf eine eigenständige Lebensführung vorzubereiten“, sagt Sprecher Martin Nell. Zurzeit prüfe das Sozialministerium aber, ob Sicherheitsdienste öfter eingesetzt werden sollen. Die Stadt hingegen erwägt momentan, die Rund-um-die-Uhr-Security abzuschaffen.
Wo Wachleute oder eine engagierte Betriebsführung seien, dort würden „viele Konflikte im Keim erstickt“, so Betz. Wenn es keinen Schlichter gebe und die Betreuer nicht da seien, komme es in einer Unterkunft mit mehreren hundert Menschen leicht zu Konflikten. Zu Streit führe oft „das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden und für die eigenen Bedürfnisse immer kämpfen zu müssen“. Vor allem wenn Asylbewerber verlegt würden, gebe es oft Unruhe: „Da braucht es genug Vorlaufzeit, um zu erklären, wohin sie jetzt ziehen müssen und warum.“
Norbert Huber von der Caritas macht vor allem die politischen Rahmenbedingungen verantwortlich. Seit September legt der Freistaat das Integrationsgesetz verschärft aus. Seither dürfen sich viele Asylbewerber keine
Arbeit mehr suchen. Dies führe bei den einen zu Depression, bei anderen zu Aggression, sagt Huber. „Sie haben keine Perspektive und das Gefühl, sie hätten eh nichts zu verlieren.“ Zudem fehlten Therapieplätze für die vielen traumatisierten Menschen, sagt Huber. Hochtraumatisierte könnten ohne erkennbaren Grund ausrasten, etwa weil ein Geräusch sie irritiere. Ein Problem sei auch die lange Verweildauer in Heimen mit wenig Intimsphäre. Der Leiter einer Unterkunft in Allach sagt, oft entstehe Streit um „scheinbare Nichtigkeiten“: wer welches Fleisch in den Kühlschrank legen darf oder ob Socken auf der Heizung trocknen dürfen. Einiges sei kulturell motiviert, vieles der Enge und der Beschäftigungslosigkeit geschuldet.
Auch die aktuellen Rückführungen von Afghanen sorgen für Unruhe. Betz sagt, wenn ein Flüchtling abgeholt werde, entstünden bei vielen Bewohnern Angst und Wut. Laut Huber trägt generell auch die „Hierarchie der Bleibeperspektiven“ dazu bei, dass böses Blut entsteht. „Politisch wird zurzeit nicht vermittelt, dass es Sinn macht, sich zu integrieren“, sagt Huber.
Manche Politiker fordern, straffällige Asylbewerber rascher abzuschieben. Doch das Gesetz legt fest: Die Schwere des Vergehens wird vor allem gegen die Aufenthaltsdauer abgewogen. Und wenn im Heimatland etwa Folter droht, gilt ein Abschiebeverbot.