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Schwabinger Gisela: Ihre Freunde nehmen Abschied

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Schwabinger Gisela
Die Schwabinger Gisela in ihrer Wohnung, Januar 2014. © Bodmer Oliver

München - Gisela Dialer, die Schwabinger Gisela, die Kult-Wirtin ist tot. Sie starb im Alter von 85 Jahren an Krebs. In der tz nehmen drei ihrer Freunde - Christian Ude, Konstantin Wecker und Willy Michl (Isar-Indianer) - Abschied von ihr.

Es gibt Menschen, die einnehmen. Mühelos und absichtslos. Gisela Dialer gehörte dazu. Als sie die tz am Tag vor ihrem 85. Geburtstag am 23. Januar dieses Jahres empfing, da spürten wir schon an der Tür zu ihrer Wohnung am Viktualienmarkt diesen Zauber eines Menschen, der viel erlebt hat – aber alles still genießt.

Gisela Dialer, die Schwabinger Gisela, die Kult-Wirtin, saß in ihrem Stuhl am Fenster, über ihr ein Selbstporträt aus den 60ern. Einen blauen Schal hat sie sich fürs Foto übergeworfen, damit man den Schlauch nicht sah, der in ihren Hals führte. Gisela Dialer, die ein Leben lang geraucht hat, hatte Kehlkopfkrebs. Am Freitagnachmittag ist die wohl letzte Ikone des jungen, wilden Schwabing der 60er-Jahre gestorben.

Über den phänomenalen Erfolg ihrer Kult-Kneipe Bei Gisela sprach sie nie

Gejammert hat sie nie. All die Abenteuer, die sie erlebt und durchlebt hat, genoss sie in vollen Zügen. Späte Reue, so wirkte sie, gab es nicht. „Im Leben“, sagte sie, „ist nichts selbstverständlich. Man muss lernen, zufrieden zu sein. Das kann man lernen.“

Ihre Stimme war brüchig, doch die Augen blitzten wie eh und je. Augen zum Versinken. Die einen voller Neugier, Güte und Schalk anblickten. Was diese Augen alles gesehen haben, in den 60ern und 70ern zu Zeiten ihrer Kneipe – darüber redet sie nicht viel. Über den Kosmonauten Juri Gagarin erzählt sie, über den „zurückhaltenden und charmanten“ Weltstar Kirk Douglas. Aber nie über sich, ihren Ruhm, den phänomenalen Erfolg ihrer Kult-Kneipe Bei Gisela, wo die Stars aus aller Welt verkehrten.

Gisela war die personifizierte natürliche Leichtigkeit mit Tiefgang

Edith von Welser-Ude formuliert das so: „München wurde mit Schwabing verbunden – und Schwabing mit der Gisela.“ Die Gattin des Alt-OB erinnert sich „an die tropfenden Kerzen auf den Chiantiflaschen – und ich höre noch ihre wunderschöne, dunkle Stimme“.

Gisela Dialer war kein Model, keine Schönheit im klassischen Sinne – aber sie war schön. Ihr umwerfendes Charisma, ihre sonore, samtig-verruchte Altstimme, ihre lässige Eleganz, die ganz natürlich emanzipiert daherkam: All das macht eine Grande Dame aus. Die personfinizierte natürliche Leichtigkeit mit Tiefgang.

Gisela: "Ich bin ein Sterntalerkind, bin frei"

Die Neugier und Abenteuerlust hat ihr irgendein Engel mitgegeben – gläubig war die Schwabinger Gisela allerdings nicht. Aber von ihrem Schutzengel war sie überzeugt: „Ich habe einen ganz guten“, lächelte sie während unseres Gesprächs. „Ich bin ein Sterntalerkind, bin frei.“

Diese Freiheit führte sie bald weg aus ihrer Geburtstadt Moers und nach München (siehe unten). Motorrad war sie da schon gefahren und hatte in Essen Ausdruckstanz gelernt. Ein unruhiger Geist war sie hingegen nie – und das war nicht dahingesagt, das lebte sie in jeder Pore.

Jetzt tanzt ihr gelassener Freigeist im Himmel. Ein kleines Manna-Schnäpschen dürfte sie dabei nicht ausschlagen. Bei unserem Gespräch zog sie eine Flasche hervor, die rechts von ihr auf dem Boden stand. „Den müssen Sie probieren.“ Natürlich trank sie mit. Denn das Leben ist zu kurz und schön, um es nicht zu genießen.

M. Bieber, U. Heichele

Giselas Freunde nehmen Abschied

Ein Münchner Urgestein

Schwabinger Gisela
Gisela zusammen mit Konstantin Wecker. © Jantz

Das ist sehr traurig für mich. Sie war ein großartiger Mensch. Ein Münchner Urgestein – obwohl sie aus dem Ruhrpott stammte – und auch für mich persönlich ein ganz wichtiger Mensch. Ohne sie hätte ich die wilden Jahren im Kaffee Giesing wohl nicht in den Griff bekommen. Gisela führte die Wirtschaft ausgezeichnet in meinem Sinne. In Erinnerung bleiben mir vor allem ihre tiefe, sinnliche Stimme und natürlich ihr Lied Der Nowak.

Konstantin Wecker (67), Münchner Liedermacher

Münchner Liedermacher Tollkühn, neugierig und charmant

Schwabinger Gisela
Gisela mit Alt-OB Christian Ude. © Jantz

Ich habe sie noch im Frühjahr erlebt, wo sie ein letztes Mal die Schwabinger Laterne hochhielt. Ihr Charme, ihre blitzenden Augen: Das war alles noch da. Es ist faszinierend, wie sie den Charme der 60er verbreiten konnte. Sie verkörperte eine erotische Frivolität für Generationen. Und: Sie hat auch in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, diese Erinnerung wachzuhalten. Mit ihr stirbt ein Stück Schwabing der 60er und 70er. Für ein Mädel vom Lande war es geradezu tollkühn, in der Großstadt München dieses einmalige Lokal aufzumachen und jeden Abend auf der Bühne zu singen. Aber Neugier gehörte zu ihrem Wesen. Vergleichen Sie ihre Aura mit den Hollywood-Stars der damaligen Zeit: Die waren entweder Sexobjekte oder süße Hascherl. Die Schwabinger Gisela hingegen war selbstbestimmt, emanzipiert und verdrehte den Männern mit ihrer Art den Kopf.

Christian Ude (66), Alt-OB

Sie hatte das gewisse Etwas

Schwabinger Gisela
Gisela mit Willy Michl, Liedermacher und Isar-Indianer. © Kruse

Bei Gisela habe ich meinen ersten Auftritt gehabt – da war ich grad mal 20. Ich war ein paar Mal mit Freunden bei ihr gewesen, bloß als Gast, aber sie hat mich spielen lassen. Vor Kurzem hab ich noch mal für sie gesungen, bei ihrem 85. Geburtstag. Die Gisela war immer eine elegante, attraktive Frau, sie hatte das gewisse Etwas. Sie war eine Männerversteherin. Vor allem war sie die philosophische Patin der Münchner Kunst- und Kulturszene. Willy Michl (64),

Liedermacher und Isar-Indianer

Bei Gisela – die legendäre Kneipe

Kästner, Strauß, Gagarin: Im Banne der Laterne

Die zwei Worte klingen so beiläufig – und haben doch so viel bedeutet. „Bei Gisela“: In dieser Kneipe war so gut wie jeder zu Gast, der in München und der ganzen Welt Rang und Namen hatte. Franz Josef Strauß, Juri Gagarin, Erich Kästner, Leonard Bernstein, Kirk Douglas, Orson Welles: Alle waren sie zu Gast in der Occamstraße (hier, wo heute das Vereinsheim noch immer echte Schwabinger Kultur pflegt). Gisela legte den Grundstein dafür. Sie, die zuerst im Pfälzer Hof (der heutigen Lach & Schieß) gekellnert und geputzt hatte, machte sich hier am 1. Dezember 1952 selbstständig. Mit 23 Jahren war sie damals die jüngste Wirtin Deutschlands. Bei ihr gab’s zu trinken und zu lauschen: Spät am Abend gab sie Chansons zum Besten, zum Beispiel die Schwabinger Laterne und den Nowak. 1974 war Ende Legende: Gisela machte die Kneipe zu, ging nach Dinkelsbühl. Am Ende konnte sie doch nicht von ihrem München lassen – von den 90er-Jahren an lebte Gisela wieder hier. Dahoam.

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