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Nach Putins Angriff auf die Ukraine: Hunderte Münchner demonstrieren für den Frieden

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Von: Claudia Schuri, Julian Limmer

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300 Menschen demonstrierten am Donnerstag vor der Staatskanzlei für Frieden.
300 Menschen demonstrierten am Donnerstag vor der Staatskanzlei für Frieden. © Oliver Bodmer

München steht unter Schock: Der Angriff Russlands auf die Ukraine sorgt für Entsetzen. Hunderte Münchner - darunter viele mit ukrainischen Wurzeln - gingen deshalb auf die Straße.

München - Die jungen Frauen haben Tränen in den Augen. Sie stehen im Kreis um eine kleine Musikbox, aus der eine emotionale ukrainische Ballade schallt. „Es ist nicht dein Krieg“ heißt das Lied. Nein, es ist nicht ihr Krieg, keiner hier hatte ihn gewollt, aber nun müssen sie sich alle damit befassen. In ihren Gedanken sind sie bei ihren Freunden und Familien in der Ukraine. Vor der Staatskanzlei haben sich Donnerstagvormittag rund 300 Ukrainer versammelt, um gegen Putin und seinen Krieg* zu demonstrieren.

Wie der 23-jährige Viktor Ssemeniuk: „Als ich heute Morgen die Nachricht gelesen habe, hat mein ganzer Körper gezittert“, sagt er. Er habe sofort seine Eltern in der Ukraine* angerufen: Sie sind aufs Land zu den Großeltern geflohen, um sich zu verstecken. „Ich bin extrem besorgt, Menschen werden streben“, sagt er. Immer wieder fahren Autos vor den Demonstranten vorbei, sie hupen als Zeichen der Solidarität. Immer wieder ertönen Sprechchöre in Richtung Staatskanzlei: „Putin muss weg“ und „Heute wir, morgen sie“ rufen sie. „Wir wünschen uns mehr mutige Politik von Deutschland. Stärkere Sanktionen, mehr finanzielle Hilfe“, sagt etwa die 38-jährige Daria Onyshchenko.

Auch eine junge Russin ist unter den Demonstranten. Sie wünscht sich, dass mehr Russen gegen den Krieg auf die Straße gehen. „Nicht alle in Russland sind mit Putin einverstanden. Sie sollen ihre Stimme erheben und sagen: Wir wollen das nicht!“

München demonstriert gegen den Ukraine-Krieg: Protest vor dem russischen Generalkonsulat

Hans Dieter Sauter und Iryna Westermann demonstrierten am Europaplatz.
Hans Dieter Sauter und Iryna Westermann demonstrierten am Europaplatz. © Claudia Schuri

Auf der einen Seite schwebt der goldene Friedensengel über den Demonstranten, auf der anderen ragt das russische Generalkonsulat in den Himmel… Am Europaplatz zeigten Münchner* Bürger Solidarität mit der Ukraine. Für 18 Uhr war hier eine weitere Demo angemeldet, im Laufe des Tages gab es immer wieder Proteste. Jemand hatte eine Figur aufgestellt: Russlands Präsident Wladimir Putin als Herrscher auf einem Thron aus Geld. „Stop Putin!“, stand auf einem Plakat, das Hans Dieter Sauter mitgebracht hatte. „Ich bin absolut geschockt“, sagt der 80-Jährige. „Es ist ein offener Krieg. Der Westen muss mit massiven Wirtschaftssanktionen reagieren!“

Auch Iryna Westermann, die aus der Ukraine stammt, macht sich riesige Sorgen. Um 4.40 Uhr hatte bei ihr eine Freundin angerufen und von den Angriffen erzählt. „Sie hat die Explosionen gehört“, sagt sie. Ihr Sohn ist in der Ukraine: „Wahrscheinlich muss er zum Militär.“ Demonstrant Igor Zaytsev hat Verwandte und Bekannte in beiden Ländern – und befürchtet das Schlimmste: „Womöglich ist es der Anfang des dritten Weltkrieges“, sagt er. „Putin will die Welt verändern.“

München und der Krieg in der Ukraine: Die Sorgen eines ukrainischen Feinkosthändlers

Es waren Zeichen des Zusammenhalts, die Yuriy Dushko an diesem so schwarzen Tag erlebte – Worte des Mitgefühls von seinen Kunden, auch von russisch-stämmigen. Der 52-jährige Ukrainer betreibt den Feinkostladen Odessa nahe des Karlsplatzes. Hinter der verglasten Auslage, mit allerhand ukrainischen Spezialitäten, stehen Matroschkas – kleine, ineinander verschachtelte Holzpuppen, die es sowohl in Russland als auch der Ukraine gibt. Vieles in seinem Laden weist auf die Verbindung zwischen den beiden Ländern hin. Es seien heute viele Russen in seinen Laden gekommen: „Sie sagen, es tut uns leid, wir haben das nicht gedacht, dass Putin das macht.“ Dushko selbst hatte bis zuletzt auch nicht geglaubt, dass Russland in sein Heimatland einmarschieren würde.

Yuriy Dushko betreibt den Feinkostladen Odessa.
Yuriy Dushko betreibt den Feinkostladen Odessa. © Oliver Bodmer

Jetzt ist er tief beunruhigt: Sein Bruder in der Ukraine habe seine Familie in einer Datscha untergebracht, einem kleinen Gartenhäuschen, um sie zu schützen. In seiner Heimatstadt hätten bereits die ersten Bomben eingeschlagen. Von Deutschland ist Duschko, der seit 30 Jahren in München* lebt, enttäuscht: Die „Putin-Versteher in der Politik“, so sagt er, hätten den russischen Präsidenten viel zu lange unterschätzt. Jetzt wünsche er sich „ein starkes Zeichen“ Deutschlands.

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Die Situation an der freien Ukrainischen Universität

Eigentlich ist sie eine Frau der Worte – aber am Donnerstag konnte Yanina Lipski nur feststellen: „Wir sind sprachlos.“ Lipski, Kanzlerin der freien Ukrainischen Universität in München, hat frühmorgens vom Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine erfahren. „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zubekommen – und als ich es dann durch die Nachrichten erfahren habe, war ich geschockt“, sagt sie. Mit gebrochener Stimme erzählt sie, dass viele Leute aus der Uni – Lehrpersonal und Studenten – derzeit in der Ukraine sind: „Wir wissen nicht, was wir tun können“.

Yanina Lipski ist Kanzlerin der freien Ukrainischen Universität.
Yanina Lipski ist Kanzlerin der freien Ukrainischen Universität. © Markus Götzfried

Die ukrainische Universität in Nymphenburg* hat ihren Lehrbetrieb seit einigen Wochen auf Eis gelegt. „Wir haben hier rund 300 Studierende, die zwar wegen Corona online studieren, aber jetzt erstmal gar keinen Unterricht haben“, sagt Beirat Dieter Rippel. Grund: die angespannte Lage in der Ukraine. Natürlich blicken alle mit Sorge auf die Situation dort vor Ort. Kanzlerin Lipski sagt über den heftigen russischen Angriff, der seit gestern läuft: „Ich bin zutiefst schockiert – aber überrascht bin ich nicht.“ Wer selbst nicht in der Ukraine ist, der habe Angehörige vor Ort. „Fast jeder hier ist betroffen“, sagt Roman Tiutenko, frisch gebackener Doktor. Er selbst habe einen Bruder, der in der Ukraine lebt. Als Reservist muss er möglicherweise kämpfen.

Weitere geplante Proteste und Friedensgebete

Auch in den kommenden Tagen sind Proteste angemeldet. Am Samstag soll es von 10 bis 13 Uhr eine Demo und eine Menschenkette in der Altstadt geben, am kommenden Mittwoch plant die SPD von 18 bis 20 Uhr am Odeonsplatz eine Versammlung unter dem Motto „Frieden in Europa, Solidarität mit der Ukraine.“ Die Kirchen organisieren Friedensgebete, zum Beispiel heute um 19.30 Uhr in der Kirche St. Michael in der Neuhauser Straße. Miriam Schuster *tz.de/muenchen ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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