Masskrüge auf der Wiesn teils kalt gespült – trägt das zur Corona-Welle bei? Stadt München reagiert

Die Corona-Inzidenz in München steigt. Ein Zusammenhang mit dem Oktoberfest liegt nahe. Könnte eine bessere Krughygiene auf der Wiesn die Zahlen senken?
Update vom 2. Oktober, 7.56 Uhr: Berichten zufolge werden auf dem Oktoberfest Gläser offenbar teils kalt gespült - anders als sonst in der Gastronomie in Deutschland üblich. Dabei empfiehlt das Bundesamt für Risikobewertung zur effizienten Bekämpfung des Coronavirus eine Temperatur von über 60 Grad. Auf dem Wiesn-Umfeld und auch von der Stadt München wird nun klargestellt, dass es für das Oktoberfest keine Ausnahmeregelungen für das Spülen von Masskrügen gebe. Kaltspülung gebe es teils aber schon - mit speziellen Mitteln.
Kaltspülung auf Oktoberfest nur mit chlorhaltigen, desinfizierenden Spülmitteln
Bei der Kaltspülung auf dem Oktoberfest sei die Verwendung eines chlorhaltigen, desinfizierenden Spülmittel für die Reinigung zwingend vorgeschrieben. Diesbezüglich habe die Landeshauptstadt München keine Ausnahmeregelung erteilt, hieß es vonseiten des Gesundheitsreferats der Landeshauptstadt. „Es ist nicht richtig, dass es eine Ausnahmegenehmigung gibt, benutztes Geschirr und Gläser mit kaltem Wasser spülen zu dürfen“, teilte auch Christian Schottenhamel, der stellvertretende Sprecher der Vereinigung der Münchner Wiesn-Wirte, auf tz.de-Anfrage mit.
„Die von uns eingesetzten Spülmaschinen arbeiten mit Druckdüsen und einer Desinfektionslauge. Dieses Gläserreinigungsmittel ist ein spezielles Präparat für Krugspülanlagen und ist nicht mit herkömmlichen Haushaltsspülmitteln zu vergleichen“, so Schottenhamel weiter. „Wir garantieren eine Verweildauer eines Maßkruges in der Desinfektionszone von mindestens 60 Sekunden. Während der Wiesn werden wir vom Referat für Gesundheit und Umweltschutz der Stadt München überwacht“, erklärte der stellvertretende Sprecher. Jeden Tag würden umfangreiche Stichproben gezogen und Hygienetests gemacht, welche dann vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ausgewertet würden.
Das Gesundheitsreferat der Stadt München hält die Gefahr einer Infektionsübertragung durch Krugnutzung auf tz.de-Nachfrage für „grundsätzlich eher gering“ und teilte mit, dass auf dem Oktoberfest zwei verschiedene Spülverfahren genutzt würden: die Heißspülung und die Chlorung. „Es gibt zwei, hygienisch als gleichwertig zu betrachtende Aufbereitungsverfahren für verschmutzte Gläser: ein thermisches und ein chemisches“, so das Gesundheitsreferat. „Beide Verfahren arbeiten mit einem Spülmittelzusatz, wie auch im normalen Haushalt, bei der Kaltspülung wird dem Wasser zusätzlich Chlor zugesetzt. Die Chlorung ist für die Desinfektion von Trinkwasser gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung, einer bundesweiten Verordnung auf Basis des Infektionsschutzgesetzes, ausdrücklich zugelassen. Die gesetzlichen Vorgaben zur Trinkwasserhygiene mit dem desinfizierenden Chloreinsatz bestehen unabhängig von der Pandemie bereits seit langem.“
„Chlorhaltiges, desinfizierendes Spülmittel“ für Masskrüge bei Kaltspülung
Erstmeldung: München - Der Virologe Hendrik Streeck äußerte nach seinem Oktoberfest-Besuch kürzlich die Vermutung, viele Masskrüge seien wahrscheinlich nicht „perfekt gewaschen“. Anders als sonst in der Gastronomie werden die Gläser auf der Wiesn teilweise nur kalt gespült.
Gesundheitsreferat München: DIN-Norm kann fallen, wenn „mit anderen Mitteln das gleiche Ergebnis erreicht“ werde
Schon zur Halbzeit kamen drei Millionen Gäste auf die Wiesn, pro Tag sind es bis zu 400.000 Besucher. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie oft ein Masskrug auf dem Oktoberfest täglich seinen Besitzer wechselt. Eigentlich gilt in Deutschland die DIN-Norm 10511. Sie sieht eine Spülzeit von zwei Minuten und 65 Grad vor, um alle Bakterien und Viren abzutöten, wie Focus unter Bezugnahme auf den Branchenverband Dehoga am Freitag berichtete. Im Schnitt trinken die Oktoberfest-Besucher 7,85 Millionen Liter Bier, das natürlich möglichst kühl sein sollte. Deshalb gibt es auf der Wiesn offenbar die Erlaubnis für die Wiesn-Wirte, die Gläser kalt zu spülen. Ansonsten müssten die Krüge lange abkühlen – und die Gäste ewig auf ihr Bier warten.
Damit auch bei der kalten Spülung der Masskrüge keine Krankheitserreger zurückbleiben, muss die Reinigung zwingend mit einem „chlorhaltigen, desinfizierenden Spülmittel“ erfolgen, wie das Gesundheitsreferat der Stadt München der Welt mitteilte. Denn die DIN-Norm könne dann fallen, wenn „mit anderen Mitteln das gleiche Ergebnis erreicht“ werde, so ein Sprecher des Referats. Benjamin Eilts, Experte für Hygiene von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, zufolge läge die Lösung in einer moderneren Technik: „Auf dem Oktoberfest wird heute größtenteils eine völlig veraltete, vorsintflutliche Technik benutzt. Die modernen Spülsysteme von heute machen ein absolut hygienisches Glas und schalten hinter eine Heißspülung noch eine Kaltspülung dazu, sodass man das Glas direkt wieder befüllen kann.“
Kampf gegen das Coronavirus: Je wärmer desto besser
Dass die Wiesn die Corona-Inzidenz in die Höhe treiben würde, wussten Experten schon vor Beginn des Oktoberfests. Doch auch den meisten Münchnern war das wohl klar: Sie kennen noch aus Zeiten vor der Corona-Pandemie auffällige Erkältungswellen zu Oktoberfestzeiten – die sogenannte Wiesn-Grippe. Schon in der bayerischen Erfolgsserie sagte der „Monaco Franze“: „So, jetzt kurieren wir unseren alljährlichen Wiesn-Katarrh aus und dann ist Adventszeit!“
Dass das Coronavirus die Kälte liebt, ist bekannt. In der Regel steigen die Infektionszahlen im Herbst und Winter an. Im Kampf gegen das Virus gilt also eigentlich die Regel: je heißer, desto besser. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hält die Reinigung im Geschirrspüler bei 60 Grad oder höheren Temperaturen bei der Entfernung von Coronaviren für besonders effizient, wie das BfR auf seiner Homepage mitteilt. Doch wie kalt ist zu kalt?
Bundesamt für Risikobewertung: „Coronaviren wahrscheinlich durch fettlösende Substanzen zerstört“
Bei dem Coronavirus handelt es sich um ein sogenanntes behülltes Virus, das empfindlich auf Fettlöser reagiert. Das Bundesamt für Risikobewertung hält es für wahrscheinlich, dass „fettlösende Substanzen wie Tenside und Alkohole, die als Fettlöser in Seifen und Geschirrspülmitteln enthalten sind“ die Virusoberfläche beschädigen und das Virus so inaktiv wird. Demnach würden die meisten handelsüblichen Spülmittel die Coronaviren in Spülwasser mit einer Temperatur von 23 Grad Celsius innerhalb von 15 Sekunden ausreichend inaktivieren. Lediglich bei einem Spülmittel mit einem geringeren Gesamtgehalt an Tensiden sei den Daten einer Studie zufolge eine höhere Temperatur von 43 Grad Celsius und eine längere Einwirkzeit von 60 Sekunden nötig gewesen, so die Experten des Bundesamtes. Laut Welt-Angaben hat das Trinkwasser der Kaltspülanlagen auf dem Oktoberfest in der Regel nur etwa 15 Grad.
Schon im Jahr 2008 führten die BfR-Experten eine Studie durch, in der es um die „hygienische Wirksamkeit von Spülgeräten zum Reinigen von Trinkgläsern in der Gastronomie“ ging. „Über ungenügend gereinigte Gläser können gesundheitsgefährdende Viren wie Noroviren und Bakterien wie Salmonellen, Coli-Keime oder Streptokokken übertragen werden“, schrieben die BfR-Experten und empfahlen sogar, Gläser und Geschirr im Gastronomiebereich nicht nur zu reinigen, sondern auch zu desinfizieren. Die Stadt München verteidigt sich gegenüber Welt jedoch: Einen Zusammenhang zwischen Krughygiene und „Wiesn-Grippe“ „gibt es nicht“. Klar ist jedoch, dass die Zahlen steigen. Die meisten Kliniken in München melden sich bereits von der Notfallversorgung ab.