Münchens neuer Motortempel: Glanzstücke von Elvis‘ Cabrio bis zum Filmauto aus „The Fast and The Furious“

München – In Zeiten, wo beim Stichwort Auto meist eher Reizthemen wie CO2-Ausstoß oder Verkehrsberuhigung aufkommen, lädt eine neue Münchner Attraktion die Autofans zum Staunen und Träumen ein.
Früher haben sie in dieser spektakulären, 185 Meter langen und 90 Meter breiten Halle in München-Freimann leibhaftige Lokomotiven repariert. Ewig her. Jahrzehntelang gab es zuletzt keine Verwendung für die Stahltragwerkshalle, die unter Denkmalschutz steht. Aber was hier seit Neuestem geboten wird, mein lieber Herr Gesangsverein, ist die lässigste, übergeschnappteste und sehenswerteste Neueröffnung des Jahres.
In der „Motorworld“ gibt es Edel-Autos, die mit Swarovski-Steinen verziert sind, Werkstätten, Konferenzräume, Pizzerien, einen Hutmacher, Rennautos, Oldtimer und sogar Hotelzimmer, in denen man direkt neben seinem Auto schlafen kann. Es ist ein Ort für Menschen, die schon alles haben. Aber auch ein Ort für jedermann – der Eintritt ist kostenlos. Wir stellen Höhepunkte des neuen bayerischen Automobil-Tempels vor.
Karaoke vorm BMW von Elvis Presley
Mit Lippenstift haben die weiblichen Fans „Ich liebe dich“ auf das weiße Cabrio geschrieben. Oder gleich: „Elvis, heirate mich!“ Der Rockstar war von 1958 bis 1960 bei der US-Army in Deutschland stationiert und er hat ein besonderes Auto bekommen. Einen BMW 507, der damals schon so viel wie ein Einfamilienhaus in München* kostete, knapp 27 000 Mark. Jetzt steht das Auto in der „Motorworld“.

Jan Opalka arbeitet bei BMW und kennt alle Details des Luxusautos, das früher den Spitznamen „Traum von der Isar“ hatte. Er erzählt, dass nur 251 Autos der Serie gebaut wurden, dass ein Exemplar kürzlich für über zwei Millionen Euro versteigert wurde – und dass das Elvis-Cabrio selbstverständlich unverkäuflich ist. Viele Fans kommen zu Opalka und lassen sich die Geschichte erzählen, sie fragen und sie fotografieren. Und bald, wenn die Corona-Regeln es erlauben, können sie sogar singen. „Es wird Karaoke geben“, sagt Opalka. Elvis-Lieder direkt vorm Elvis-Auto – viel näher kann man dem „King of Rock“ in dieser Welt kaum kommen.
Essen und trinken wie ein Rennfahrer
Sie haben extra einen Pizzaofen aus Neapel besorgt, drei Tonnen schwer. Sie haben einen Buick-Cabrio an die Decke gehängt, Baujahr 1954. 400 Sitzplätze gibt es im „Motorworld Inn“, einem Erlebnis-Restaurant für alle Freunde des Genusses und des Verbrennungsmotors.

„Wir drehen die Zeit zurück“, sagt Daniel Anselment. Er ist einer der Chefs. „Wir spielen die Themen Lokomotive und Werkstatt.“ Eröffnung ist am Freitag, die Gerichte auf der Karte kommen aus den drei großen Autonationen der Welt – Amerika, Italien, Deutschland. Es gibt den „Gran Torino Burger“ (17,90 Euro), Pizza Salami (12,90 Euro), aber auch „Oma Ernas Fleischpflanzerl (14,90 Euro). Wer sich den Ferrari noch nicht leisten kann oder will, der kann hier jedenfalls schon mal Essen wie ein Rennfahrer. Und trinken wie ein angehender Formel-1-Weltmeister. Schampus gibt’s ab 99,90 Euro die Flasche.
Der perfekte Hut zum Oldtimer
Andreas Nuslan ist Hutmacher und irgendwie auch ein Gesamtkunstwerk. Er drückt einem eine dicke Broschüre über seine Hutmanufaktur in die Hand, vier Generationen, Gründungsjahr 1875, 30 000 Hut-Holzformen im Lager. Dort kann man nachlesen, dass Promis und sogar Päpste seine Hüte tragen. Nuslan „ist inzwischen so berühmt wie seine Kunden aus aller Welt“, steht dort tatsächlich.

Wer ihn trotzdem noch nicht kennt, kann den „Hutkönig“, so heißt auch der Laden, in der „Motorworld“ kennenlernen. „Geht nicht, gibt’s nicht“, sagt er. Er hat den passenden Hut für jede Gelegenheit – und für jedes Auto. „Wenn Sie einen alten Mercedes fahren“, sagt er, „empfehle ich dazu einen alten Panama oder einen schmalen Trilby.“ Er hat Hüte für 70 Euro, aber auch für 10 000 Euro. „Wer nebenan bei Bugatti oder Mclaren was kauft, der will natürlich was Gescheits“, sagt Nuslan, der seinen Stammsitz in Regensburg hat. Er ist gottfroh, dass wir wieder in einem Hut-Zeitalter leben. „Die 1968er“, sagt er, „wollten alles anders machen, also auch keinen Hut tragen.“ Das Familienunternehmen kam ins Straucheln, aber jetzt ist wieder alles gut. Die Lust auf Luxus ist stärker als jede Ideologie.
„Die Welt ist immer gespalten“, sagt Nuslan. Er findet zum Beispiel, dass man viele der dicken, PS-starken Autos, die auch hier in der Halle stehen, gerne aus den Innenstädten verbannen könnte. „Aber draußen auf dem Land werden sie gebraucht“, sagt er. „Da braucht man starke Fahrzeuge – zum Beispiel zum Ziehen.“ Und natürlich damit der maßgeschneiderte Hutkönig-Hut auch richtig in Szene gesetzt werden kann.

Eine Nacht mit dem Traumauto
Traumfrau, Traumhaus, Traumauto, Traumkinder. Wer wirklich alles auf dieser Welt schon hat, der findet in der „Motorworld“ vielleicht doch noch was, das bisher gefehlt hat – nämlich eine Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel Ameron. Es gibt 156 tolle Designzimmer, darunter auch drei Studios, in denen die Gäste im Doppelbett direkt neben ihrem Auto oder Motorrad schlafen können. Joana Bünger ist stellvertretende Hoteldirektorin. „Wir hatten kürzlich einen Gast“, erzählt sie, „der zu uns gesagt hat, dass er schon lange nicht mehr so gut geschlafen hat. Er glaubt, es lag am Auto.“ Preis pro Nacht: ab 175 Euro. „Die Nachfrage nach den Studios“, sagt Bünger, „ist enorm.“
Ein Mercedes zum Entschleunigen
In der „Motorworld“ kann man Bugattis für ein paar Millionen Euro kaufen, man kann sich PS-Kanonen anschauen. Oder man geht zu Kira Grühsem. Auch bei ihr braucht man ein bisschen Kleingeld, aber die junge Dame verkauft für die Firma „Arthur Bechtel Classic Motors“ automobile Schönheiten, bei denen es um Stil statt um Geschwindigkeit geht.
„Wir haben eine vielfältige Auswahl von Mercedes-Benz-Klassikern“, sagt sie. Ein knallroter Mercedes Benz 280 SL Pagode aus dem Jahr 1969 zum Beispiel, Preis 215 000 Euro. Oder ein voll funktionstüchtiger, nachgebauter Benz-Patentmotorwagen aus dem Jahr 1885 für 48 500 Euro. Das Gefährt hat 0,75 PS und ist langsamer als ein Gaul. Für manche ist genau das der Auto-Himmel auf Erden.
Wie im Film: tolle Teile für viel, viel Geld
Das höchste Gebot liegt zwischen fünf und sechs Millionen Euro, erzählt Sepp Schmid, der Geschäftsführer der GT-A Racing GmbH. So viele wollte jemand für das Original-Filmauto von Paul Walker aus „The Fast and The Furious 4“ zahlen, aber die Münchner Spezialauto-Firma ist nicht schwach geworden. Das Auto ist einer der Besuchermagneten, vor allem junge Gäste können ihr Glück kaum fassen, ein Selfie neben dem blauen Nissan zu machen.

„Bei uns gibt es alles, was der Mensch nicht braucht“, sagt Schmid. „Alles, was Spaß macht.“ Ein Rolls-Royce Corniche für 138 000 Euro, alte US-Cars, Autos mit drei Rädern. Schmid und sein Team besorgen auch Flitzer, an die man nicht leicht rankommt. Wie wäre es mit einem ehemaligen Le-Mans-Rennauto, ein Ferrari? Es gilt gerade als teuerstes Auto der Welt. „Die 84-jährige Verkäuferin stellt sich 110 Millionen Dollar vor“, sagt Schmid. „Wenn Sie wollen, können wir zu ihr nach Amerika fliegen.“ Verlockend, aber vielleicht tut es fürs Erste auch eine Fahrt mit der U6. Mit der kommt man vom Marienplatz aus in 20 Minuten zur „Motorworld“. Denn manchmal ist es schöner, von Autos zu träumen, als sie wirklich zu haben. *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA
STEFAN SESSLER (TEXT) UND KLAUS HAAG (FOTOS)

Die Halle in München-Freimann
Die „Dampflokrichthalle“ oder „Halle 24“, heute Heimat der „Motorworld“, war einst Teil des Bahnausbesserungswerks. 1916 erwarb der Rüstungsbetrieb Krupp das riesige Areal in Freimann. 1919 kaufte es dann der Oberfranke Fritz Neumeyer, stellte Wasserkraft-Turbinen her und reparierte Loks für die Deutsche Reichsbahn. 1925 übernahm die Bahn das Werk samt Grundbesitz und Wohnimmobilien. Das sogenannte Reichsbahnausbesserungswerk geriet 1933 unter den Einfluss der Nationalsozialisten, wurde zum Ort von Zwangsarbeit. Die Dampflokrichthalle selbst entstand von 1938 bis 1942. Dort wurden Lokomotiven und Güterwagen instand gesetzt. Bis 1953.
Die Bahn vermietete oder ersetzte Gebäude. So entstand auch das MOC-Veranstaltungscenter. Teile des Areals kamen unter Denkmalschutz, darunter die „Halle 24“ und das Zenith. Als die Bahn 1995 das Werk final schloss, stand die „Halle 24“ leer und fand vor elf Jahren in Andreas Dünkel einen Investor. In der linken Hälfte ist sein Oldtimer-Paradies, in der anderen ein Bauhaus-Baumarkt. Von den übrigen alten Gebäuden stehen die meisten nicht mehr.

Der Investor
Andreas Dünkel, 57, stammt aus Schemmerhofen im Kreis Biberach-Riss in Baden-Württemberg. Die Dünkels sind Unternehmer. Der Großvater gründete die Kieswerke Dünkel, 1996 kam die „Activ-Group“ dazu, die Immobilien entwickelt. „Meine drei Brüder und ich sind schon mit dieser Autobegeisterung auf die Welt gekommen. Wir konnten kaum laufen, da sind wir schon Motorrad gefahren“, sagte Andreas Dünkel unserer Zeitung. Die Motorworld-Gruppe ist sein Baby.
Motorwelten wie in München gibt es schon in Köln-Rheinland und am alten württembergischen Landesflughafen Böblingen. Jene in der Zeche Ewald ist in Teilbetrieb, auf Mallorca und in Luxemburg sind weitere in Planung. Zudem sind etwas kleinere „Motorworld Manufakturen“ in Metzingen, Berlin, Zürich und Rüsselsheim bereits in Teilbetrieb. Die Projekte entstehen an besonderen, meist denkmalgeschützten Orten und sind entsprechend schwer zukalkulieren. 85 Millionen Euro wollte Dünkel in München investieren, geworden sind es über 200 Millionen. wha
Öffnungszeiten der Münchner „Motorworld“
Mo.–Sa. 7.30 bis 22 Uhr;
So./Feiertage 10 bis 22 Uhr.
Adresse: München, am Ausbesserungswerk 8