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S-Bahn-Saufparty: Wer zahlt für den Schaden?

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Rund 2000 Personen trafen sich auf der Stammstrecke © Haag

München - Die Zerstörungen in der Nacht zum Sonntag auf der S-Bahn-Stammstrecke machen fassungslos. Wer bezahlt eigentlich für dieses Chaos? Wann fahren unsere Züge wieder? Und wie ermittelt die Polizei?

50 demolierte S-Bahn-Waggons, mehr als 100 000 Euro Schaden – die Flashmob-Randale in der Nacht zum Sonntag auf der S-Bahn-Stammstrecke macht München fassungslos. Noch immer sind nicht alle Züge repariert, der S-Bahn-Verkehr ist beeinträchtigt. Doch wer bezahlt eigentlich für dieses Chaos? Wann fahren unsere Züge wieder? Und wie ermittelt die Polizei? Die tz ging auf Spurensuche – hier die wichtigsten Ergebnisse:

Wer zahlt den Schaden?

Erst einmal die Bahn – und damit natürlich indirekt die Fahrgäste und auch der Steuerzahler. Aber die Bahn hat angekündigt, sich Regressansprüche vorzubehalten.

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Gegen wen wird schon ermittelt?

Laut Berti Habelt, Sprecher der Bundespolizei, gab es am Samstagabend vierzehn Festnahmen. Gegen zehn junge Münchner im Alter zwischen 17 und 24 Jahren wurde Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet. Außerdem wird gegen zwei Flashmobber wegen Widerstands gegen die Polizei und gegen zwei junge Männer wegen Beleidigung ermittelt.

Ist mit weiteren Anzeigen zu rechnen?

Berti Habelt: „Wir haben eine zehnköpfige Sonderermittlungsgruppe eingerichtet, die jetzt alle Videoaufnahmen auswertet. Es geht um hunderte Stunden Material – Aufnahmen von den Bahnsteigen und aus dem Inneren der Züge.“

Welche Konsequenzen drohen dem Veranstalter, der bei Facebook zu dem Flasmob aufgerufen hat?

Jan Christian Seevogel, Anwalt für Internet-Recht aus München: „Der Aufruf, Alkohol mitzubringen, ist noch keine Straftat. Der im Internet organisierte Partyprotest könnte aber als neue Versammlungsform angesehen werden – und wäre damit anmeldepflichtig bei der Stadt München. Bei Verstoß gegen das Versammlungsrecht drohen bis zu ein Jahr Freiheits- oder eine Geldstrafe. Bei der Festsetzung der Strafe wird auch die Höhe des Schadens für die Bahn berücksichtigt.

Alkohol-Party in der S-Bahn - Bilder der Protestaktion

Von den 2000 Flashmobbern waren einige kaum älter als 13 oder 14 – und trotzdem sturzbetrunken mit Schnapsflaschen unterwegs. Warum hat die Polizei so etwas nicht unterbunden?

Berti Habelt: „Unser Ziel war es, dafür zu sorgen, dass niemand verletzt wird und dass es keine Schlägereien gibt. Das wurde erreicht. Alles andere war zweitrangig.“

Wie wird das Alkoholverbot, das seit Sonntag in der S-Bahn gilt, jetzt im Fahrbetrieb durchgesetzt?

Berti Habelt: „Wir setzten auf die Akzeptanz der Fahrgäste. Bei der U-Bahn sagten ein Jahr nach Einführung des Alkoholverbotes über zwei Drittel der Fahrgäste, dass sie das Verbot sehr positiv sehen.“

Was passiert, wenn ein Fahrgast mit einem Bier in der S-Bahn unterwegs ist?

Berti Habelt: „Wenn er betrunken ist, dann schrecken ihn auch die 40 Euro Bußgeld nicht ab. Deshalb setzen wir auf Vernunft.“ So sieht’s auch Bahnsprecher Bernd Honerkamp: „Wir bleiben dabei: Es wird keine Strafen geben. Der Samstag war sicher ein Ausnahmefall – und deshalb brauchen wir auch kein weiteres Personal.“

Demonstrationen müssen angemeldet und genehmigt werden. Warum gilt das nicht für Flashmobs?

„Weil bei Flashmobs der erklärte Zweck und das politische Anliegen fehlt,“ sagt ein Verwaltungsjurist zur tz. Und: „Wenn die Aktion als Protest gegen das Alkoholverbot angekündigt worden wäre, dann hätte man sicher darüber diskutieren können, ob man die Veranstaltung nicht als Demo hätte anmelden müssen. Aber bei einer Abschiedsparty ist das nicht der Fall.“

Gibt es vergleichbare Grenzfälle?

Ja, zum Beispiel die Loveparade oder die Fan-Aktionen im Stadion. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Polizei eingreifen kann, wenn die Sicherheit in irgendeiner Form in Gefahr ist. Eine angemeldete Demo hat nur den Vorteil, dass man eben etwa entstehende Probleme schon im Vorfeld ansprechen kann – und dass es einen verantwortlichen Ansprechpartner gibt.

Mehr Bilder von der S-Bahn-Party

Warum ist Facebook so beliebt?

„Facebook hat eine riesige Reichweite für Privatnutzer“, sagt Alexander Erber, Experte für Soziale Netzwerke aus Erding. Es ist möglich, mit seinen Themen eine Vielzahl anderer Nutzer anzusprechen und sich zu vernetzen. „Freunde sehen auch, wenn ich zu einer Veranstaltung gehe und können sich dann selbst anmelden.“

Wie viele Mitglieder hat Facebook?

In Deutschland sind momentan 21 466 920 Nutzer bei dem Protal registriert (Stand gestern, 14 Uhr), es kommen ständig neue hinzu. In München, so Erber, besitzt etwa jeder zweite Bürger ein Profil bei Facebook.

Welche Umgangsregeln gelten bei Facebook?

Niemand darf beleidigt oder diskriminiert werden. Es ist auch nicht erlaubt, Bilder mit pornografischem Inhalt einzustellen. Bedenkliche Inhalte kann man per Mausklick melden. Facebook prüft das und behält sich vor, Fotos, Videos oder Texte zu löschen.

Der große Facebook-Knigge

Darf man seine Party über Facebook öffentlich planen?

Ja. Wichtig ist Facebook zufolge aber, dass Nutzer die Einstellungsmöglichkeiten beachten und auch nutzen. Beispiel: Wenn jemand auf Facebook eine Veranstaltung erstellt, so erscheint dort deutlich: „Jeder kann die Veranstaltung sehen und für sie zu-/absagen (öffentliche Veranstaltung). Wenn Nutzer das Häkchen bestehen lassen, so ist es eine öffentliche Veranstaltung, deren Inhalt jeder sehen und darauf reagieren kann.

Sind Facebook-Partys gefährlich?

Eigentlich nicht. Wenn sich 2000 Leute anmelden, heißt das nicht, dass sie auch tatsächlich kommen. Das Problem: Oft kommen viel mehr Teilnehmer. „Das lässt sich schwer vorhersehen“, sagt Erber. Kaum zu kontrollieren ist die Dynamik während der Veranstaltung: Fangen einige Wenige mit Sachbeschädigungen an, ziehen andere schnell mit.

Partys und Flashmobs: Wo hört der Spaß auf?

„Da, wo Gesetze verletzt werden. Teilnehmer dürfen keine Straße blockieren oder die Party auf ein fremdes Grundstück verlagern“, sagt Jan Christian Seevogel. Kissenschlachten auf öffentlichen Platzen sind dagegen eher unbedenklich.

THI/CHL/WdP

Diese Schäden reparieren sie jetzt

Eingetretene Fensterscheiben, Graffitis und zersplitterte Deckenlampen – die Züge, die nach dem Saufgelage vom Samstag im Betriebswerk Steinhausen eintreffen, sehen übel aus. Ursprünglich sollten 50 S-Bahn-Garnituren zur Instandsetzung in die Fahzeugwerkstatt gebracht werden. Nun bestätigt Bahnsprecher Bernd Honerkamp, dass alle 100 Züge, die am Samstagabend im Einsatz waren, überprüft werden müssen: „Wir haben bei vielen Fahrzeugen noch zusätzliche Schäden und versteckte Defekte entdeckt. Zur Sicherheit müssen jetzt alle durchgecheckt werden.“ Erst mal sind viele nur oberflächlich zerstörte Züge aber noch im Einsatz – sonst könnte der reguläre S-Bahn-Verkehr gar nicht gestemmt werden. Immerhin muss nun fast die Hälfte der 238 ­S-Bahn-Züge des MVV zur Reparatur. Honerkamp: „Wir versuchen Behinderungen zu verhindern. Trotzdem fallen einige Züge aus oder sind kürzer.“ Bis Mitte dieser Woche sollen sämtliche Reparaturen abgeschlossen sein. Dann kann, so Honerkamp, auch mit Sicherheit gesagt werden, wie hoch der entstandene Sachschaden ist: „Wir gehen aber von mindestens 100 000 Euro aus.“

Grafitti und Vandalismus in München

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