Wie schmeckt das Bio-Hendl für 20,50 Euro? Besucher testen die Wiesn-Revolution

Ein spannendes Experiment: Im Paulaner-Festzelt bietet Wirtin Arabella Schörghuber heuer nur Bio-Hendl an - für satte 20,50 Euro. Wie schmecken Hendl und Preis den Gästen?
München - Zwei Hektar Auslauf auf grüner Wiese und Mastfutter aus ökologischer Kreislaufwirtschaft – merkt man das einem halben Grillhendl auf dem Teller an? Das Paulaner-Festzelt macht heuer auf der Wiesn den Versuch: Als einziges großes Festzelt in der Wirtsbudenstraße bietet Wirtin Arabella nur Bio-Hendl an. Das schlägt sich im Preis nieder. Mit 20,50 Euro ist der Wiesn-Klassiker hier gut fünf Euro teurer als in den anderen Zelten.
Ulli Hagel (34), Zahnarzt aus Ulm, lädt seine Mitarbeiter jedes Jahr auf ein paar Mass und ein halbes Hendl auf die Wiesn ein. Seiner Mitarbeiterin Daniela Spiegel (30) schmeckt’s. „Ich finde das Hendl sehr lecker“, sagt sie. „Ich hätte es mir aber privat nur wegen des Bio-Siegels nicht bestellt – dann lieber was anderes für den Preis.“
Oktoberfest 2023: Bio-Hendl im Paulaner-Zelt – so schmeckt‘s den Gästen
Der Chef selbst ist enttäuscht. „Ich habe gar nicht gewusst, dass wir Bio bestellen, mich aber über den Preis gewundert“, sagt Hagel. „Schade, dass es jetzt nicht mal schmeckt. Ich finde, es ist trocken, fast tot gegrillt. Ob Bio oder nicht, bei der Zubereitung schmeckt man die Masse raus.“ Aufgegessen hat Hagel sein Hendl trotzdem. Wenn es im Müll landen würde, hätte er ein schlechtes Gewissen.
Ein gutes Gewissen hat dagegen Vanessa Stegmüller (28) – sie findet das Bio-Angebot gut. „Ich ernähre mich fast nur vegetarisch“, sagt sie. „Wenn die Qualität stimmt, esse ich auch mal Geflügel.“ Dass der Gast hier – im Gegensatz zu anderen Zelten auf der Oidn Wiesn – nicht die Wahl hat, ob er Bio oder Konventionelles bestellt, findet Stegmüller verständlich. „Ich finde es gut, wenn der Gastronom den Schritt einfach geht“, sagt sie. „Nur so kann sich das Angebot nachhaltig verändern.“

In der Tat wählen die meisten Bio-Hendl-Anbieter gerade aber noch den diplomatischen Weg. Sowohl das Herzkasperl-Zelt als auch das Festzelt Tradition bieten auf der Oidn Wiesn beides an. Im Herzkasperl-Zelt kostet das halbe Bio-Huhn 19,90 Euro und das Konventionelle aus Niederbayern 14,50 Euro. Nachgefragt wird Letzteres noch immer deutlich stärker. „Da herrscht ein sehr großes Gefälle, das ist eine Geldbeutelgeschichte“, erklärt Betriebsleiter Martin Jonas. „Trotzdem merken wir jedes Jahr, dass das Gefälle kleiner wird und Gäste gezielt Bio ordern.“
Die Wiesn-Revolution kommt an
So sieht es auch Alex Stassen (36) im Paulaner-Zelt: „Wer auf die Wiesn geht, weiß, dass hier alles extrem teuer ist. An den Standln werden konventionelle Hendl zum Mitnehmen für knapp 15 Euro angeboten. Also finde ich es gerechtfertigt, dass das Bio-Hendl hier sechs Euro mehr kostet.“
Die drei US-Amerikaner Conor Barber, Couartland Corrente und Andy Mader glauben sogar, die grüne Wiese, auf denen die Hendl aufwachsen durften, zu erkennen. „Man schmeckt die guten Bedingungen“, sagt Barber. „Das Fleisch ist fest und trotzdem saftig, diese Chicken schmecken viel besser als die daheim in Pennsylvania.“

Vier Tage feiern die drei Freunde auf dem Oktoberfest – und sind beeindruckt, wie genau hier auf den Speisekarten über die Gerichte informiert wird. „Zu wissen, woher die Produkte kommen, ist ein Top-Service für den Gast“, sagt Corrente. „Hätte es hier ein normales Hähnchen gegeben, hätten wir uns das und die teurere Bio-Variante bestellt, um beides miteinander zu vergleichen.“ (sco)