1. tz
  2. München
  3. Stadt
  4. Schwabing-Freimann

Münchner Kult-Bordell „Leierkasten“ ein Edel-Restaurant?

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Johannes Heininger

Kommentare

null
Velica A. (27) ist der Geschäftsführer vom Leierkasten und genervt über die irreführenden Bewertungen im Internet. © Sigi Jantz

Ein neuer Trend im Internet bereitet dem Münchner Kult-Bordell Leierkasten Probleme: Es wird als Gourmet-Tempel angepriesen.

München - Seit drei Wochen sind Velica A. (27) und seine Kollegen vom Münchner Kult-Bordell an der Ingolstädter Straße (Schwabing-Freimann) mit den Nerven am Ende. „Wir werden im Internet als Restaurant geführt“, sagt der Geschäftsführer zur tz. „Es kommen Touristen, die ganz erstaunt sind, wenn sie uns besuchen.“ Sogar Familien seien wegen irreführender Bewertungen im Internet schon im Leierkasten aufgeschlagen. Hinter dem Ärger steckt ein Trend, der sich gerade im Internet bei jungen Leuten hoher Beliebtheit erfreut.

„Jodel“ heißt die Anwendung im Netz, die hauptsächlich von Studenten genutzt wird. In der App tauschen sich die Nutzer über Neuigkeiten, Erlebnisse und Veranstaltungen an der Uni und in der Umgebung aus. Auch viele Neuankömmlinge in der Stadt nutzen das - in den meisten Fällen hilfreiche - Angebot und erkunden damit ihr neues Zuhause. Häufig gestellte Frage: „Könnt ihr mir ein gutes Restaurant oder eine schöne Bar empfehlen?“ Die inzwischen meist gegebene Antwort: „Probier‘ doch mal den Leierkasten.“ Oder etwa auch: „Ich kann nur den Leierkasten empfehlen. Nettes Ambiente, freundlicher Service und ausgezeichnete Weine.“

null
Heißer Tipp für einen kühlen Drink in einer Münchner Bar? Logisch: der Leierkasten. © Screenshot/Jodel
null
Nachdem dieser Jodel-Nutzer den Leierkasten im Internet genauer studierte, entschied er sich, nach einer Alternative zu suchen. © Screenshot/Jodel

Die Netz-Gemeinde macht sich einen Spaß daraus, Unwissende in die Falle zu locken. Der Beweis:

null
Schadenfreude eines Jodel-Users über die irreführenden Tipps für Zuagroaste. © Screenshot/Jodel

Bereits mehrmals sei der ein oder andere Zuagroaste ziemlich verwundert im Leierkasten aufgekreuzt, weil er dem hinterlistigen Rat der Jodel-Nutzer gefolgt war. Leierkasten-Geschäftsführer A.: „Erst kürzlich kam ein junges Ehepaar aus Pfaffenhofen, das mit seinen Kindern eigentlich nur ein Theater besuchen wollte.“ Hier ist nicht etwa Jodel der Auslöser der Verwirrung, sondern die irreführenden Bewertungen des Bordells bei der Suchmaschine Google.

Gibt man hier den Begriff „Leierkasten“ in die Suchmaske ein und klickt sich dann durch die Bewertungen, könnte man tatsächlich meinen, bei dem Bordell handelt es sich um einen Gourmet-Tempel.

null
Ausgezeichnete Menü-Auswahl, hervorragende Weine und grandioser Service: die Bewertungen für den Leierkasten bei Google. © Screenshot/Google

„Seit drei Wochen geht das jetzt so“, sagt A. „Anfangs waren es knapp 20 Bewertungen, jetzt sind es schon fast 80.“ Das Problem: „Wir können die Bewertungen nicht löschen“, sagt der Geschäftsführer. „Das müsste Google selbst machen. Aber die unternehmen nichts.“

null
Die gefälschte Internetseite, auf der mit dem Namen „Leierkasten“ für gehobene Küche geworben wird. © Screenshot/Leierkasten.tk

Doch das ist längst noch nicht alles: Witzbolde haben sogar eine gefälschte Internetseite (www.leierkasten.tk) erstellt. Auch dort wird das Münchner Etablissement als Feinschmecker-Lokal beworben. Motto: „Restaurant für den gehobenen Geschmack“. Dass dahinter auch Nutzer der Jodel-App stecken könnten, zeigt folgende Parallele: Sowohl bei der Studenten-Gemeinschaft, als auch bei den Google-Bewertungen vergöttern die vermeintlich hilfsbereiten Tippgeber die Spezialitäten des Hauses - wie etwa Mittelmeer-Fisch, Perlhuhn oder den angeblich besonders leckeren Lavakuchen.

null
Lokal statt Bordell: Auf der Google-Karte wird der Leierkasten nicht als das aufgeführt, was er eigentlich ist. © Screenshot/Google

So verführerisch sich die Bewertungen auch anhören, Velica A. meint: „Wir sind ein Bordell und wollen deshalb als solches deklariert werden - auch im Internet!“   

Lesen Sie auch: MVG, Uni-Storys: So nutzt München die Trend-App Jodel

Auch interessant

Kommentare