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Registrieren, hingehen, Lebensmittel einpacken, nach Hause gehen und versorgt sein. Das Prinzip der Münchner Tafel erscheint ganz einfach. Doch wo kommen all die Waren her, die von Montag bis Samstag an über 20 000 Bedürftige verteilt werden?
Wer kümmert sich darum, dass es an allen 27 Ausgabestellen genug Lebensmittel gibt? Wie viele Helfer werden wo benötigt? Und wer legt fest, welche sozialen Einrichtungen wie beliefert werden? Hinter dem unkomplizierten und transparenten Verfahren für die Tafelgäste steht eine logistische und hochprofessionelle Meisterleistung.
Das gilt auch für die Versorgung von mangelernährten Kindern von Unicef weltweit. Egal ob in München oder im Südsudan, hinter dem System stehen sowohl bei der Münchner Tafel als auch bei Unicef überzeugte Mitarbeiter und Ehrenamtliche, die alle ein gemeinsames Ziel haben: Menschen in Not zu helfen.
Der Tag beginnt am Großmarkt
Sie sind mit die Ersten, die morgens für die Münchner Tafel unterwegs sind: die Fahrer und Beifahrer, die Waren bei den Spendern abholen, dann ins Lager bringen oder direkt bei den Ausgabestellen abliefern und dann weiterverteilen. Bevor die 18 Teams – so viele Transporter hat die Tafel im Einsatz – starten, steht der Check mit dem Fieberthermometer an. Seit Beginn der Corona-Pendemie werden alle Mitarbeiter und Helfer vor ihren Diensten gemessen.
Hans Neisberger ist seit acht Jahren Fahrer bei der Münchner Tafel. Um die 50 Kollegen umfasst der Pool. Manche können nur ab und zu, manche sind hauptberuflich dabei, manche sind bis zu fünfmal die Woche ehrenamtlich auf Tour. So einer ist der Hans (68). Es macht ihm nichts aus, dass er dafür noch im Morgengrauen auf dem Großmarktgelände sein muss, um dort mit einem der Kühltransporter zu starten. Die Lieblingstour des ehemaligen Elektrikers beginnt um sechs Uhr und geht bis nach Bissingen. Dort holt er Milchprodukte bei der Molkerei Gropper ab. Aber eigentlich fährt der Hans überall hin: „So lange ich gesund bin, werde ich bei der Tafel weitermachen.“
Hier werden die Gäste versorgt
Jede einzelne Ausgabestelle ist ein bisserl anders, geprägt von den Leitern und Leiterinnen und den Strukturen. In Neuperlach beispielsweise gibt es auch warmes Essen, das die Allianz in Unterföhring extra kocht. Die größte Ausgabestelle ist die am Großmarkt, wo sich samstags die Gäste mit Lebensmitteln versorgen. Was überall gleich ist: Ohne die Helfer läuft bei der Tafel nichts. Manche sind über Jahre dabei, manche nutzen eine berufliche Veränderung, um sich zu engagieren. Daniel Sautter ist Architekt und seit drei Monaten in Milbertshofen dabei. „Ich hatte schon länger überlegt, bei der Tafel mitzumachen. Jetzt habe ich eine Auszeit. Und da reichen mir auch sechs freie Tage die Woche“, so der Münchner. „Das Klima hier in unserem Team ist super, sehr familiär und jeder schaut, dass die Gäste gut versorgt sind.“
Peter Horag aus Ramersdorf, den alle James wegen seines amerikanischen Vaters nennen, ist regelmäßiger Gast bei der Tafelausgabestelle in Neuperlach. Er freut sich, wenn er einmal die Woche nicht nur die Wochenration an Lebensmitteln bekommt, sondern auch ein warmes Essen. Daniela Cabbar (72) füllt ihm die mitgebrachte Plastikbox. „Das wärme ich mir daheim auf und habe zwei Tage was davon“, schwärmt der 64-Jährige.
Über 30 Jahre hat er als Kfz-Mechaniker und Kraftfahrer gearbeitet, dann hat der Rücken nicht mehr mitgemacht. Er hat sich einen Job bei der Kirche gesucht, arbeitet dort für 2 Euro die Stunde und kümmert sich um den Hund, wenn der Pfarrer im Urlaub ist. „Ohne die Tafel würde ich nicht zurecht kommen, aber so reicht es knapp für alles“, sagt der James. Gerade hat er für ein neues Paar Schuhe gespart. Genau reichtzeitig, jetzt wo es kalt geworden ist, hat er das Geld beisammen und freut sich. „Warmes Essen und warme Füße.“
„Jeder Geber ist wertvoll für uns“
eit ihrer Gründung 1984 lautet das Motto der Münchner Tafel: Lebensmittel verteilen statt vernichten. Immer mehr Unternehmen versuchen, so wenig wie möglich ihrer Waren zu entsorgen. Oft können Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft oder Obst und Gemüse mit kleinen Eigenheiten, nicht mehr in den Erstverkauf. Bei Brot geben die Bäcker Ware vom Vortag ab.
Für die Münchner Tafel spielt es keine Rolle, ob der Spender ein Großunternehmen wie die Metro ist, ein Bio-fachmarkt wie Denn’s oder ein Kleinbetrieb wie Brot & Butter (Manufactum). Stellvertretender Dispo-Chef Josef Gailer: „Jeder Geber und Spender ist für uns wertvoll. Wichtig ist, dass die Qualität stimmt und die Fahrtroute passt.“
Mischa Welm leitet die Filiale Brot & Butter in der Dienerstraße: „Die Tafel zu unterstützen, spiegelt unsere ganze Unternehmensphilosophie wider, Nachhaltigkeit ist wichtig und wenn unsere übriggebliebene Ware da ankommt, wo man etwas Gutes tun kann, könnte es nicht nachhaltiger sein.“ So sieht es auch Tomislav Bekavac, Marktleiter von Denn’s Biomarkt in Moosach. „Wir versuchen, Verschwendung zu reduzieren und möglichst sorgsam mit den Lebensmitteln umzugehen. Jede Kiste ist bei der Tafel deshalb gut aufgehoben.“
Eines der großen Unternehmen, das von der Tafel mehrmals die Woche angefahren wird, ist die Metro. Seit über zehn Jahren arbeitet der Lebensmittelgroßhandel mit der Münchner Tafel zusammen. „Unsere Kunden möchten wissen, was mit nicht zu verkaufender Ware passiert. Eine bessere Antwort, als dass wir sie der Tafel spenden, kann es nicht geben, oder?“, ist Tobias Richert, Abteilungsleiter Obst und Gemüse, überzeugt.
Ohne die Verwaltung gäbe es nichts zu verteilen
Im alten Kontorhaus auf dem Großmarktgelände sitzt die Zentrale der Münchner Tafel. Denn ohne Verwaltung könnten nicht jede Woche über
20 000 Bedürftige so gut betreut werden. Gründerin und Chefin Hannelore Kiethe wäre zwar am liebsten jeden Tag an einer der Ausgabestellen, aber das ist bei einem Unternehmen mit 650 Helfern und zehn Festangestellten „leider nicht möglich“. Eines ihrer Ziele ist es, die Verwaltungsausgaben so gering wie möglich zu halten: „Wir liegen derzeit unter fünf Prozent.“
In den Räumen im zweiten Stock des denkmalgeschützten Gebäudes an der Schäftlarnstraße werden auch täglich neu die Routen und die Disposition besprochen. Welcher der Transporter muss eine zusätzliche Fahrt übernehmen. Die Münchner Tafel unterstützt beispielsweise auch andere, regionale Tafeln. „Wenn wir von manchen Produkten so große Bestände bekommen, dass wir sie nicht an unsere Gäste verteilen können, dann geben wir sie weiter“, so Hannelore Kiethe.
Über 200 Läden und 100 große Spender helfen der Tafel. Manche werden mehrmals die Woche angefahren. 800 Abholpunkte pro Woche sind das in Summe. Die Spendenmengen sind oft nicht genau kalkulierbar. Für richtig große Lieferungen fährt die Münchner Tafel auch schon mal bis nach Baden-Württemberg. Gemeinsam mit Josef Gailer, stellvertretender Disponent, wird entscheiden, was Sinn macht und was nicht: „Große Spenden an haltbaren Produkten können wir gut in unseren Plan einbauen.“ Am Ende des Jahres stehen so 400 000 Streckenkilometer im Fahrtenbuch der Tafelflotte.
Soziales Jahr bei der Tafel
Derzeit absolvieren 17 junge Erwachsene ihren Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) bei der Münchner Tafel. Einer davon ist Frieso. Ein Jahr lang lernen er und die anderen Bufdis verschiedene Stationen kennen und helfen überall mit, wo Not am Mann ist. Spontan sollte man also sein als Bufdi bei der Tafel.
Jeden Morgen erwartet den 19-Jährigen eine neue Aufgabe. Manchmal ist er als Beifahrer bei den Abholtouren dabei, dann muss er wieder im Lager unterstützen. „Die Abwechslung finde ich gut, aber am besten gefällt mir, dass ich armen Menschen helfen kann“, erklärt der 19-Jährige, der sich während eines Praktikums auch schon die Arbeit in einem Altenheim angeschaut hat. Die Crew im Lager, die Frieso gerade unterstützt, packt Einzel- und Zweierkisten für Pflegedienste. Bufdis, Ehrenamtliche und Festangestellte arbeiten Hand in Hand. Jeder hilft jedem, damit die Kisten für Menschen, die nicht mehr selbst zur Tafel kommen können, rechtzeitig an die Pflegedienstfahrer übergeben werden können. Jeden Dienstag steht dieser Packdienst auf dem Plan. „An diesen Tagen ist immer ziemlich viel los, aber weil hier alle so nett und hilfsbereit sind, bekommen wir das gut hin.“
Bilder: So arbeitet die Münchner Tafel, um bedürftige Familien und Senioren zu unterstützen



