Virologe erwartet „synchronisiertes Superspreading“ auf der Wiesn - mit ganz konkreten Auswirkungen
Von einem Oktoberfest-Besuch rät Virologe Oliver T. Keppler nicht explizit ab. Obwohl seine Corona-Prognose recht eindeutig ausfällt.
München - Der Wiesn-Anstich rückt immer näher, doch bei vielen Münchnern will nach der zweijährigen Corona-Pause keine rechte Vorfreude aufkommen. Das legen zumindest Ergebnisse einer aktuellen Umfrage nahe. 38,2 Prozent der Teilnehmer konstatierten: „Ich habe in diesem Jahr keine Lust auf das Oktoberfest.“ Was der Virologe Oliver T. Keppler in einem Interview prognostiziert, dürfte die Euphorie kaum erhöhen.
Oktoberfest während Corona-Pandemie: Virologe wird in Interview deutlich
„Die lange vermisste Geselligkeit in Bierzelten ist aus virologischer Sicht ohne Zweifel ideal für die Übertragung der aktuell vorherrschenden hochansteckenden Varianten von SARS-CoV-2“, erklärte der Experte der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) dem Bayerischen Rundfunk. Wie hoch das Ansteckungsrisiko sei, illustriert Keppler ganz konkret: „Auf einer Skala von 1 bis 10 liegt die Wahrscheinlichkeit einer SARS-CoV-2-Exposition nach mehreren Stunden im Zelt nach meiner Einschätzung bei 9 bis 10. Viel mehr geht also nicht.“
Die Pandemie sei noch lange nicht vorbei, mahnt der Virologe, sie nach dem „Vogelstraußprinzip“ zu ignorieren, werde auch während des größten Volksfests der Welt nicht funktionieren. Dennoch sei es müßig, einen Monat vor dem Anstich über etwaige Corona-Maßnahmen zu sprechen, sagt Keppler im BR-Interview: „Eine Maskenpflicht oder Abstandsregeln zu fordern, wäre unsinnig, da dies nicht ernsthaft durchsetzbar wäre und dem Grundgedanken des Oktoberfests widersprechen würden.“
Auf einer Skala von 1 bis 10 liegt die Wahrscheinlichkeit einer SARS-CoV-2-Exposition nach mehreren Stunden im Zelt (...) bei 9 bis 10
Eine Diskussion über einen Corona-Schutzschirm für die Wiesn hätte er sich früher gewünscht, stellt der LMU-Experte klar. Keppler führt beispielhaft ein „empfindliches Testprinzip“ an, das „auch für so viele Menschen in kurzer Zeit umsetzbar ist“. Dafür wäre seiner Einschätzung zufolge jedoch eine Vorlaufzeit von neun bis zwölf Monaten vonnöten gewesen.
LMU-Experte vor der Wiesn: „Synchronisiertes Superspreading mit weltweiter Sichtbarkeit“
Von einem Besuch auf der Theresienwiese will der Virologe trotz aller Risiken nicht explizit abraten, appelliert an die „Eigenverantwortung“ potenzieller Gäste. Dennoch klingen in der Keppler-Prognose deutliche Worte an: „Der gesamtgesellschaftliche Kontext ist von Bedeutung: Das nun mal größte Volksfest der Welt kann Millionen Neuinfektionen innerhalb von zwei Wochen im Großraum München ermöglichen. Das ist synchronisiertes Superspreading mit weltweiter Sichtbarkeit.“

Infolge der Wiesn erwartet Keppler eine „starke Belastung des lokalen Gesundheitssystems“, konkret im Oktober und November. „Die Konsequenzen für die Akutbetreuung wie auch für geplante operative Eingriffe sind schwer abzuschätzen“, prognostiziert der LMU-Experte einen schwierigen Herbst.