Das Krebsrisiko durch Ernährung wird meist stark unterschätzt, sagt Krebs-Spezialist Professor Volker Heinemann, Direktor des Krebszentrums Comprehensive Cancer Center am LMU-Klinikum. Wo lauern versteckte Gefahren? Die Tipps und Warnungen der Experten:
Verarbeitetes, haltbar gemachtes Fleisch: Das sollte nur ab und zu auf den Teller – am besten wäre es, es ganz zu meiden, rät Dr. Nicole Erickson, Koordinatorin Ernährungswissenschaft am Comprehensive Cancer Center (CCC) genannt. Das gilt für Wurst, Salami und andere gesalzene, gepökelte, geräucherte oder fermentierte Fleischprodukte.
Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Schaf und Ziege): Hier gilt: Weniger ist mehr. Pro Woche sollte man nicht mehr als 500 Gramm davon essen. „Ich empfehle zudem das Fleisch von Weidetieren, da es mehr wertvolle Omega-3-Fettsäuren enthält“, sagt Dr. Erickson. Fleisch aus Massentierhaltung meiden, da solches oft mit Antibiotika versetzt ist, rät Professor Hana Algül, Direktor des Krebszentrums Comprehensive Cancer Center München am Universitätsklinikum Klinikum rechts der Isar: „Denken Sie an die Darmflora, die aus Bakterien besteht – enthält Ihre Nahrung Rückstände von Antibiotika, dann schaden diese auch der Darmflora, und wir wissen, dass die Zusammensetzung der Darmflora ein wichtiger Faktor dafür ist, ob gutartige Knoten und Polypen zu Krebs werden.“
Grillen: Das gehört zum Sommer dazu – aber Vorsicht: Die Krebsgefahr, die von scharf angebratenem Fleisch ausgeht, ist nachgewiesen, sagt Professor Claus Belka, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der LMU. Also nichts verbrennen lassen und die Menge der heterozyklischen aromatischen Amine (HAA) und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) niedrig halten. Weitere Tipps: Kein Fett in die Glut tropfen lassen, denn durch Qualm entstehen vermehrt PAK. Wer mit Kohle grillt, sollte darauf achten, dass sie gut durchgeglüht ist. Außerdem gilt: Die Marinade macht’s: Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Thymian, Rosmarin und Cayenne-Pfeffer haben eine antioxidative Wirkung und reduzieren die Bildung von HAA: Um 74 Prozent war der HAA-Gehalt bei so mariniertem Fleisch niedriger als bei nicht mariniertem, ergab eine Untersuchung der Uni Hohenheim.
Acrylamid: Werden kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Toast oder Kartoffeln stark erhitzt, entsteht wegen der enthaltenen Zucker und der Aminosäure Asparagin der Stoff Acrylamid. Laut Verbraucherzentrale finden sich erhöhte Acrylamid-Gehalte in gebratenen und frittierten Kartoffelerzeugnissen. Auch in Getreideprodukten wie Keksen, Kräcker, Toast- und Knäckebrot oder gerösteten Müslis oder Cornflakes kann es enthalten sein. Zudem in Kaffee, Nüssen und Gebäck. In Tierversuchen hat sich Acrylamid als krebserregend und erbgutschädigend erwiesen – es liegt nahe, dass es auch dem Menschen schadet. Die Werte niedrig halten kann man, indem man Pommes Frites im Backofen und nicht in der Fritteuse zubereitet. Backen Sie Plätzchen und Kuchen nicht heißer als bei 170 Grad Celsius. Ei oder Eigelb im Rezept verringert die Bildung von Acrylamid.
Salz: Eine sehr salzhaltige Ernährung kann das Krebsrisiko sogar verdoppeln, eragb eine Studie aus Japan. Die Grenze sollte bei fünf bis sechs Gramm pro Tag liegen, rät Dr. Nicole Erickson. Noch schädlicher ist Nitritpökelsalz.
Genussmittel
Klar, Alkohol und Zigaretten sind schädlich. Doch manches Risiko in diesem Zusammenhang wird unterschätzt:
Alkohol: Alkohol schädigt die Leberzellen, aber die Abbauprodukte Ethanol und Acetaldehyd können im ganzen Körper Probleme verursachen, warnt Dr. Erickson. „Bei Alkohol ist die Gefahr dosisabhängig, am besten, man lässt ihn weg“, sagt Erickson. Die erlaubte Dosis pro Tag liegt für Männer bei 20 Gramm, das entspricht einem halben Liter Bier, bei Frauen nur bei zehn Gramm.
Rauchen: Hier gibt es einige Mythen, die sich hartnäckig halten, aber schlichtweg falsch sind: So heißt es zum Beispiel oft, dass Shisha – also Wasserpfeife – rauchen harmloser ist als Zigaretten zu rauchen. Das ist falsch: Beim Verbrennen des Tabaks entstehen giftige krebserregende Stoffe. Zwar wird der Wasserpfeifentabak bei niedrigeren Temperaturen nicht verbrannt, sondern nur verkokelt, aber das ändert nichts daran, dass im Tabak Zucker und Sirup stecken, die dann Krebs erzeugen und die Schleimhäute reizen können. Und das Wasser filtert die Schadstoffe auch nicht heraus, sondern kühlt nur den Rauch ab. Der kann dann tiefer inhaliert werden und der Lunge sogar noch mehr schaden. Auch wer statt Tabak mit der Shisha Dampfsteine oder Kräutermischungen raucht, inhaliert giftige Substanzen – so etwa Kohlenmonoxid.
Auch E-Zigaretten sind schädlich: Das beim Erhitzen entstehende Aerosol kann krebserregende Substanzen enthalten, vor allem Formaldehyd, das als krebserzeugend gilt. Zudem enthält der Dampf aus E-Zigaretten Acetaldehyd (möglicherweise krebserzeugend), Acrolein (reizend, giftig), reaktive Sauerstoffverbindungen und Metalle wie Nickel (krebserzeugend), Chrom (krebserzeugend) und Blei (giftig, möglicherweise krebserzeugend). Fazit: Finger weg!
Wohnen
Vorsicht bei Feuchtigkeit und auch bei Renovierungsarbeiten:
Asbest: Das ist nachgewiesenermaßen krebserregend. Das Problem: Erst 1993 wurde es verboten, in Fliesenkleber und Spachtelmasse Asbest zu vermischen. Für Laien ist es nicht erkennbar, ob in ihrem Haus solch ein Kleber verwendet wurde. Wenn man die Fliesen von der Wand schlägt und asbesthaltiger Kleber verwendet wurde, können die gefährlichen Fasern eingeatmet werden. Also lassen Sie lieber eine Fachfirma ran.
Schimmel: Der enthält Gifte, sogenannte Mykotoxine wie Aflatoxine. Diese können krebserregend sein. Also nichts Schimmliges essen und bei Schimmelbefall in Wohnräumen für Abhilfe sorgen.
Lebensstil
Bewegungsmangel: „Der ist eines der größten Übel, denn er führt zusammen mit falscher oder übermäßiger Ernährung oft zu Übergewicht, und dieses erhöht das Risiko für die Enstehung von Krebs erheblich“, warnt Professor Heinemann. Das Deutsche Krebsforschungszentrum schätzt, dass in Deutschland rund sieben Prozent aller Krebserkrankungen direkt durch starkes Übergewicht (Adipositas) verursacht werden. Nachgewiesen ist, dass Adipositas das Risiko für folgende Krebserkrankungen in der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse, der Leber, dem Dickdarm, der Brust, dem Gebärmutterkörper und der Niere erhöht. Wahrscheinlich wird zudem Krebs im Mund- und Rachenraum, Magenkrebs, Gallenblasenkrebs, Eierstockkrebs und Prostatakrebs dadurch begünstigt.
Freizeit
Auch draußen an Risiken denken:
Hautkrebsgefahr: Auch im Schatten erreichen uns die schädlichen UV-Strahlen, wenn wir unter einem Sonnenschirm sitzen, warnt Prof. Algül: Vor allem Kinder und Babys sollten auch unter einem Schirm immer Sonnenschutz tragen – in Form von UV-schützender Kleidung oder durch Sonnencreme.
Sonnencreme: Auch Sonnencreme kann krebserregend sein – achten Sie auf das Haltbarkeitsdatum! Nach einer Studie der Universität Sorbonne in Paris vom März vergangenen Jahres enthalten auch namhafte Sonnencremen den chemischen UV-Filter Octocrylen – und dieser kann im Lauf der Zeit in den möglicherweise krebserregenden Stoff Benzophenon zerfallen. Und auch Octocrylen selbst ist nicht unproblematisch, da es Einfluss auf den Hormonhaushalt haben kann. Prof. Marion Kiechle, Leiterin der Frauenklinik der Technischen Universität (TU) warnt in ihrem Buch „Gesundheits Quikies“ aber davor, keinen Sonnenschutz zu verwenden. Wer keine Mineralstofffilter verwenden will, kann zu unbedenklichen UV-Filtern greifen. Diese sind:
– Bis-Ethylhexyloxyphenol Methoxyphenyl Triazine (Tinosorb S)
– Drometrizole Trisiloxane (Meroxyl XL)
– Terephthalylidene Dicamphor Sulfonic Acid (Mexoryl SX)
– Ethylhexyl Triazone (Uvinul T 150)
– Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate (Uvinul A Plus)
– Diethylhexyl Butamido Triazone (Iscotrizinol)
– Phenylbenzimidazole Sulfonic Acid (Enzulisol)
– Butyl Methoxydibenzoylmethane (Avobenzone)
Liebesleben
Gebärmutterhalskrebs: Es ist ein Drama, ausgelöst durch Unwissenheit – der Gebärmutterhalskrebs ist eine der häufigsten Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane und wird oft ausgelöst durch Humane Papillomaviren (HPV). „Man muss klar sagen: Wenn die Prävention konsequent betrieben würde und wir eine Impfquote von 80 bis 90 Prozent bei HPV hätten, wäre Gebärmutterhalskrebs kein Thema mehr“, sagt der Gynäkologe Professor Sven Mahner. Während in anderen Bundesländern immerhin 60 Prozent der Mädchen geimpft sind, sind es in Bayern 40 Prozent. Der Chef der Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität rät dazu, auch die Jungs gegen HPV impfen zu lassen, dann können sie die Viren nicht weitertragen. Susanne Sasse