Expertin spricht über Wohnungs-Wahnsinn in München: „Es wird immer dramatischer“

Die bloßen Zahlen können nicht beschreiben, wie schwer es Wohnungssuchende in München tatsächlich haben. Eine Frau vom Fach erzählt vom tagtäglichen Wahnsinn am Mietmarkt.
München – Das Tröpfeln verwandelt sich in einen Schauer. Glücklich ist, wer einen Regenschirm dabei hat. Denn so schnell kommen die rund 40 Bewerber heute nicht ins Trockene. Bei einer Wohnungsbesichtigung am Montag in der Schwabinger Rümannstraße 35 erscheint der Vermieter nämlich einfach nicht. Wieder einmal ein Beispiel dafür, wie Wohnungssuchende in München im Regen stehen.
„In dieser Stadt hat die Wohnungssuche menschenunwürdige Verhältnisse erreicht“, sagt Mirella B. (50). Die Diplom-Kauffrau war früher Maklerin und vermittelt mittlerweile nebenberuflich Wohnungen – vorrangig an ausländische Bürger, die sich auf dem hiesigen Mietmarkt nicht auskennen. Auch im Fall Rümannstraße ist sie am Montag um 15 Uhr für einen Klienten vor Ort. Knapp über 1000 Euro warm soll die Zweizimmerwohnung (55 Quadratmeter) kosten. Klar, dass da viele Interessenten Schlange stehen.
Vermieter taucht nicht auf: Münchner stehen im Regen
Als nach 15 Minuten niemand vom Vermieter, der Bayerischen Versorgungskammer, auftaucht, ruft sie dort an. Warteschleife. Als sie um 15.30 Uhr immer noch nicht durchkommt, versucht sie es telefonisch beim ihr genannten Ansprechpartner. Auch da nur Warteschleife. Immer mehr Wohnungsinteressenten verlassen genervt den vereinbarten Ort. Nach 40 Minuten reicht es auch Mirella B. „Das ist unprofessionell und darf einem solch großen Unternehmen nicht passieren. Die meisten dort haben sich extra freigenommen – und werden dann einfach stehen gelassen.“

Man bedauere den Vorfall „außerordentlich“, sagt die Bayerische Versorgungskammer auf Anfrage. Der zuständige Hausmeister sei leider so schwer erkrankt, dass der Besichtigungstermin nicht kurzfristig an eine Vertretung übergeben werden konnte. Die Problematik der telefonischen Erreichbarkeit mit Wartepositionen sei bekannt. „Deshalb arbeiten wir an einer Verbesserung, um wieder eine gute Erreichbarkeit sicherzustellen.“
Wohnungsvermittlerin erklärt Wahnsinn am Mietmarkt in München
Diese Erfahrung ist bei weitem nicht die schlimmste, die die Wohnungsvermittlerin B. gemacht hat. „Es wird immer dramatischer auf dem Mietmarkt. Familien mit Kindern, Bewerber mit ausländischem Namen oder Alleinerziehende haben kaum mehr eine Chance.“ Sie vermittle oft Handwerker – und selbst wenn diese an die 2000 Euro netto verdienen würden, würden sie schikaniert. „Bei 100 Bewerbungen bekommen sie vielleicht zwei oder drei Besichtigungstermine.“
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Die Nachfrage steige und steige. „Selbst wenn man sich drei Mal am Tag vom Immobilienportal benachrichtigen lässt, verpasst man die Hälfte der attraktiven Anzeigen, weil diese wegen der hohen Nachfrage bereits nach zwei Stunden wieder herausgenommen werden. Eigentlich muss man stündlich nachsehen…“ Ohne eine Plus-Mitgliedschaft beim gängigen Immobilien-Portal hätten Mieter heutzutage kaum eine Chance, sich überhaupt auf die Anzeige zu bewerben – und die kostet im günstigsten Fall 12,99 Euro monatlich.
Münchner Experten erklären: Das sind die Rechte der Interessenten
Auch Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus & Grund, bestätigt die immer schlimmer werdenden Zustände am Münchner Mietmarkt. „Viele stellen einen Immobilienkauf derzeit wegen der politischen Weltlage, der Energiekrise und der gestiegenen Zinsen zurück. Diese Personen drängen nun auch auf den Mietmarkt.“ Hinzu käme, dass viele Bauvorhaben gerade pausierten. „Das verstärkt die Wohnungsnot zusätzlich.“ 100 Interessenten oder mehr bei einer Wohnungsbesichtigung seien keine Seltenheit. In der Not erfüllen Wohnungssuchende fast alle Forderungen der Makler. Dennoch gebe es juristische Grenzen, mahnt Volker Rastätter vom Münchner Mieterverein. „Oft wird der Mieter nach Nationalität, Religion oder persönlichen Dingen wie Kinderwunsch befragt. Das muss der Mieter nicht beantworten.“ Er müsse nur darüber Auskunft geben, ob er mit weiteren Personen einzieht. Im Finanzbereich dürfe der Makler lediglich nach Verdienst und Festanstellung fragen sowie eine Schufa-Auskunft verlangen.
Auch Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus & Grund, bestätigt: „Viele stellen einen Immobilienkauf derzeit wegen der politischen Weltlage, der Energiekrise und der gestiegenen Zinsen zurück. Diese Personen drängen nun auch auf den Mietmarkt.“ Hinzu komme, dass viele Bauvorhaben gerade pausierten. „Das verstärkt die Wohnungsnot zusätzlich.“ 100 Interessenten oder mehr bei einer Wohnungsbesichtigung seien keine Seltenheit.
Münchner Makler stellen irre Forderungen
In der Not erfüllen Wohnungssuchende fast alle Forderungen der Makler. Dennoch gebe es juristische Grenzen, mahnt Volker Rastätter vom Münchner Mieterverein. „Oft wird der Mieter nach Nationalität, Religion oder persönlichen Dingen wie Kinderwunsch befagt. Das muss der Mieter nicht beantworten.“ Er müsse nur darüber Auskunft geben, ob er mit weiteren Personen einzieht.
Es gibt nichts, was es nicht gibt beim Münchner Mietmarkt-Wahnsinn, berichtet Mirella B.: „Mir wurde schon von einem Makler gesagt, dass ich die Wohnung bekäme, wenn ich ein, zwei Monatsmieten für ihn obendrauf lege.“