Meineid: Neun Monate Haft auf Bewährung
München - Das wär ein Fall für das Königlich Bayerische Amtsgericht: Wie sich aus einem Verkehrsdelikt auf einer Bundesstraße ein Jahr später ein Verfahren wegen Meineids wurde.
Verteidiger Peter Guttmann kann es nicht fassen. „Da bekommt man graue Haare, wenn man sie nicht schon hat“, sagt er. Was Guttmann ergrauen lässt, ist ein Verfahren vor dem Amtsgericht Kaufbeuren, in dem er seine Münchner Mandanten jetzt vertreten hat und das ein wenig ans Königlich Bayerische Amtsgericht erinnert.
Die Geschichte beginnt am 27. November 2008: Am Morgen dieses Tages brechen die Senioren Karin und Heinz G. (Namen geändert) von München aus mit dem Auto auf, um ihre schwer kranke Tochter in eine Klinik in der Nähe von Memmingen zu bringen. Ebenfalls im Wagen dabei: Karin G.s Cousine. Gegen 9.45 Uhr verpasst Heinz G. eine Abfahrt und wendet seinen BMW verbotswidrig auf einer Bundesstraße. Zwei Polizisten beobachten dies. Ein Jahr später kommt es zum Prozess vor dem Amtsgericht Kaufbeuren. Das Urteil: ein Monat Fahrverbot und 150 Euro Geldbuße.
Im Prozess gegen Heinz G. sagen seine Frau Karin und deren Cousine als Zeugen aus. Sie seien sich sicher, erklären beide, dass Heinz G. den Wagen an einer ganz anderen, weit entfernten Kreisstraße gewendet habe. Der Richter glaubt den Frauen nicht und vereidigt beide.
Vor wenigen Tagen folgt ein weiterer Prozess vor dem Amtsgericht Keufbeuren, dieses Mal gegen die beiden Frauen wegen Meineids. Am Ende verurteilt der Richter die 67 Jahre alte Karin G. und ihre Cousine, 55, zu Bewährungsstrafen von je neun Monaten. Karin G. muss zudem 4000 Euro Geldauflage zahlen, ihre Cousine 2000 Euro.
Dass es sich um einen Irrtum handeln könnte und die Frauen allenfalls fahrlässig, nicht vorsätzlich gehandelt haben könnten, will der Richter nicht gelten lassen. Er nimmt lediglich einen minderschweren Fall an. Der Richter habe gesagt, er sei es gewohnt, belogen zu werden, berichtet Guttmann vom Prozess. Deshalb empfinde er es als normal, auch in kleineren Verfahren wie dem gegen Heinz G. zu vereidigen. Und daher seien die beiden Frauen nun auch wegen Meineids zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Bettina Link