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Welcher Song geht dieses Jahr durch die Decke? Kapellmeister schwärmt vom „Wiesn-Hit schlechthin“

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Kapellmeister Christian Sachs ist seit 1988 für die Oktoberfestkapelle Schwarzfischer in der Festhalle Schottenhamel im Einsatz. Zuerst als Trompeter und Sänger, 2010 übernahm er das Dirigat von Otto Schwarzfischer.

Sachs weiß also ganz genau, was ein Song mitbringen muss, damit er ein Wiesn-Hit wird. Im Interview verrät der Vollblutmusiker, welches Lied dieses Jahr durch die Decke gehen könnte und spricht über seine verrücktesten Oktoberfestmomente. 

Christian Sachs
Christian Sachs weiß, welche Songs im Zelt gut ankommen. © Oktoberfestkapelle Schwarzfischer

Wie bereiteten Sie sich jedes Jahr mental und körperlich auf die Wiesn vor?

Eine gute körperliche Konstitution ist vom Vorteil. Die Blechbläser müssen bereits einige Wochen vorher mit dem Üben beginnen. Für das Oktoberfest muss man anders trainieren. Wie im Sport: Ein Marathonläufer trainiert ganz anders als ein 100-Meter-Sprinter. Ähnlich ist es bei einem Blechblasinstrument. Für das Oktoberfest ist sechs Wochen vorher Krafttraining angesagt, sonst hält man es nicht durch. Generell muss man schauen, dass man fit ist und bleibt. Letztes Jahr war das Wetter sehr schlecht, da gab es bei uns einige Ausfälle. Wir hatten auch große Bedenken aufgrund von Corona. Die Wiesn-Grippe gibt es eigentlich jedes Jahr. Aber durch das Maske tragen in den vergangenen Jahren war das Immunsystem nichts mehr gewöhnt. Einige hatte es richtig erwischt, mit Fieber und allem. 

Rein musikalisch: Auf welchen Wiesn-Hit freuen Sie sich am meisten?

„Ein Prosit der Gemütlichkeit.“ Das ist der Wiesn-Hit schlechthin - und das schon seit über hundert Jahren. Nein, aber es hat alles seinen Reiz. Ob es die traditionelle, bayerische Musik ist, die wir unter der Woche tagsüber spielen, oder das Moderne, das am Abend dran ist. 

Mit „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ können Sie auch auf den Bierverkauf Einfluss nehmen. Müssen Sie bestimmte Quoten erfüllen? 

Nein, müssen wir nicht. Wir spielen den „Prosit“ nach Gefühl, meistens schließen wir damit ein Set ab. Das dauert in der Regel 25 bis 30 Minuten. Natürlich animieren wir die Leute mit unserem „Die Krüge hoch“ zum Trinken. Ich habe es mal ausgerechnet: Wenn die Hälfte der 8.000 Personen im Zelt einen halben Ring beim Bierkrug leer macht, dann sind das ungefähr 600 Maß. Das kann man aber nicht genau sagen. Man muss auch bedenken: Wenn die Leute einmal gescheit trinken, machen sie erstmal zehn Minuten Pause. Also ganz genau kann man es nicht sagen, wie viel deshalb mehr verkauft wird. Aber a bissal was wird es bringen. 

Was macht einen Song zu einem Wiesn-Hit? Was muss er mitbringen?

Er muss einen Klatsch-Rhythmus haben. Die meisten Wiesn-Hits haben einen 2/4- oder 4/4-Takt. Eine eingängige Melodie, die ins Ohr geht und hängen bleibt. Am besten noch irgendeinen Text, den man nach fünf Maß auch noch mitgrölen kann. Wie etwa „Hey Baby“ von DJ Ötzi. Schwierig wars bei „Macarena“, der Text ist auf Spanisch und viele sind der Sprache nicht mächtig (lacht). Aber da kam es dann eher auf die Bewegung an. 

Hat sich schon abgezeichnet, welcher Song der neue Wiesn-Hit wird?

Bisher noch nicht. Aber es gab schon Jahre, in denen es keinen direkten Wiesn-Hit gab. Aber man informiert sich vorher immer, das geht schon beim Après-Ski los. Was wird da gespielt? Was kommt gut an? Bei uns im Zelt sind immer sehr viele junge Leute, deshalb spielen wir auch Ballermann-Hits. Wir können das, in anderen Zelten mit gesetzterem Publikum ist das vielleicht schon nicht mehr angebracht. Aktuell ist „Peter Pan“ von Julian Sommer und Mia Julia angesagt, aber ein Wiesn-Hit wird das wahrscheinlich nicht. Die Mallorca-Songs sind alle gleich: ein Techno-Beat, eine eingängige Melodie und ein Refrain, der oft wiederholt wird. 

Wie halten Sie sich über aktuelle Musiktrends auf dem Laufenden?

Früher hat man ein bisschen Spionage betrieben. Ich bin auf Volksfeste gegangen und habe mir die anderen Bands angehört. Man kennt andere Kapellmeister und Musiker und stimmt sich ab. Wir helfen uns immer gegenseitig. Aber ich verfolge auch die Charts, vor allem die für Mallorca-Hits. Übers Internet besorge ich mir dann den Text mitsamt den Akkorden und füge vielleicht noch ein paar Bläserstimmen ein. Ich schicke alles an meine Musiker und dann entscheiden wir, ob wir es spielen oder nicht. Aber manchmal funktioniert ein Song auch nicht. Wir haben DJ Ötzis „Burger Dance“ beispielsweise nur einmal gespielt, weil er nicht gut ankam. Wobei DJ Ötzi mit vier Wiesn-Hits führend ist. 

Musiker über das Oktoberfest: „Früher war alles lockerer“

Gibt’s Lieder, die Sie eigentlich gar nicht mehr spielen wollen, sie aber immer wieder gewünscht werden?

Nein, denn wir müssen nicht alles spielen. Klar, letztendlich bestimmt das Publikum unser Repertoire. Wir sind schließlich für die Gäste da. Wenn sie etwas hören wollen, dann spielen wir es in der Regel auch oder versuchen es zumindest. Aber irgendwo ist auch Schluss. 

Was macht man, wenn das Publikum mal nicht mitzieht?

Man verändert die Setliste. Gerade in den ersten zwei, drei Tagen wird ständig etwas geändert. Aber man hat auch einige Erfahrungswerte und die Programme der letzten Jahre. Wir spielen überwiegend Nummern, die die breite Masse ansprechen. Klar, bei 8.000 Personen kann ich es nicht jedem recht machen. Aber unter der Woche haben wir Publikum gesetzteren Alters. Deshalb sind die alten Rock-Klassiker sehr wichtig, wie von Tina Turner oder Queen. Die kennen die Älteren, aber auch die Jüngeren. Die alten Wiesn-Hits wie „Fürstenfeld“ von S.T.S. gehen auch immer noch. 

Was ist das Verrückteste, was Sie bisher als Wiesn-Band erlebt habt?

Wenn ich da jetzt auspacke (lacht). Das ist alles nicht jugendfrei. Früher hatten wir unwahrscheinlich viele Promis bei uns auf der Bühne. Aber das hat sich geändert, das geht aufgrund der Sicherheit nicht mehr. Die Leute drehen am Oktoberfest komplett am Rad – und die Stars müssen irgendwann wieder runter von der Bühne. Vielleicht haben sie auch Verträge mit dem Management, dass sie nicht auf die Bühne dürfen. Promis haben keine Freiheiten mehr für sowas, so ist zumindest mein Eindruck. Früher war alles lockerer. Ob Thomas Gottschalk, Ottfried Fischer, Roberto Blanco oder DJ Ötzi – alle waren bei uns auf der Bühne. DJ Ötzi war bis vor Corona noch droben und hat seine Maß Bier getrunken. Der kam immer am ersten Tag nach dem Anstich zu uns und hat für eine halbe Stunde mitgemacht. 

Das Oktoberfest verlangt den Bedienungen viel ab. Kraft und Technik sind gefragt, um die Maßkrüge sicher zu den Gästen zu bringen.

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