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„Risse im CSU-Gebäude“: Dobrindt lässt beim Maut-Debakel aufhorchen - wird es jetzt eng für Scheuer?

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Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt (re.) im Bundestag.
Was nun? Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt (re.) im Bundestag. © Christian Spicker/www.imago-images.de

Mitten in der Nacht sagt Ex-Minister Dobrindt im Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut aus. Zu Nachfolger Andreas Scheuer äußert sich Dobrindt kühl. Die Opposition sieht „Absetzbewegungen“.

Berlin - Die krachend gescheiterte Pkw-Maut wird für die CSU zum Dauer-Desaster. Mitten in der Nacht hat nun Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt im Bundestags-Untersuchungsausschuss ausgesagt. Danach muss sich die Partei bemühen, einen unvorteilhaften Eindruck zu zerstreuen: Den, die CSU lasse nun langsam ihren Minister Andreas Scheuer fallen. Scheuer steht beim Thema Maut heftig in der Kritik - die Opposition wirft ihm teure Fehler zulasten der Steuerzahler vor.

Alexander Dobrindt sagt zu Maut-Debakel aus - und äußert sich kühl zu Scheuer: „Jeder selbst verantwortlich“

Dobrindt selbst wies in der Nacht auf Freitag (15. Januar) Vorwürfe über eine Mitverantwortung am Scheitern der Maut zurück. Die EU-Kommission habe in einem Kompromiss zum deutschen Maut-Modell „quasi einen Stempel“ für die Europarechtskonformität gegeben, sagte Dobrindt. Die Maut habe damit umgesetzt werden können. Die Opposition sieht das allerdings ganz anders.

Dobrindt sagte, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die Maut „vom Tisch gewischt“ habe*, habe ihn sehr überrascht. Der EuGH hatte die deutsche Pkw-Maut im Sommer 2019 für europarechtswidrig erklärt - sie sei diskriminierend für Autobesitzer aus anderen EU-Ländern.

Mit Blick auf seinen Amtsnachfolger Andreas Scheuer (CSU) sagte Dobrindt, in seiner Zeit als Bundesminister habe er politische Verantwortung getragen. Jeder Minister sei für seine Entscheidung selbst verantwortlich. Ein Sprecher der CSU im Bundestag wies außerdem darauf hin, dass Dobrindt auf die Frage, ob Scheuer einen Fehler gemacht habe, mit „Nein“ geantwortet habe.

CSU: „Risse“ im Partei-Zusammenhalt? Opposition sieht „Absetzbewegungen“ weg von Scheuer

FDP-Obmann Christian Jung sagte, Dobrindt habe die komplette politische Verantwortung für das Pkw-Maut-Desaster auf Scheuer geschoben. Linke-Amtskollege Jörg Cezanne betonte, Dobrindt sei für die vor dem EuGH gescheiterte Gesetzeslage verantwortlich gewesen. Grünen-Obmann Oliver Krischer sprach von deutlichen „Rissen“ im CSU-Gebäude, es seien Absetzbewegungen von Scheuer erkennbar. Dobrindts Argumentation, die Kommission habe einen europarechtlichen „Freibrief“ geliefert, sei weit hergeholt. Dies sei von einem Zeugen widerlegt worden.

Der frühere Kabinettschef von Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Martin Selmayr, hatte als Zeuge ausgesagt, dass die EU-Kommission 2017 das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Sachen Pkw-Maut eingestellt habe, sei keine Garantie für Rechtssicherheit gewesen. Krischer sagte, Dobrindt habe mit seiner Aussage versucht, seine eigene Verantwortung als „Architekt der Maut“ wegzuschieben.

Das EuGH-Urteil bezog sich auf das Modell, für das Dobrindt als Verkehrsminister Ende 2016 grünes Licht der EU-Kommission erhalten hatte. Die Pkw-Maut war auf Drängen der CSU in den schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013 gekommen. Dobrindt war von 2013 bis 2017 Verkehrsminister und ist seitdem CSU-Landesgruppenchef.

Scheuer unter Druck: CSU bemüht sich um Interpretation - Dobrindt hake „keine Schuld in Richtung Scheuer geschoben“

Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte, Dobrindt habe keine Schuld in Richtung Scheuer geschoben, sondern sein Handeln in seiner Amtszeit beschrieben. Es habe bei der Pkw-Maut von Anfang an engen Kontakt mit der EU-Kommission gegeben.

Die Opposition bemängelte hingegen, unter Dobrindts Führung seien die Maut-Gesetze durch Bundestag und Bundesrat gebracht worden. Entgegen vielstimmiger Rechtsmeinungen seien die Maut-Gesetze als rechtskonform deklariert worden. Krischer sagte, Dobrindt habe die Pkw-Maut eingefädelt und grundlegende Weichen gestellt, die nachher zum „juristischen Totalschaden“ vor dem Europäischen Gerichtshof geführt hätten.

Dobrindt sagte zur Amtszeit Scheuers seit 2018 allerdings auch, die Maut sei gesetzt gewesen, es habe einen festen Umsetzungsauftrag für den zuständigen Bundesminister gegeben, egal wie dieser heiße.

Pkw-Maut: Wichtiger Zeuge entlastet CSU-Minister Scheuer

Kern der Untersuchungen ist, dass das Verkehrsministerium unter Scheuer Ende 2018 Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut geschlossen hatte - bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler etwa im Haushalts- und Vergaberecht vor. Die vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte. Scheuer weist die Vorwürfe zurück. Er soll am 28. Januar erneut als Zeuge im Untersuchungsausschuss befragt werden.

Vor Dobrindt hatte ein wichtiger Zeuge Scheuer erneut entlastet. Dabei geht es um Aussagen von Managern der späteren Betreiberfirmen. Sie hatten ausgesagt, Scheuer bei einem Treffen im November 2018 angeboten zu haben, mit dem Abschluss von Verträgen zu warten, bis der Europäische Gerichtshof entscheidet.

Der frühere Verkehrsstaatssekretär Gerhard Schulz sagte im Ausschuss, er sei „sehr sicher überzeugt“, dass es ein solches Angebot nicht gegeben habe. Das hatte Schulz bereits in einer Zeugenaussage im Oktober ausgesagt - und untermauerte es nun noch. Nach Einsicht in Akten habe sich seine Erinnerung „zur Gewissheit“ verdichtet, dass es ein solches Angebot nicht gegeben habe. Als Grund für die anderslautenden Aussagen der Manager vermutete Schulz das laufende Schiedsverfahren zwischen dem Bund und den Firmen. (dpa/fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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