Sanierung ohne Rücksicht: Mieterin fällt die Decke auf den Kopf

Bezahlbare Wohnungen im guten Zustand gibt es in München nur noch selten. Eine Mieterin in Giesing trifft es nun besonders hart. Ihr Haus wird um sie herum saniert - mit drastischen Folgen.
München - Obergiesing, Alpenstraße. Ein dreistöckiges Mietshaus, Baujahr 1860. Außen neu gestrichen, oben glänzen neue Regenrinnen und deuten an, wie das Haus nach der Sanierung aussehen soll. Innen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Die Treppen sind ausgetreten, kalt ist es im Flur. Die Fenster sind nur einfach verglast, eines ist geborsten. Nur zwei der sechs Appartements sind noch bewohnt.
Alles soll besser werden – aber für die Mieter ist es nicht leicht. Der Eigentümer ist eine niederbayerische Immobilienfirma. Sie schrieb den Mietern, das Gebäude werde „bis auf die Grundmauern rückgebaut“ und sei während der Modernisierung zeitweilig nicht mehr bewohnbar. Ohne Sanierung müsse dass Haus abgerissen werden – für eine Stellungnahme war der Eigentümer am Freitag nicht zu erreichen.
„Einem Abriss steht der Denkmalschutz entegen“, sagt Mieterin Manuela S. (49), die in dem Haus aufgewachsen ist und im zweiten Stock lebt. Zwar sieht man dem Gebäude das Alter an, doch die Miete war mit 402 Euro für 70 qm bisher sehr günstig. Mehr kann sich Manuela S. auch nicht leisten, denn ihre Erwerbsunfähigenrente beträgt rund 700 Euro. Arbeiten kann sie wegen einer Krebserkrankung nicht mehr.

Umso schlimmer für sie, dass bei der Sanierung darauf bisher keine Rücksicht genommen wurde. Im Gegenteil: In ihrer Wohnung gab es im Oktober einen Wasserschaden. Das Dach war wegen der Sanierung undicht – eine Nacht lang lief Wasser in Strömen durch die Räume. Teile der Holzdecke fielen herab, Steckdosen wurden nass, drei Mal kam die Feuerwehr, einmal musste der Notarzt helfen, weil S. wegen der Aufregung kollabiert war. Das Appartement war nicht mehr bewohnbar, Manuela S. zog übergangsweise in eine andere Wohnung im gleichen Stockwerk. Dort hat sie sich inzwischen wohnlich eingerichtet. Wohl fühlt sie sich aber nicht, denn bleiben wird sie nicht können. „Man hat mir gesagt, im Frühling muss ich raus sein“, sagt sie.

Gekündigt ist S. nicht, aber ihre Exiztenzängste lassen die Frau nicht mehr schlafen. Denn nach der Sanierung wird sie sich ihre Wohnung wohl nicht mehr leisten können. „Selbst wenn sie dann nur 700 Euro kostet, reicht meine Rente nicht“, sagt sie. „Alles, was ich wollte, war, dass sich der Vermieter mit mir zusammensetzt.“ Fast zwei Jahre lang forderte sie ihn mit Hilfe von Anwälten dazu auf – vergebens. Erst als sie mit der Presse drohte, zeigte er Verhandlungsbereitschaft. Rechtsanwältin Petra Lankes verhandelt nun mit ihm, denn rechtlich ist er verpflichtet, seiner Mieterin eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Susanne Sasse