Streit-Thema Isar-Trails: Beteiligte plädieren für mehr Miteinander beim Schutz der Isarauen

Ein Dorado für Mountainbiker: das sind die Isarauen bei Grünwald, südlich von München. Das Problem ist nur: Es gibt keine offiziellen Radwege. Eine Projektgruppe aus Sportlern und Naturschützern hat längst ein Lenkungskonzept erarbeitet. Aber es hakt an der Umsetzung.
Grünwald – Claudia Köhler kommt ins Schwärmen. Vor einiger Zeit war die Grünen-Landtagsabgeordnete in den Isarauen bei Grünwald (Kreis München) unterwegs. Mit ihrem Kollegen Markus Büchler und den Naturschützern Franz Wachtel und Manfred Siering hat sie sie sich vor Ort ein Bild gemacht und seltene Tiere und Pflanzen gesehen. Ein Grauspecht flog herum. Ein Gänsesäger schwamm auf dem Wasser. Am Wegesrand blühte ein Buschwindröschen. Aber Köhler hat auch etwas gesehen, das sie auf die Barrikaden treibt: Spuren von Radfahrern, die sich den Weg quer durch das Unterholz gebahnt haben.
„Wir haben hier eine Natur-Perle vor den Toren Münchens“, betont die Grünen-Politikerin. „Dass die Radfahrer durch unbedachtes Verhalten Jungpflanzen zerstören, muss doch nicht sein.“ Köhler unterstellt den Mountainbikern nicht immer Absicht. Durch umfallende Bäume entstünden schnell neue Routen durch den Wald. Dazu haben die Abgeordneten laminierte Papierschilder in Din-A4-Format entdeckt. Diese sollen die Radfahrer und Wanderer darauf hinweisen, wo sie entlanglaufen und fahren sollten. „Das ist ein Witz“, moniert Köhler. „Diese Schilder kann doch kein Mountainbiker im Vorbeifahren lesen.“ Die Grünen-Politikerin bemängelt unzulängliche Kommunikation. „Die Isartal-Besucher müssen informiert werden, wo man naturverträglich entlang fahren kann“

Die Forderungen der Abgeordneten, das Isartal stärker zu schützen, teilen auch Vertreter der Mountainbike-Szene. „Das man da nicht wild durchfahren soll, sehe ich ein“, unterstreicht etwa Jörg Schmidtmann, Rennsporttrainer beim MTB-Club München. Gemeinsam mit Vertretern des Landesbunds für Vogelschutz, dem Bund Naturschutz oder dem Deutschen Alpenverein steht er seit Jahren im Austausch.
Im Rahmen des Arbeitskreises „NaturErholung Isartal im Süden von München“ wollen alle Beteiligten ein gemeinsames Ziel erreichen: Die Ströme von Erholungssuchenden in der sensiblen Natur auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Die Landeshauptstadt München und der Landkreis sind Träger des Projekts. Auch das Landratsamt war einbezogen. „2017 haben wir uns auf ein Lenkungskonzept geeinigt und einen Abschlussbericht vorgelegt“, erklärt Schmidtmann. Die Stadt München und der Landkreis haben im Haushalt 2018 auch Fördermittel von jeweils einer Million Euro für die Umsetzung des Konzepts vorgelegt. Bis Ende 2021 hätten klar definierte Wege ausgeschildert werden sollen. Passiert ist das bisher nicht.
Nicht nur die Umsetzung des Lenkungskonzepts in den Isarauen brauche es - sondern weiteres, naturverträgliches Angebot für Mountainbiker nahe der Stadt, betonen Vertreter der Szene
Warum ist das so? Auch bei Landrat Christoph Göbel persönlich hat die Projektgruppe versucht nachzuhaken. Die Pressestelle des Landratsamts teilt auf Nachfrage mit: „Das Projekt umzusetzen erfordert umfangreiche Vorarbeiten.“ Im Vorfeld müsse noch mit betroffenen Grundstückseignern gesprochen werden. „Und es ist zu klären, ob durch die Umsetzung des Projekts ein Verkehr im Rechtssinne eröffnet wird und gegebenenfalls Verkehrssicherungspflichten entstehen.“ Mit einem festen Wegenetz wären die Isarauen keine freie Natur mehr. Bei Unfällen wäre die Behörde möglicherweise haftbar. Unberührte Wälder kann hingegen jeder Erholungssuchende uneingeschränkt befahren und betreten. So sagt es das Bayerische Naturschutzgesetz.
„Keiner möchte die Menschen aus dem Isartal ausschließen“, unterstreicht Grünen-Abgeordneter Büchler. Auch er sieht, dass das Gebiet für Städter zur Naherholung wie geschaffen ist. „Wir Grüne freuen uns natürlich, wenn die Menschen das Auto stehen lassen und die Natur vor den Toren Münchens genießen.“

Und genau hier müsste ein weiteres Angebot her, sagt Schmidtmann. „Wer mit dem Rad südlich aus München rausfährt, landet erst mal im Isartal und dann ist Schluss.“ Es müssten auch an anderer Stelle festgelegte Mountainbike-Trails her, die eine breite Zielgruppe ansprechen. Hartgesottene Profis sollen ebenso auf ihre Kosten kommen wie Kinder und Menschen, die sich erst seit kurzem fürs Mountainbiken interessieren. „Mit Beginn der Corona-Pandemie haben noch mehr Menschen das Rad entdeckt. Mit der Festlegung von Wegen im Isartal ist es nicht getan. Die können die gestiegenen Nutzerzahlen auch nicht mehr fassen.“
So sollten etwa in der Fröttmanninger Heide, im Münchner Norden, offizielle Mountainbike-Trails entstehen. Konzepte lägen in der Schublade der Stadt. Aber auch hier passiert bisher nichts. „Mir kommt es manchmal so vor, nur die Mountainbiker werden als die Bösen hingestellt, die die Natur zertrampeln. Aber wenn die Behörden mit schweren Fahrzeugen über die Wiesen im Isartal fahren und Absperrgitter aus Stahl aufstellen, ist es in Ordnung. Das verstehe ich nicht.“
Der Radsportler bedauert, dass der schwarze Peter in der Umweltschutz-Debatte einseitig bei den Vertretern seiner Szene liege. „Dabei haben wir am Runden Tisch mit den Naturschützern alle Kompromisse mitgetragen.“ Die Mitglieder des MTB-Club München würden Radfahrern mit Nachdruck die Leviten lesen, die im Isartal kreuz und quer fahren. Es läge in ihrem Interesse, gemeinsam Lösungen zu finden, die die Natur entlasten und den Radfahrern ihren Spaß lassen.