Ein Schiff mitten in München: „Die Utting wird mein Lebenswerk“

Die Arbeiten auf der MS Utting gehen voran. Es wird immer leichter sich vorzustellen, dass hier, auf einer Eisenbahnbrücke über der Lagerhausstraße, bald Kultur stattfinden wird.
München - Man kann ihn sich gut vorstellen mit einer Kapitänsmütze auf dem schwarzen Wuschelkopf und einer Pfeife zwischen den Lippen. Daniel Hahn, Kopf des Kulturvereins Wannda, ist ein Macher. Einer, der das Ruder nur ungern aus der Hand gibt und lieber selbst mit anpackt. Am liebsten packt er Träume an. Seit Monaten arbeitet der 27-Jährige daran, einen alten Ausflugsdampfer in eine Kleinkunstbühne zu verwandeln.
Kippt die MS Utting bereits vor der Eröffnung von der Brücke?
Wann die MS Utting in See beziehungsweise in Sendling sticht und die Münchner Kulturszene entert? „Mit konkreten Aussagen bin ich vorsichtig geworden“, sagt Hahn. „Die Sache liegt nun nicht mehr nur in meiner Hand.“ Am 22. Februar ist die MS Utting auf der ausrangierten Eisenbahnbrücke über der Lagerhausstraße gestrandet. Tonnenschwere Kräne hatten den weiß-blau gestreiften Kahn auf die stillgelegten Gleise gehievt. Erst den Unterbau, danach das Deck.

150 Tage Verspätung
Im Mai sollte der Betrieb beginnen. Doch der Start verzögerte sich. Um ein paar Tage, Wochen, Monate. Mittlerweile hat der Dampfer eine Verspätung von 150 Tagen eingefahren. Ein Luftschiff? „Nein“, sagt Hahn entschlossen, „auch wenn man auf den ersten Blick noch keine großen Veränderungen sieht.“
MS Utting auf dem Weg zum Ammersee: Riskante Fahrt über A96
In den vergangenen Monaten sei „wahnsinnig viel passiert“, beteuert der Kulturschaffende. Ein riesiges Team aus Freiwilligen hatte sich zusammengefunden, um die alte Utting neu einzukleiden. Die einen tüftelten am Konzept, die anderen führten die Ideen aus, verlegten Kabel, zogen Treppen ein und kümmerten sich um den Transport. Momentan basteln die Helfer an der Isolierung. Metallwollplatten sollen dem Dampfer ein wärmendes Gewand verleihen. Spezielle Folien sollen das Holz vor Schimmel schützen. „Auf dem Ammersee ist die Utting nur im Sommer gefahren“, erzählt Hahn, „in Sendling aber wird sie jeden Tag gebraucht.“

Rasten wie vor 70 Jahren
An Deck sollen die Besucher genau wie vor 70 Jahren rasten können. Sitzen, plaudern, die Aussicht genießen. Im Mittelschiff ist Stehen angesagt. Fünf Stufen weiter unten, im Bereich der alten Küche, soll es eine Kleinkunstbühne geben. „Raum für Lesungen, Theater und Konzerte.“ Um mehr Platz für Kreativität zu schaffen, wird die Küche ausgelagert. In einem Küchencontainer soll draußen hinter dem Heck gebrutzelt werden. Vorwiegend ayurvedisch: Wenig Fleisch, wenig Weizen, wenig Fisch. „Dafür aber extravagant und hochwertig.“ Genau wie die Utting.

Im Februar stand Daniel Hahn vor einer schwerwiegenden Entscheidung. „Entweder, wir machen’s schnell, oder wir machen’s gut.“ Der 27-Jährige entschied sich dafür, es besser zu machen. Besser als alles, was er bis dahin angepackt hat. „Mir war schon klar, dass die Utting ein Lebenswerk werden würde. Aber dass es so viel zu berücksichtigen gibt, hatte ich nicht für möglich gehalten.“
Besuch bei der MS Utting: So sieht das Schiff von innen aus
Brandschutztechnik, Fluchtwege, Wärmedämmung. „Vor allem die Sicherheitsprüfungen schlucken Zeit.“ Und damit auch Geld. Einen sechsstelligen Betrag hat der künftige Kapitän schon in die Hand genommen. Mittlerweile ist die Schiffskasse leer. Damit die Utting trotzdem in See stechen kann, will Hahn eine Crowdfunding-Kampagne starten. Manchmal muss man das Ruder eben doch aus Hand legen, um die Segel zu hissen.

Sarah Brenner