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Angst vor Omikron: Kliniken in München rüsten sich für „Schreckensszenarien“

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Von: Andreas Beez

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Mitarbeiter der Intensivstation des Uniklinikums rechts der Isar beraten sich.
Hilfe für schwerkranke Corona-Patienten: Hier beraten sich Mitarbeiter der Intensivstation im Uniklinikum rechts der Isar. © Falk Heller

Im dritten und vorerst härtesten Corona-Winter rüsten sich Münchens Großkliniken für einen dramatischen Jahreswechsel. Der alte Feind hat einen neuen Namen: Omikron – und der verbreitet schon Angst und Schrecken, bevor er überhaupt in der Stadt eingefallen ist.

München - Der Kampf um Leben und Tod ist für die Ärzte und Pflegekräfte auf den Corona-Intensivstationen Alltag geworden. Im Krankenhaus Barmherzige Brüder hängen unter anderem drei Patienten an der Ecmo, einer künstlichen Lunge. Die Maschine gilt als eine Art letzte Lebensversicherung für die schwerstkranken Opfer des Virus. Es sind oft Menschen, die eben noch mitten im Leben standen. „Sie sind Mitte 40 bis Mitte 60, alle ungeimpft“, berichtet Chefarzt Dr. Franz Brettner. Wie viele Kollegen blickt er mit Argusaugen nach Südafrika und England, wo das vermaledeite Virus inzwischen ein anderes, möglicherweise noch hässlicheres Gesicht zeigt: „Wir beobachten sehr genau, was mit der neuen Variante Omikron auf uns zukommt.“

Dr. Franz Brettner, Chefarzt für Intensivmedizin im Krankenhaus Barmherzige Brüder München
Dr. Franz Brettner, Chefarzt für Intensivmedizin im Krankenhaus Barmherzige Brüder München ©  Klinik

Corona-Lage in München: Omikron-Variante könnte Personalnotstand verschärfen

Omikron bereitet den Experten gleich in doppelter Hinsicht Kopfzerbrechen: Die Variante könnte nicht nur noch mehr Virusopfer ins Krankenhaus bringen, sondern auch den Personalnotstand verschärfen.

Schon ohne Corona, geschweige denn Omikron, haben die Krankenhaus-Manager traditionell große Mühe, über die Feiertage und zwischen den Jahren alle Dienste zu besetzen. Auch deshalb, weil viele Mütter und Väter unter den Pflegekräften in den Weihnachtsferien Probleme haben, die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren. Wenn jetzt auch noch verstärkt Pflegekräfte wegen der neuen, offenbar besonders ansteckenden Variante ausfallen, könnte dies eine fatale Kettenreaktion auslösen.

Das Virus macht keine Weihnachtspause

Professor Dr. Viktoria Bogner-Flatz, Münchner Klinik-Koordinatorin
Die Krankenhaus-Koordinatoren der TU und der LMU: Dr. Dominik Hinzmann und Dr. Viktoria Bogner-Flatz.
Die Krankenhaus-Koordinatoren der TU und der LMU: Dr. Dominik Hinzmann und Dr. Viktoria Bogner-Flatz. © privat

„Dazu kommt, dass viele Kollegen indirekt von Infektionen betroffen sein könnten, weil sie ihre Kinder zu Hause in der Quarantäne betreuen müssen“, befürchtet die Münchner Krankenhaus-Koordinatorin Prof. Viktoria Bogner-Flatz, selbst dreifache Mutter. Auch ihr Kollege Dr. Dominik Hinzmann geht davon aus, dass den bereits seit Monaten überlasteten Teams auf den Corona-Stationen ein weiterer Kraftakt bevorstehe. „Sie brauchen die volle Solidarität unserer Stadt“, betonte Hinzmann. Jeder einzelne sei gefordert, seinen Beitrag zu leisten, das Infektionsgeschehen einzudämmen – durch Impfen, häufiges Testen und eine Reduzierung seiner Kontakte. „Das Virus macht ja keine Weihnachtspause“, betont Bogner-Flatz.

Infektiologe Spinner: „Erwarten auch in München steigende Infektionszahlen“

Dr. Christoph Spinner
Dr. Christoph Spinner, Pandemiebeauftragter am Klinikum rechts der Isar der TU München. © Angelika Warmuth/dpa/Archiv

Dass Omikron die Inzidenzen erneut heftig befeuern wird, gilt unter Experten als höchstwahrscheinlich, insbesondere nach den schockiereden ersten Erfahrungen aus England, wo die Variante das Infektionsgeschehen derzeit bereits eskalieren lässt. „Wir erwarten nach Weihnachten auch in München steigende Infektionszahlen“, prognostiziert der Infektiologe Dr. Christoph Spinner vom Uniklinikum rechts der Isar. Dort ist schon jetzt jedes dritte Intensivbett mit einem Corona-Patienten belegt.

Zuletzt war die Lage – wie auch in den anderen Münchner Klinikern – einigermaßen stabil. Zumal Patientenverlegungen nach Norddeutschland im Rahmen der Operation Kleeblatt etwas Entlastung gebracht hatten. „Wenn jetzt allerdings in kurzer Zeit die Belegungszahlen anstiegen, wird es eng – vor allem dann, wenn mehr Patienten von weniger Mitarbeitern betreut werden müssen“, warnen die Klinik-Koordinatoren Bogner-Flatz und Hinzmann.

München-Klinik-Chef schwört Führungskräfte auf Krisenplan ein

Vorsitzender Geschäftsführer der München Klinik GmbH: Dr. Axel Fischer.
Vorsitzender Geschäftsführer der München Klinik GmbH: Dr. Axel Fischer. ©  München Klinik

Diese Vorstellung versetzt selbst krisengestählte Krankenhaus-Manager wie Dr. Axel Fischer in Alarmbereitschaft. Am Wochenende bereitete der Chef der München Klinik seine Führungskräfte mit einer sorgengetriebenen E-Mail darauf vor, das Corona-Krisenkonzept der städtischen Krankenhäuser erneut nachzuschärfen. „Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir den Betrieb aufrechthalten können, falls die Schreckensszenarien im Zusammenhang mit Omikron eintreten.“ Es gelte, an allen Stellschrauben feinzujustieren – vom Mitarbeiterschutz durch Impfungen über Hygienekonzepte bis zu personellen Umschichtungen.

LMU Klinikum dankt Mitarbeitern: „Danke, dass Ihr durchhaltet!“

Fischer weiß, dass seine Mitarbeiter seit Monaten auf dem Zahnfleisch gehen – ein Problem, das derzeit alle Kliniken mit Coronapatienten gemein haben. Das LMU Klinikum veröffentlichte gestern eine große Dankesanzeige auch in unserer Zeitung. Darin heißt es an die Adresse der Pflegekräfte und Mediziner: „Danke, dass Ihr durchhaltet.“

Wie aber kann man ihnen helfen? Die Mediziner appellieren gebetsmühlenartig an die Münchner, sich impfen zu lassen: „Unser Appell lautet weiterhin: Impfen, Boostern, Impfen“, betont Prof. Markus M. Lerch, Chef des LMU Klinikums. „Auch und insbesondere mit Blick auf die nächste Welle mit der Omikron-Variante.“ Insselbe Horn stößt Infektiologe Spinner: „Die Booster-Impfungen schützen wirksam vor Delta-Infektionen und schweren Krankheitsverläufen – und sie verbessern auch den Schutz vor Omikron sehr deutlich.“

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