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Promis gegen Antisemitismus: „Wir brauchen Haltung statt Hass“

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Maler Manfred Bockelmann bei der Eröffnung seiner Ausstellung im jüdischen Zentrum München.
Manfred Bockelmann, der Bruder von Udo Jürgens, malt seit 15 Jahren Bilder von in Konzentrationslagern der Nazis getöteten Kindern. © Heinz Weissfuss

Angesichts des terroristischen Überfalls der Hamas auf Israel hat die neue Ausstellung im jüdischen Zentrum München mit den Bildern von in der Nazizeit ermordeten jüdischen Kindern höchste Brisanz. Bei der Eröffnung sprachen Promis Klartext gegen den Hass.

Das Grauen blickt einen direkt an: Es liegt in den Augen der Kinder, deren riesige Bildnisse den Raum füllen. Es sind jüdische Kinder, die Manfred Bockelmann, der Bruder von Udo -Jürgens, nach Fotos gezeichnet hat. Fotos, die die Nationalsozialisten in den Vernichtungslagern von den Kindern machten, kurz bevor sie sie ermordeten.

Zeichnen gegen das Vergessen hat Bockelmann seine Ausstellung überschrieben, die am 14. November 2023 im jüdischen Zentrum München neben der Synagoge feierlich eröffnet wurde - angesichts des Terroranschlags der Hamas auf Israel mit einer erschreckenden Aktualität.

Manfred Bockelmann ist geschockt über die Brutalität der Hamas

Viele Gäste der Eröffnungsfeier hatten Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. Das ist ganz im Sinne des Malers Manfred Bockelmann: „Um diese Kinder hat niemand geweint, denn ihre Eltern wurden vor ihnen ermordet. Nun möchte ich wenigstens erreichen, dass andere um diese Kinder weinen.“

Früher habe er gedacht, Kunst könne die Welt verändern, gestand der 80-jährige Maler. Aber spätestens der offen gezeigte Judenhass im Nahen Osten, aber auch auf den Straßen in Europa ließen ihn daran zweifeln, ob der Mensch fähig sei, aus der Geschichte zu lernen. 

Die neue Kultusministerin Anna Stolz (v. li.) mit Dr. Charlotte Knobloch, Schauspielerin
 Sunnyi Melles und
 Judith Epstein (Jüdische
 Kulturtage).
Die neue Kultusministerin Anna Stolz (v. li.) mit Dr. Charlotte Knobloch, Schauspielerin Sunnyi Melles und Judith Epstein (Jüdische Kulturtage). © Heinz Weissfuss

Charlotte Knobloch: „Viele Menschen verweigern das Mitfühlen mit jüdischen Opfern.“

„Wie könnte man Mitgefühl besser üben als mit dem Blick auf diese Bilder, mit denen Manfred Bockelmann ohne Worte mehr ausdrückt, als man auf tausenden Buchseiten sagen könnte“, betonte Dr. Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Die Welt sei seit dem Überfall der Hamas eine andere geworden, so Knobloch: „Der Schmerz über die Opfer und die Verschleppten belastet uns sehr, und noch viel schwerer ist die Indifferenz auszuhalten - dass viele das Mitfühlen mit den Opfern verweigern!“ 

 Dieter Hermann mit Uschi Glas; Monika Peitsch mit Sven Hansen Hochstedt
Solidarisch mit Israel: Schauspielerin Uschi Glas (2. v. li.) mit Ehemann Dieter Hermann und Schauspielerin Monika Peitsch mit Sven Hansen Hochstedt. © Heinz Weissfuss

Uschi Glas: „Befreundete jüdische Familien fühlen sich bei uns nicht mehr sicher.“

„Wir brauchen Haltung statt Hass“, erklärt Schauspielerin Sunnyi Melles. Ihre Kollegin Uschi Glas trägt am Kragen eine israelische und eine deutsche Flagge vereint und in Silber gefasst: „Ich bin sehr empört darüber, dass der grausame Überfall der Hamas auf Israel mit mehr als 1400 Ermordeten und mehr als 200 Entführten nicht mehr Menschen gegen Antisemitismus auf die Straßen bringt!“, sagt sie und betont, auch die deutsche Linke müsse verstehen, dass einige ihrer Mitstreiter ein Antisemitismusproblem hätten - aus falsch verstandener Kritik am Kapitalismus, mit dem der israelische Staat gleichgesetzt werde. „Mir ist das rätselhaft, wie man angesichts der Brutalität der Hamas selbst gegenüber Babys und Hochbetagten glauben kann, es handle sich um einen Freiheitskampf.“ Besonders treibt Uschi Glas um,. dass ihr befreundete jüdische Familien aus München gesagt hätten, die fühlten sich in München nicht mehr sicher.

Künstler Alexander Höller (v. li.) mit Künstlerin Alexandra Kordas und dem 
Kabarettisten Christian Springer.
Wollen ein Zeichen setzen gegen Antisemitismus: Künstler Alexander Höller (v. li.) mit Künstlerin Alexandra Kordas und dem Kabarettisten Christian Springer. © Heinz Weissfuss

Es gehe ihm zurzeit nicht gut, sagt auch Kabarettist Christian Springer: „Der weltweite Antisemitismus in dieser Größenordnung erschreckt mich.“ Seine jüdischen Freunde in München haben ihm angekündigt, aus Angst wegzugehen. „Das darf in meiner Stadt nicht sein“, so Springer.

Alexander Höller: „Ein Mittelfinger alleine reicht nicht gegen Antisemitismus“

Judith Epstein, die Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur, sieht auch Positives: „Der Rückhalt im Freundeskreis spendet uns sehr viel Trost!“ Die neue bayerische Kultusministerin Anna Stolz versprach, man werde dem Hass auf Juden künftig „noch entschiedener“ entgegentreten. Auch junge Künstler treibt die politische Situation um. So etwa den 27-jährigen Alexander Höller, dessen Bilder für mehrere zehntausend Euro gehandelt werden und der sich gerne mit provokant ausgestrecktem Mittelfinger zeigt. „Der allein reicht nicht gegen Antisemitismus. Wir müssen unsere Werte aktiv vorleben und verteidigen, damit wir eine freie Gesellschaft bleiben“, betont Höller.

Redakteurin Susanne Sasse im Interview mit dem Maler Manfred Bockelmann.
Redakteurin Susanne Sasse im Interview mit Maler Manfred Bockelmann. © Heinz Weissfuss

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