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Untergiesing: SOS wegen Luxussanierung

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Nach Luxus sieht das Anwesen an der Hans-Mielich-Straße 1a nicht aus. Aber „SOS-Kinderdorf“ saniert Stück für Stück, dann gehen die Mietpreise stark nach oben. © Marcus Schlaf

Die Luxussanierung in einem Haus im Erhaltungssatzungsgebiet Untergiesing sorgt für Wirbel. Insbesondere, weil es sich beim Hauseigentümer um die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf handelt. Dort heißt es, man brauche die Mieteinnahmen aus Immobilien für die Hilfsprojekte des Vereins.

Die Firma „Dr. Grosdidier Immobilien“ bietet im von Gentrifizierung gebeutelten Untergiesing derzeit „ein Schmuckstück zum Verlieben“ an, wie es im Exposé heißt. Eine „top renovierte 4-Zimmer-Wohnung“ in einem Haus an der Hans-Mielich-Straße 1a. Sie sei unter anderem mit „hochwertigen neuen Parkett-Dielenböden“ und einer „exklusiven Badausstattung“ ausgestattet worden. 2630 Euro Warmmiete muss der künftige Mieter für die 131 Quadratmeter monatlich hinlegen – rund 20 Euro den Quadratmeter.

Luxussanierung ohne Genehmigung 

Vor kurzem hatte ein Mieter den Bezirksausschuss Untergiesing- Harlaching auf das Angebot aufmerksam gemacht. Für ihn ist klar. „Die Wohnung wurde luxussaniert, obwohl das Gebäude im Erhaltungssatzungsgebiet liegt.“ In dem Haus gebe es zehn Wohnungen und drei Gewerbe, unter anderem eine Metzgerei. Es sei „Baujahr 1897, von sehr einfacher Ausstattung mit seit 20 Jahren unveränderten Nettomieten von rund 5,60 Euro pro Quadratmeter“. Die Bewohner befürchten nun, dass es dort nach und nach immer teurer wird. Der Mieter berichtete, dass ab August zwei weitere Wohnungen freistehen. Auch sie sollen aufgewertet werden. Noch etwas anderes befeuert das Misstrauen der Bewohner. Die Sanierung sei ohne Genehmigung des Wohnungsamts erfolgt, sagte der Mieter.

Erhaltungssatzung soll Mieter schützen, eigentlich

Frank Boos, Sprecher des Sozialreferats, kann dies weder bestätigen noch verneinen. „Wir sind in Kontakt mit dem Vermieter“, sagte er dem Münchner Merkur auf Anfrage. Es gebe ein laufendes Verfahren, deshalb könne er momentan noch nicht mehr sagen. Grundsätzlich gelte: „Erfolgen in Erhaltungssatzungsgebieten Umbauten, Erweiterungen und Sanierungen ohne Genehmigung, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet.“ Die Erhaltungssatzung ist ein wichtiges Instrument in München. Sie soll bestehende Wohnungen vor Umwandlung und Luxussanierung schützen. „Und vermeiden, dass Mieter verdrängt werden, weil sie die Mieten nicht mehr zahlen können“, wie Boos erklärt. Klar geregelt ist auch der Verkauf von Immobilien in Erhaltungssatzungsgebieten: Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht. Einen Verkauf gab es in diesem Fall wohl nicht. „SOS-Kinderdorf hat dieses Gebäude testamentarisch geerbt“, teilte Carolin Mauz, Sprecherin des Vereins, auf Anfrage mit.

Verein weist Vorwürfe zurück

Die letzte Sanierung in dem Haus an der Hans-Mielich-Straße liege Jahrzehnte zurück. Einige Arbeiten seien dringend. Es gehe darum, die Wohnungen „auf den aktuellen Stand zu bringen“, so Mauz. Die erstmalige Neuvermietung der renovierten Wohnung erfolge gemäß Ausstattung, Lage und Beschaffenheit zum Preis im gesetzlichen Rahmen. „Sollten weitere Wohnungen leerstehen, werden die Renovierungen fortgeführt, bis das gesamte Objekt saniert ist.“ Mauz betont, es habe keine Kündigungen gegeben. Die Mieter hätten von sich aus das Mietverhältnis beendet. Auch künftig werde es keine Kündigungen geben.

Ein Interesse an Mieteinnahmen bestreitet die Sprecherin nicht. Allein in Deutschland betreue man in 41 Einrichtungen mehr als 95.000 Menschen. Darüber hinaus unterstütze der deutsche SOS-Kinderdorfverein 133 SOS-Einrichtungen in 36 Ländern weltweit. „Für diese Arbeit ist SOS-Kinderdorf auf Spenden angewiesen. Auch die Erträge aus den Mieteinnahmen fließen in diese Arbeit“, teilte Mauz mit.

Sogar für Normalverdiener zu teuer

Kritische Töne kommen inzwischen auch vom Mieterverein, wo das Exposé und der Preis ebenfalls unter die Lupe genommen wurden. „Das ist eine echte Luxussanierung“, sagt der Geschäftsführer des Mietervereins, Volker Rastätter. Also genau das, „was die Erhaltungssatzung verhindern sollte“. Es handle sich um eine durchschnittliche Wohnlage. „Aber so werden sogar Normalverdiener vertrieben.“

SOS-Kinderdorf kündigte an, die Renovierungen fortzuführen, bis das gesamte Objekt saniert sei. In dem Exposé für die bereits sanierte Wohnung heißt es: „Der Anbau eines Lifts sowie die Anbringung von Balkonen am ganzen Gebäude ist bereits in Planung und wird in den kommenden Monaten umgesetzt, genauso wie die aufwendige Neugestaltung der Außenfassade“. Für die Mieter heißt das: höhere Mieten. Diese würden „nur im gesetzlichen Rahmen angeglichen“, betont Mauz.

BA fordert Erklärung

Ein Mieter des betroffenen Hauses warf im Bezirksausschuss die Frage auf, ob die Erhaltungssatzung nur ein „zahnloser Tiger“ sei, aus dem man sich durch Zahlung eines Bußgeldes herauskaufen könne. Der Bezirksausschuss möchte nun, dass SOS-Kinderdorf dem Gremium persönlich Rede und Antwort steht. Die Hilfsorganisation soll in eine der nächsten Sitzungen eingeladen werden, zudem will der BA das Wohnungsamt anschreiben

Brigitta Wenninger

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