So werkeln die starken Männer für die Tradition - Handy immer dabei

In unserer großen Oktoberfest-Serie erfahren Sie die Comeback-Geschichten der Mitarbeiter auf der Wiesn. Heute geht´s um die starken Männer im Festzelt Tradition.
Es wird gehämmert, geschraubt und gewerkelt - schließlich soll zum Anstich alles passen. Im Festzelt Tradition auf der Oiden Wiesn herrscht Hochbetrieb. Mittendrin im Aufbau-Chaos steht Zeltmeister Willi Bestele (51). Immer in der Hand und oft direkt am Ohr hat er sein Handy - sein wichtigstes Arbeits-Utensil... Der gelernte Zimmermann und Richtmeister ist seit zehn Jahren verantwortlich für den Aufbau des Festzelts.
„Das allererste Mal habe ich vor ungefähr 30 Jahren auf der Wiesn gearbeitet, und schon damals hat’s mir viel Spaß gemacht“, sagt Bestele. Als er schließlich nach einer längeren Pause für das große Traditionszelt angefragt wurde, hat er sofort zugesagt. „Ich arbeite unheimlich gerne für die Wirte-Familien Winklhofer und Wieser, es ist ein sehr herzliches Miteinander.“
Oktoberfest: Das Handy ist Besteles wichtigstes Utensil
Als Zeltmeister hat Bestele während der knapp drei Monate dauernden Aufbauzeit alle Hände voll zu tun, damit die Bauarbeiten reibungslos ablaufen: Er sorgt dafür, dass das benötigte Material zur richtigen Zeit am Zelt ist, koordiniert die unterschiedlichen Gewerke, teilt das Team ein, organisiert Aufgaben und überschaut den gesamten Arbeitsprozess. „Vor allem bin ich Ansprechpartner für jede Art von Problemen - und davon gibt’s täglich einige“, sagt Bestele. Die gilt es zu lösen, und zwar bis zum letzten Tag: „Für mich ist dieser Job erst dann erledigt, wenn das erste Fass im Zelt o’zapft ist“, scherzt der Zeltmeister.
Während der Corona bedingten Pause hatte Bestele zwar endlich mal Zeit für Urlaub, seine Wiesn-Familie hat er allerdings schmerzlich vermisst. „Am meisten habe ich mich heuer auf die vielen Freunde rund ums Oktoberfest gefreut, die ich die vergangenen zwei Jahre nicht persönlich treffen konnte. Es ist einfach toll, wenn alle wieder zusammenkommen.“
Dafür ist bereits beim Richtfest - auf Bairisch „Hebauf“ - des Festzelts Gelegenheit: „Da sitzen wir im Zelt gemütlich beisammen, essen, trinken und ratschen.“ Ein paar Veränderungen gibt’s heuer jedoch auch: „Gerade in unserem Beruf fehlt der Nachwuchs - dieses Jahr ist unser Team von über 50 Leuten in neuer Konstellation aufgestellt, da viele der älteren Handwerker nicht mehr arbeiten können. Und in Deutschland ist der Beruf Zimmermann für junge Leute heutzutage nicht attraktiv“, erklärt Bestele. Wenn der Zeltaufbau geschafft ist, geht’s gleich zum nächsten Wiesn-Einsatz - und zwar ins Kaffeezelt Theres’, das Besteles Lebensgefährtin betreibt. Ihr steht er dort tatkräftig zur Seite.
Wenn der eine fertig ist, geht´s für den anderen erst los
Wenn Bestele fertig ist, geht’s für Herbert Steiner (55) gerade erst los. Als Ganterbursch sorgt er im Festzelt Tradition dafür, dass das Augustiner-Bier stets frisch aus dem Holzfass in die Krüge der durstigen Gäste fließen kann. Doch anfangs wusste auch der 55-Jährige gar nicht, was ein Ganterbursch überhaupt macht. Steiner aber hat’s schnell gelernt: „Wir beobachten den Zustand der Bierfässer an der Schänke und holen rechtzeitig Nachschub beziehungsweise entsorgen die alten Fässer. Die neuen Fässer rollen wir aus dem Kühllager ins Zelt und stellen sie dort so auf, dass der Schankkellner optimal zapfen kann - dabei müssen wir auch die passende Fassgröße wählen, damit das Bier nicht zu lange im Zelt steht und warm wird“, erklärt er.

Anders als die meisten Brauereien lagert Augustiner den Gerstensaft auch auf der Wiesn in Holzfässern statt in Stahltanks. Die großen Fässer, genannt „Hirschen“, fassen zwischen 190 und 220 Litern - und wiegen bis zu 300 Kilo! Einen Hirschen aufzustellen erfordere Routine, Technik und natürlich einiges an Kraft, erklärt Steiner. Neben Handschuhen und Sicherheitsschuhen darf bei der Arbeitskleidung vor allem das Halstuch nicht fehlen, denn im Kühlraum für die Fässer ist’s zapfig. Der ist nämlich auf vier Grad eingestellt.
Steiner kam über einen glücklichen Zufall zu seinem Wiesn-Job: „Mein Traum war schon immer, auf dem Oktoberfest zu arbeiten“, berichtet er. Als gelernter Schreiner hatte er 1983 mal bei einem Zeltaufbau mitgearbeitet. Aber ein langfristiges Engagement ging damals aus privaten Gründen nicht. Vor acht Jahren machte er sich dann einfach mal nach München auf. Sein Ziel: einen Wiesn-Job finden. „Als ich die Zeltstraße entlanglief, stand ich irgendwann neben einem gut gekleideten Herrn, der telefonierte“, erzählt Steiner. Da dachte er sich: „Das könnte ein wichtiger Mensch sein.“ Und fragte nach, ob er etwas wüsste ... Volltreffer!
Wiesn: Freude wie an Weihnachten
Der Herr war Wirt Toni Winklhofer, dem just zwei Mitarbeiter abgesprungen waren - darunter ein Ganterbursch. Seitdem zieht Steiner seit acht Jahren für die Wiesn-Zeit von Augsburg nach München um: „Der schönste, aber auch herausforderndste Moment ist für einen Ganterbursch der Anstich…“, erzählt Steiner. Denn: „Jeder Gast im Zelt will um zwölf Uhr seine frisch gezapfte Mass vor sich haben. Ein 200-Liter-Fass ist dann in zehn Minuten leer!“
Am Festzelt Tradition mag Steiner vor allem die ungezwungene Atmosphäre, und dass sich die Leute hier gemütlich ins Zelt setzen und ohne Stress bayrisches Brauchtum genießen können. „Das Verhältnis unter uns Mitarbeitern und mit der Wirte-Familie ist besonders herzlich, das macht es für mich aus“, sagt der Ganterbursch. Für Geld allein arbeite laut Steiner niemand auf der Wiesn - da müsse man schon mit Herzblut dabei sein. Und das ist Herbert Steiner gewiss. Trotz der anspruchsvollen Arbeit schwärmt er: „Wenn der erste Gast das Zelt betritt, ist das für mich wie Weihnachten! Und wenn’s vorbei ist, freue ich mich schon wieder auf das nächste Jahr …“ (Ulrike Kremer)