Stille statt Steilwand: Teufelsreiter Donald Ganslmeier wandert jetzt durch England

Was machen die Menschen, die jetzt jeden Tag auf dem Oktoberfest wären, ohne die Wiesn? Wir haben nachgefragt: Heute bei Donald Ganslmeier vom Motodrom.
Das erste Mal, als Christian „Donald“ Ganslmeier nach England ausgebüxt ist, war er 17 Jahre alt. Eingepackt hat er Kleidung, Papiere und a bissl Geld. Viel mehr hat er nun auch nicht mitgenommen. Gwand, Schuhe, Schnitzmesser, ein paar Bücher. Das war’s. Der Mann, der mit seiner 1928er Indian 101 Scout über viele Jahre in der Höllenwand auf der Oiden Wiesn hing, ist wieder ausgewandert. Wobei die Betonung tatsächlich auf „wandern“ liegt. Donald Ganslmeier wandert seit April durch Nordengland. Ihm reicht jetzt eine Pferdestärke. Der Wallach Dollar, ein Irish Cop, zieht seinen Wagen (die Engländer sagen Bowtop) durch die Provinz Cumbria an der Grenze zu Schottland. Wieder einmal ist Donald Ganlsmeier ausgestiegen - und fühlt sich gut dabei.
Das Schöne an diesem Leben auf der Straße ist, sagt der 46-Jährige, „dass man nichts braucht, um glücklich zu sein“. Daheim im Würmtal hat er seinen ganzen Hausstand verkauft. Ein paar Möbel lagert er bei einem befreundeten Bauern ein. „Ich hab’ nimmer viel“, sagt der Teufelsreiter aus der Todeswand. Seine Maschinen schlummerten beinahe zwei Jahre friedlich in einer Maschinenhalle vor München.
Die Steilwand ist eingemottet, der Hausstand aufgelöst
Nur an diesem Wochenende nimmt er sich eine Auszeit von der Auszeit: Und das in Berlin, wo das Pure & Crafted Festival von BMW stattfindet. Dort setzt er sich wieder aufs Motorrad, sagt aber auch: „So a Hipster-Schmarrn. „ Steilwandfahren findet er nach wie vor „wunderschön, ein Traumjob“. Aber im Moment reißt er sich nicht um Aufträge. „Jetzt a bissl aussteigen. Was Schöneres gibt’s doch gar nicht.“ Ganslmeier dachte sich: Bevor er blöd daheim rum hockt und wartet, probiert er wieder Abenteuer. Wie damals, als er mit dem Motorrad und ohne Führerschein bis nach London bretterte. „Jetzt gefällt’s mir so gut, dass ich nichts anderes machen mag.“ In Cumbria zieht er von Farm zu Farm und trägt seine Hilfe an. Er arbeitet mit den Landwirten beim Holzen, lässt sein Pferd die Stämme aus den Wäldern ziehen, wo die Maschinen nicht hinkommen. Dafür bekommt er einen Schlafplatz, Frühstück und Mittagessen, manchmal eine kleine Gage. „Langt locker“, sagt Donald Ganslmeier.

100 Euro zahlt er für den Hufschmied alle sechs bis acht Wochen. Einmal pro Woche kauft er für 50 Pfund im Supermarkt ein. Gekocht wird am Feuer. Ihm gefällt das Leben als Rumtreiber, als Gypsy, wie die Briten sagen. Vor 27 Jahren, als er bei Steilwandmeister Ken Knox an seiner „Death Wall“ lernte, habe es noch mehr fahrende Knechte wie ihn gegeben. Jetzt sind es im ganzen Land vielleicht 10 oder 15. Mittlerweile hat’s sich in der Provinz rumgesprochen, dass der Deutsche und sein Pferd (Stockmaß 1,58 Meter) durch die Lande ziehen. Ganslmeier schnitzt auch. Löffel aus Holz, „keine große Kunst“, sagt er, und Blumen, von denen die ersten Zehn nichts waren, „aber dann geht’s scho“.
Der Plan für 2022: Ein zweites Pferd!
Im Winter wird der Münchner, gebürtig aus der Hallertau, auf jeden Fall in Cumbria bleiben, Pferd und Wagen bei einem Bauern unterstellen. Pläne für das nächste Jahr hat er auch schon. Ein zweites Pferd will er sich zulegen und eine Lastenkutsche. Gerne wäre er auch nach Deutschland gejuckelt, aber da sind sie viel strenger mit einem wie ihm. Wahrscheinlich wird es weiterhin der Norden sein, der ihn „a bissl an Bayern“ erinnert. Nur dass er die Gegend wesentlich schöner findet. Weil dort oben alles noch so unberührt ist