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Experte Masala räumt bei „Will“ ein: Waffenlieferungen verlängern Ukraine-Krieg – retten aber dennoch Leben

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Carlo Masala (li.) und Kevin Kühnert bei „Anne Will“.
Carlo Masala (li.) und Kevin Kühnert bei „Anne Will“. © NDR/Wolfgang Borrs

Die Lieferung von 14 Leopard-Panzern aus Deutschland ist beschlossene Sache. Aber welche Strategie verfolgt Olaf Scholz? Anne Will versucht eine Analyse.  

Berlin - „Die Ukraine wird an einem Tropf gehalten“, moniert die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband bei „Anne Will“ im Ersten. Weisband hält mit ihrer scharfen Kritik an der Haltung der Bundesregierung im Ukraine-Krieg nicht hinterm Berg. 14 Leopard-Panzer sendet Deutschland in den kommenden Monaten und erlaubt nun auch Lieferungen aus anderen Ländern des Kampfpanzers aus deutscher Produktion.

„Leopard-Panzer für die Ukraine – Die richtige Entscheidung?“ lautet das Motto des Talks. Weisband hat eine klare Antwort, für sie sind die Lieferungen mit Absicht niedrig dosiert: „Zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben“.

„Anne Will“ - diese Gäste diskutierten mit:

Weisband, die stetig Kontakt mit ihren Verwandten in dem umkämpften Land hält, schildert, wie sich die Unentschlossenheit des Westens für die Menschen in der Ukraine anfühlt: „Die Leute können nicht mehr“, beklagt sie. „Jeder Tag kostet so unfassbar viel!“ Und sie spricht die Frage aus, auf die auch Anne Will eine Antwort finden will und die sich derzeit viele stellen: „Welche Strategie, welche Zielsetzung“ steckt hinter der Politik des Bundeskanzlers? Olaf Scholz‘ Entscheidung, diese nicht zu kommunizieren, sei inzwischen ein „gigantisches Problem“, befindet die Publizistin.

Scholz’ Ukraine-Kommunikation in der Kritik: Kühnert sauer – „Liefern keine Knallerbsen“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert reagiert auf die Kritik am Bundeskanzler gereizt: „Es scheint der Wunsch im Raum zu stehen“, kommentiert der SPD-Mann in bissigem Tonfall, „jetzt immer zwischendurch Wasserstandsmeldungen abzugeben“, weil man angeblich nicht in den Kopf des Bundeskanzlers gucken könne. Kühnert faucht an anderer Stelle: „Bitte nicht wieder mit der Diskussion anfangen, dass wir uns selbst einreden, dass wir Knallerbsen in die Ukraine liefern!“

Beides seien falsche Analysen, findet der SPD-Generalsekretär und verteidigt den Parteikollegen: „Olaf Scholz hat durchaus in den letzten Monaten immer wieder dargelegt, was die Parameter sind, an denen er seine Entscheidungen orientiert“, so Kühnert und nennt vor allem das gemeinsame Vorgehen mit den USA als Priorität von Scholz’ Kanzlerschaft.

Ukraine vor langem Stellungskrieg? „Qualität gegen Quantität“

Weisband bleibt bei ihrer Forderung: „Was ich möchte, ist, dass er seine Strategie, seine Zielsetzung sagt!“ Für sie sehe es derzeit nicht danach aus, dass das Ziel der USA und Deutschlands darin liegt, „dass dieser Krieg so schnell wie möglich endet!“ Vielmehr scheine ihr, so Weisband angefasst, das Ziel sei, dass dieser Krieg sogar möglichst lange dauere, vielleicht um Russland zu schwächen. Doch auch das spiele dem Aggressor in die Hände, der bereits angekündigt habe, aus der Ukraine ein „zweites Afghanistan“ machen zu wollen - einen sich über Jahrzehnte hinziehenden Stellungskrieg.

Anne Will möchte vom Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, eine Grundsatzfrage beantwortet haben: „Verkürzen Waffenlieferungen den Krieg oder verlängern sie ihn?“, fragt sie.

Masala stellt dazu erstmal grundsätzlich fest: „Wir werden nie in der Lage sein, so viel Material in die Ukraine zu liefern, dass sie numerisch den Russen überlegen ist“. Die Strategie des Westens sei es, „die qualitativ besseren Waffensysteme“ zu liefern, „Qualität gegen Quantität“, so der Professor, um die „Logik der Russischen Föderation zu durchbrechen“ und letztendlich zu Verhandlungen zu kommen.

Militär-Experte Masala räumt ein: „Waffenlieferungen verlängern den Krieg in der Ukraine“

Auf Wills Nachbohren gibt Masala der Diskussion Futter: „Ja, die Waffenlieferungen verlängern den Krieg“, gesteht er ein, dreht dann aber schnell den Spieß um: „Fehlende Waffenlieferungen hätten ihn verkürzt, weil die Russen dann gewonnen hätten.“ Es mag „zynisch klingen“, führt der Professor aus, „aber Waffenlieferungen retten mehr Menschenleben, weil sie den Ukrainern ermöglichen, Territorium zu halten und zu befreien.“

Kühnert weist auch zurück, dass es nicht genügend Unterstützung für die Ukraine gebe. Er verweist auf die „mittlerweile mehr als drei Milliarden Euro des militärischen Materials“, das Deutschland bereits geliefert habe. Und kann sich parteipolitische Kritik nicht verkneifen: „Wir haben viele Kräfte in der innenpolitischen Diskussion, die für den kleingeistigen innenpolitischen Geländegewinn bereit sind, wirklich Unfug zu erzählen!“, schimpft er. Dabei würden „auch Geheiminformationen preisgegeben“, behauptet der SPD-General. Es seien „Geheimschutzinformationen aus internen Gremien, aus dem Verteidigungsausschuss“ herausgegeben worden.

Kühnert bissig: „Das steht unter Strafe, aber trotzdem können einige das Wasser nicht halten!“ Masala kann sich einen Kommentar nicht verkneifen: „Vielleicht wäre es gut, wenn die SPD ihre Koalitionspartner mit Informationen besser versorgt, damit dieses Geschrei unter den Koalitionspartnern nicht so nach außen getragen wird.“ Und Weisband setzt noch eine Warnung ab: „Wir können den Krieg einfrieren“, so die Publizistin, „aber dann hat Putin die eroberten Gebiete, um von dort eine neue Invasion zu starten.“

Fazit des „Anne Will“-Talks

Der Krieg in der Ukraine dauert fast ein Jahr an, eine Lösung des Konfliktes ist nicht in Sicht. Die Sendung nährt den Verdacht, dass sich der Krieg noch lange hinziehen könnte - und der Westen mit seinen Verbündeten daran nichts ändern kann. Weniger - auch wenn Weisband das behauptet - dass er es nicht wolle. (Verena Schulemann)

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