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Der Poker ums Uhrmacherhäusl: Berufungsprozess nach illegalem Abriss beginnt

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Der Angeklagte S. beim Berufungsprozess.
Der Angeklagte S. beim Berufungsprozess. Foto: jantz © jantz

Der illegale Abriss des Uhrmacherhäusl vor sechs Jahren hinterließ eine große Baulücke in Giesing. Nun muss sich der Angeklagte erneut vor Gericht verantworten. Gleich am ersten Verhandlungstag scheiterte eine Einigung.

Der Angeklagte Andreas S. (46) lächelt kurz, als der Prozess beginnt – es ist nicht sein erster in diesem Fall. Die Tat, die ihm vorgeworfen wird, liegt bereits mehr als sechs Jahre zurück. Der Unternehmer soll damals am 31. August 2017 das denkmalgeschützte Uhrmacherhäusl in Giesing abreißen haben lassen – ohne Genehmigung. Sein mutmaßliches Ziel: ein profitabler Neubau. Es entstand Münchens wohl berühmteste Baulücke, die viele als Symbol für gnadenlose Profitgier werten – weit über Giesing hinaus.

Nun geht der Poker ums Uhrmacherhäusl weiter – der Prozess ist gestern vor dem Landgericht neu aufgerollt worden. Das Amtsgericht hatte Andreas S. bereits vergangenes Jahr zu einer Geldstrafe von 132 500 Euro verurteilt. Das wollte dieser nicht akzeptieren, er ging in Berufung – mit Erfolg. Doch noch bevor der Prozess gestern erneut richtig begann, machte Richter Robert Hamberger dem Angeklagten ein Angebot – er regte ein „Rechtsgespräch“ an.

Illegaler Abriss in Giesing: Einigung vor Gericht scheitert

Ein Versuch, sich außerhalb der Hauptverhandlung zu einigen. Das Gericht schlug Andreas S. vor, 100 000 Euro zu zahlen. Damit wäre die Sache eingestellt worden, ohne dass S. als vorbestraft gegolten hätte. Die Summe war dem Angeklagten jedoch zu hoch – er wäre laut Richter höchstens bereit gewesen, 75 000 bis 80 000 Euro zu zahlen.

Das war wiederum der Staatsanwaltschaft zu wenig. Die Einigung scheiterte. Jetzt geht der Prozess regulär weiter, Zeugen müssen erneut gehört werden. 15 Verhandlungstage sind angesetzt. Ein Urteil wird erst im nächsten Jahr erwartet.

Die Staatsanwaltschaft wirft S. „gemeinschädliche Sachbeschädigung“ und Nötigung vor. Geholfen haben soll ihm dabei Cüneyt C., der mit auf der Anklagebank sitzt. Er soll den Abriss im Auftrag von S. ausgeführt haben. Es sollte dabei wohl der Eindruck entstehen, dass „das Vorgehen ein Versehen war“, so der Richter. Andreas S. soll zuvor zudem versucht haben, Bewohner des Uhrmacherhäusls „kalt zu entmieten“: „In den Wintermonaten wurde in dem Haus das Wasser abgedreht, der Strom abgeschaltet und die Haustür ausgehängt“, so der Richter. Damit habe S. erreichen wollen, dass ein Mieter auszieht.

Die Verteidigung plädiert weiter auf Freispruch. Ein Streitpunkt ist, ob „gemeinschädliche Sachbeschädigung vorliegt“. Bloße Sachbeschädigung beging Andreas S. auf keinen Fall: Es war ja sein Eigentum, das zerstört wurde – er hatte das Haus zuvor für rund 620 000 Euro erworben. Nun geht es auch darum, ob es sich beim Uhrmacherhäusl nur um ein Einzeldenkmal oder ein „öffentliches Denkmal“ handelt – das wäre die Voraussetzung für „gemeinschädliche Sachbeschädigung“.

Wieder aufbauen muss S. das Haus ohnehin – das hatte bereits das Verwaltungsgericht veranlasst. Passiert ist das noch nicht.

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