Rikschafahrerin, Flaschensammlerin, Escortlady: Bei welchen Geschäften zur Wiesn wie der Rubel rollt

Wenn am Samstag das 186. Münchner Oktoberfest startet, klingeln wieder die Kassen. Vor allem für Brauer, Wirte, Einzelhändler und Hotels winkt jetzt das große Geschäft. Doch auch andere machen ihren Schnitt.
München - Mehr als 1,2 Milliarden Euro hat die Münchner Wirtschaft laut Stadt mit dem Oktoberfest im vergangenen Jahr eingenommen. Die 6,3 Millionen Festbesucher gaben insgesamt etwa 442 Millionen Euro (pro Person durchschnittlich 70,22 Euro) direkt auf dem Oktoberfest aus. Dass die Festzelte gutes Geld machen, ist bekannt (geschätzte 300 Millionen Euro). Die Stadt als Veranstalter kassiert 7,8 Prozent „Umsatzpacht“. Und auch viele Bedienungen in den Zelten machen das Geschäft des Jahres.
Aber wie sieht es abseits der Wiesn und im Rest der Landeshauptstadt aus? 285 Millionen Euro ließen die Besucher 2018 städtischen Berechnungen zufolge in der Landeshauptstadt: für Essen, Souvenirs, Taxifahrten oder den MVV. Und für die Übernachtung gaben sie insgesamt noch einmal rund 505 Millionen Euro aus. Wer profitiert abseits der Theresienwiese noch vom größten Volksfest der Welt - und wieviel lässt sich damit umsetzen? Wir haben Münchner aus den unterschiedlichsten Branchen gefunden, die in den kommenden zwei Wochen ein richtig gutes Geschäft machen. Wiesn, sei Dank!
Sandy Meyer-Wölden trägt zur Wiesn übrigens das teuerste Dirndl der Welt.
Der Lederhosenverleih
Diese Schnapsidee war Gold wert: Vor 24 Jahren saß Wolfgang Zeilinger (44) mit Freunden aus Italien auf der Wiesn. Sie hatten keine Tracht, wollten aber auch keine Unsummen für einen kurzen Wiesnbesuch ausgeben. Einen Trachtenverleih gab es damals nicht. Also sicherte sich der Münchner die Domain lederhosenverleih.de.
In seinen Räumen an der Amalienstraße lagern 900 Lederhosen, 600 Dirndl und unzählige Accessoires. „80 Prozent meines Jahreszumsatzes mache ich mit der Wiesn“, sagt Zeilinger. 33 Euro kostet eine Lederhose pro Tag, das Hemd schlägt mit 11 Euro pro Tag zu Buche. Dirndl mit Schürze und Bluse kosten 44 Euro – Reinigung inklusive.

Der Tätowierer
Zugegeben, großen Reibach machen die Tätowierer vom Studio „Kennst des Tattoo“ während des Oktoberfestes nicht. Aber da der Laden gleich um die Ecke an der Landwehrstraße liegt, nimmt auch hier in den kommenden zwei Wochen die Laufkundschaft zu. „Etwa drei bis vier Kunden pro Tag nehmen sich ein Wiesn-Tattoo als Souvenir mit nach Hause“, berichtet Inhaber Marco Blatter (34). Die beliebtesten Motive: Brezn, Masskrug, Riesenrad, Münchner Kindl und Wiesn-Herz (ab 100 Euro für ein kleines Motiv).
„Ein Südamerikaner hat sich mal den Stempel aus seinem Reisepass auf den Hintern stechen lassen“, erinnert sich der Tätowierer. Am Italiener-Wochenende hätten sich fünf Italiener ‚I survived Oktoberfest‘ stechen lassen. Und zwei halbstarke Cousins verließen das Studio mit Masskrügen auf den Zehen – als Mutprobe.
Die Rikschafahrerin
Das Geschäft brummt: Oana H. (47) fährt mit ihrer Rikscha statt einer Rundtour pro Tag (30 Minuten für 35 Euro) jetzt drei bis vier. Die üblichen Taxitarife für normale Fahrten gelten in den kommenden zwei Wochen nicht. 18 bis 20 Euro kassiert die Rikschafahrerin für eine Fahrt vom St-Pauls-Platz zum Hauptbahnhof. „Mit viel Glück transportiere ich fünfmal so viele Kunden wie sonst.“
Die Wirtsleute
Wenn die Zelte abends dicht machen oder am Wochenende wegen Überfüllung geschlossen sind, dann steigt in den Kneipen rund ums Festgelände die große Wiesnparty. Der Münchner Wirt Karsten Badura (49) betreibt gleich zwei Wiesn-Hochburgen: die Gaststätte Festwiese und das Lokal Lenz. Hier geht es ab heute so hoch her, dass jeweils zwei Securitiues den Einlass regeln müssen.
Wiesn ist Ausnahmezeit: Während im Lenz unterm Jahr bis zu 60 Gäste vorallem zur Mittagszeit gemütlich an den Tischen essen, schunkeln jetzt bis zu 200 Leute an Biertischen oder tanzen drumherum bis um 2 Uhr morgens. „Normalerweise hält ein 1000 Liter-Biertank bei uns 10 Tage, zur Wiesn ist er an einem Wochenende aufgebraucht“, erzählt der Wirt. Um die Gäste zu bewirten, sind zur Wiesn 6 bis 8 Mitarbeiter zusätzlich im Einsatz. Eins haben hier alle gemeinsam: „Zur Wiesnzeit melden wir uns daheim ab. Da sind wir nur zum schlafen ...“

Der Schönheitschirurg
Aufg’spritzt is! Für die Schönen und Reichen ist auf der Wiesn Aussehen alles. Davon profitiert Keywan Taghetchian, leitender Arzt der Beautyklinik Smoothline am Platzl. Er verzeichnet bis zu 30 Prozent mehr Kunden im Vorfeld der Wiesn. „Unter den Patienten sind einige Kandidaten aus den Hochglanzmagazinen dabei“, sagt der Chirurg. Für die schnelle Wiesn-Frische an Hals, Dekolleté oder Gesicht blättern die meist weiblichen Kunden bis zu 800 Euro hin.
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Die Flaschensammlerin
Die Kampfzone rund um die Absperrzäune an der Theresienwiese ist nichts für Rita Schmid (72, Name geändert). Die Münchnerin sammelt seit sechs Jahren Flaschen, weil sie mit den 424 Euro, die ihr monatlich zur Verfügung stehen, nicht über die Runden kommt. „Rund um die Wiesn machen manche Flaschensammler 1000 Euro oder mehr während des Oktoberfests“, berichtet die ehemalige Hausmeisterin.
„Aber das ist ein hartes Revier, gerade als Frau. Da kann es auch sein, dass man von anderen geschlagen wird, das ist nichts für mich.“ Die Mutter dreier Söhne bleibt auch während der Wiesn in ihrem gewohnten Bezirk am Ostbahnhof. Immerhin: Statt der sonst üblichen fünf Euro pro Tag hat sie in den vergangen Jahren bis zu 15 Euro gesammelt.
Die Escortdame
Rund 2800 Liebesdamen arbeiten über das Jahr verteilt in München. Zur Wiesn sind es fast doppelt so viele, schätzt die Polizei. Auch die Sex-Klubs rüsten kräftig auf und locken mit Sonderangeboten, Mottopartys und Frauen aus der ganzen Welt. Das After-Wiesn-Geschäft mit Sex und Erotik boomt. Doppelt so viele Anfragen wie üblich registriert Patricia Jagoda (Pseudonym, 42) Koordinatorin einer Münchner Escortagentur, zur Wiesnzeit. Davon profitierten auch die Damen. „Während sie sonst im Schnitt 2000 Euro im Monat einnehmen, können es jetzt durchaus 5000 oder 6000 Euro sein.“

Ein klassischer Wiesn-Auftrag sieht laut Jagoda so aus: Eine Firma ruft vor dem Oktoberfest an, weil sie für Geschäftspartner aus dem Ausland hübsche Damen im Dirndl sucht, damit die Herren nicht alleine am reservierten Tisch sitzen müssen. Danach wird in der Disco oder im Hotel weitergefeiert. Eine Stunde Privatzeit kostet zwischen 300 und 500 Euro, 24 Stunden gibt‘s für 2000 Euro. „Wer wird denn nicht gern ins Weinzelt oder zum Käfer eingeladen – inklusive Champagner, teurem Essen und kleinen Geschenken?“, fragt Jagoda. Auch wenn betrunkene Kunden, wie sie zugibt, bisweilen „schon etwas anstrengender“ seien.
Helikopter-Firma
Die einen drängen sich in überfüllten Zügen, die anderen jetten bequem und schnell mit dem Hubschrauber zum größten Volksfest der Welt. Bei der HTM Helicopter Travel Munich GmbH in Taufkirchen landen zur Wiesn mehr Fluggäste: Privatiers und Geschäftsleute mit dem nötigen Kleingeld, die nicht über den Flughafen oder Hauptbahnhof kommen wollen, steigen am Flugplatz ganz inkognito vom Heli in den schicken Wagen mit Chauffeur, der sie bis zum Festgelände bringt.
„Während der fünften Jahreszeit wird unser verkehrsgünstig gelegener Landeplatz am Rande Münchens besonders gern angeflogen um Fluggäste zu bringen, den Heli zu betanken und unterzustellen. Daraus ergibt sich für uns ein kurzfristiges Umsatzplus von 46 Prozent,“ erklärt Ayla-Sophie Rupprecht von HTM. Es könne auch passieren, dass der Hubschrauber eines exklusiven Wiesn-Gastes nur für ein paar Stunden im Hangar warte, um dann wieder zum nächsten Termin abzuheben. Für die kommenden Wochen hat HTM zudem drei bis vier eigene Helikopter pro Tag im Einsatz. Falls beispielsweise ein Promi kurzfristig entscheidet, von Nürnberg aus die Wiesn zu besuchen, zahlt er für den 50-minütigen Hin- und Rückflug rund 3200 Euro. Natürlich spielt hierbei auch das Wiesn-Wetter eine Rolle (so sehen die Prognosen aus).
Und wer einen kleineren Geldbeutel hat, der bucht hier gerne vor oder nach der Wiesn Rundflüge. Von Taufkirchen aus geht es beispielsweise Richtung Zugspitze. Statt der sonst für zwei Wochen üblichen vier Rundflüge sind für die Wiesn bereits 10 gebucht. Kostenpunkt für den Alpenrundflug pro Person: 355 Euro.
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Wie im Paradies: Fotos dieses Oktoberfest-Besuchers gehen um die Welt.