1. tz
  2. München
  3. Wiesn

Wiesn 2023: Deutlich weniger Übergriffe auf Frauen als im Vorjahr – Verdachtsfälle auf K.O.-Tropfen nehmen zu

Kommentare

Die Aktion „Sichere Wiesn“ ist eine Anlaufstation für Frauen und Mädchen in Not auf dem Oktoberfest. Nun wurde bekannt gegeben, wie viele bislang Hilfe suchten.

München - Seit 20 Jahren nun schon gibt es die Aktion „Sichere Wiesn“ auf dem Oktoberfest. Eine Initiative von den Vereinen Amyna e.V. und IMMA e.V. und der Beratungsstelle Frauennotruf München, um die Festzeit für Besucherinnen so sicher und angenehm wie möglich zu machen. Denn jedes Jahr gibt es zahlreiche Übergriffe und Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen auf dem Oktoberfest. Immer zur Halbzeit des Volksfestes veröffentlicht die „Sichere Wiesn“ erste Zahlen darüber, wie viele Betroffene sich bereits an die Helferinnen der Aktion gewandt haben.

Oktoberfest 2023: Zahlen an Übergriffen gegen Mädchen und Frauen gehen deutlich zurück

Die gute Nachricht: Es sind deutlich weniger Frauen und Mädchen, als im vergangenen Jahr. Mussten die Helferinnen der Aktion „Sichere Wiesn“ 2022 noch 228 Frauen und Mädchen betreuen, lag die Anzahl der Frauen in Not 2023 nur noch bei 143 Fällen. Damit komme man dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 wieder sehr nahe, wo es 146 Fälle waren.

Die Aktion „Sichere Wiesn“ hilft Frauen und Mädchen in Not während des Oktoberfests.
Die Aktion „Sichere Wiesn“ hilft Frauen und Mädchen in Not während des Oktoberfests. © Imago/ Wolfgang Maria Weber/Sichere Wiesn

Oktoberfest 2022: Spitzenwerte brachten Helfer an die Belastungsgrenze

Ein deutlicher Rückgang, über den man auch sehr froh sei, äußert sich Kristina Gottlöber, Fachberaterin bei der „Sicheren Wiesn“ und der Informationsstelle für Mädchenarbeit IMMA e.V., und macht gleichzeitig nochmal deutlich, was die hohe Zahl 2022 auch für sie und ihr Team bedeutet hat: „Letztes Jahr haben wir das Limit erreicht. Wir waren an der Belastungsgrenze. Gerade nach dem Italiener-Wochenende sind wir aus allen Nähten geplatzt. An einem Abend hatten wir den Spitzenwert von 68 Frauen, die bei uns Hilfe suchten“, sagt Gottlöber. „Das ist für uns nicht mehr leistbar.“ Insgesamt arbeiten 14 Frauen für die „Sichere Wiesn“, zwölf Ehrenamtliche und zwei Fachberaterinnen. Dass die Anzahl der Betroffenen nun gesunken sei, beruhige sie etwas. Wenngleich 143 Übergriffe immer noch viel seien.

Letztes Jahr hatten wir an einem Abend 68 Frauen, die Hilfe suchten. Das ist für uns nicht mehr leistbar.

Kristina Gottlöber/Fachberaterin „Sichere Wiesn“; IMMA e.V.

Übergriffe auf dem Oktoberfest 2023: Vor allem Frauen unter 30 Jahren betroffen

In welchen Situationen die Frauen und Mädchen den Schutzraum der „Sicheren Wiesn“ aufsuchten, das sei ganz unterschiedlich gewesen: Vor allem waren es junge Mädchen und Frauen unter 30 Jahren, vorwiegend aus München und dem Umland. Ein Drittel der Hilfesuchenden kam aus dem Ausland, vor allem Neuseeland und den USA. „Nach wie vor haben wir viele Fälle, in denen die Frauen Personen oder Wertgegenstände verlieren“, sagt Gottlöber. „Aus Analysen und in enger Zusammenarbeit mit der Polizei wissen wir, dass solche Situationen – wenn Frauen angetrunken und allein auf dem Festgelände unterwegs sind – gefährlich werden können.“ Auch weil die Frauen dann selbst in Panik verfallen würden, nicht mehr den Weg nach Hause oder ins Hotel fänden.

(Unser München-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus der Isar-Metropole. Melden Sie sich hier an.)

Teils schwere Gewalt gegenüber Frauen auf der Wiesn 2023

In elf Fällen kam es zu sexueller oder körperlicher Gewalt. „Angefangen vom Grapschen bis zu schwereren Fällen“, sagt Gottlöber. Glücklicherweise sei den Betreuerinnen aber kein Fall einer Vergewaltigung untergekommen. Was die Erlebnisse für die Frauen aber nicht weniger traumatisch mache: „Das sind dann natürlich längere Beratungsprozesse, in denen wir versuchen, die Frauen psychisch zu stabilisieren“, sagt Gottlöber.

Auch psychische Krisen seien durchaus oft vorgekommen – mit 23 Fällen. Dies betreffe vor allem Frauen, die in der Vergangenheit sexuelle Gewalt oder Gewalt in der Familie erlebt hatten. Auch schwere psychische Belastungen im Alltag seine bei einigen im Kontext des Oktoberfestes und des bunten Trubels hochgekommen. „Eine Frau hatte etwa ein Gewalterlebnis im Zusammenhang mit einem Volksfest erlebt“, sagt Gottlöber. Die Wiesn habe diese Erinnerung in ihr wieder hervorgeholt.

Verdachtsfälle von K.O.-Tropfen steigen um mehr als das Doppelte

Auch Verdachtsfälle von K.O.-Tropfen seien vorgekommen. Über diese Verdachtsfälle hatten viele Medien im Vorfeld immer wieder berichtet. Die einzige Zahl, die gegenüber 2022 zunahm und von drei auf sieben Verdachtsfälle anstieg. „Ich möchte aber betonen, dass es sich dabei lediglich um einen Verdacht handelt“, sagt Gottlöber. Da keine Blutuntersuchung vor Ort möglich ist, könne man letztendlich den Befund nicht beweisen.

Von den ingesamt 143 Fällen „wurden dieses Jahr viele an uns vermittelt“, sagt Gottlöber: 25 Frauen wurden durch die Polizei zur „Sicheren Wiesn“ gebracht, 51 durch die Aicher Ambulanz. Dank aufmerksamer und engagierter Wiesn-Besucher wurden 15 Frauen an die Aktion vermittelt und weitere fünf von Wiesn-Mitarbeitern. 15 Fälle hat das Security-Team auf dem Festgelände zur „Sicheren Wiesn“ gebracht.

Anzahl der Hilfesuchenden 2022: Pandemie war ausschlaggebend

Warum die Zahlen gegenüber 2022 gesunken sind, und das, obwohl zur Halbzeit der Wiesn deutlich mehr Menschen auf dem Oktoberfest waren? Das erklärt sich Gottlöber wie folgt: „Da wir nur 2022 einen Anstieg an Übergriffen hatten und es auch noch das Jahr nach Corona war, gehen wir davon aus, dass es mit der Pandemie zusammenhing.“ Es seien viel mehr junge Menschen auf der Wiesn gewesen, die Hälfte aller Beratungen sei auf Englisch geführt worden. „Die zwei Jahre Partypause haben sich bemerkbar gemacht“, sagt Gottlöber.

Regelmäßig, kostenfrei und immer aktuell: Wir stellen Ihnen alle News und Geschichten aus München zusammen und liefern sie Ihnen frei Haus per Mail in unserem brandneuen München-Newsletter. Melden Sie sich sofort an!

Auch interessant

Kommentare