Bahn lässt Ramsauer im Regen stehen

Berlin - Das Bahnchaos war schlimmer als öffentlich von Minister Ramsauer verkündet. Er verließ sich auf Angaben der Bahn. Die muss aufpassen, dass Ramsauer nicht die Geduld verliert.
Die Regierung will der Bahn nun eine Konzentration auf das Kerngeschäft verordnen. Hilfesuchend wendet sich Peter Ramsauer an den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse. Die Frage sei damit doch beantwortet.
Attacle auf Ramsauer
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Doch die SPD-Abgeordnete Marlies Volkmer lässt nicht locker: “Verfügen Sie als der zuständige Minister über die Pannen- und Ausfallstatistik der Deutschen Bahn? Ja oder Nein?“ Antwort Ramsauers: “Wir haben die Daten der Deutschen Bahn AG verwendet.“ Ramsauer wird am Freitag im Bundestag von der Opposition attackiert, auch weil er Volkmers Frage nicht wirklich beantwortet.
Er wehrt sich und nennt etwa den SPD-Abgeordneten Florian Pronold einen “Stockfisch“, der sonst seinen Mund nie aufbekomme. Aber der Minister muss sich bei allem Humor fragen lassen, warum er sich von der Deutschen Bahn Anfang Januar mit einer Statistik abspeisen ließ, die den Zeitraum 29. November - 31. Dezember 2010 im Regionalverkehr betrachtet und hier eine Pünktlichkeitsquote von 77,2 Prozent angab.
Bahnchaos am Heiligabend
Beim Fernverkehr wird eine solche Statistik erst gar nicht aufgeführt, sondern lapidar gesagt, dass die Pünktlichkeit der Fernverkehrszüge “tageweise unter 70 Prozent“ gelegen habe. “Das kann auch null Prozent bedeuten“, kritisiert der Verkehrsausschuss- Vorsitzende Winfried Hermann (Grüne).
Die Angaben der Bahn übernahm Ramsauer fast wortgleich für seinen Winterbericht, den er am Mittwoch dem Verkehrsausschuss des Bundestags vorlegte. Hermann betont, er hätte erwartet, dass der Minister nicht einfach kritiklos die “beschönigenden Angaben der Bahn“ übernimmt. Denn die Winterprobleme konzentrierten sich vor allem auf die letzten beiden Dezemberwochen - wenn die Bahn den ganzen Dezember als Bewertungszeitraum heranzieht, steigt die Quote, da Anfang des Monats nicht Schnee und Eis den Verkehr lähmten.
Die Bahn weist am Freitag den Vorwurf zurück, die Zahlen seien bewusst geschönt worden. Eine interne Bahn-Analyse kommt laut “Hannoverscher Allgemeiner Zeitung“ und “Tagesspiegel“ zu einem weit negativeren Ergebnis: In der Woche vom 13. bis 19. Dezember waren demnach weniger als die Hälfte (40,3 Prozent) aller Fernzüge pünktlich. In der Woche darauf soll es mit 29,8 Prozent nicht einmal ein Drittel gewesen sein.
Ramsauer, ohnehin schon reichlich von der Bahn enttäuscht, dürfte nicht gefallen, dass das Unternehmen intransparent informiert. Er wird nun daran gemessen werden, ob er die Bahn wirklich wetterfester macht. Bisher sind die Pläne noch vage. Ramsauer will mehr Geld in das Netz stecken, neue Züge anschaffen und die Werkstätten aufrüsten lassen.
Die Regierung lässt erkennen, dass sich die Bahn vorerst von hochtrabenden Expansionsplänen im Ausland verabschieden kann. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi gibt Ramsauer noch mal mit auf den Weg, was alles seit Mitte der 90er Jahre schief gelaufen ist: Von 1995 bis 2010 seien die Mitarbeiterzahl halbiert, mehr als 2000 Bahnhöfe vor allem im Osten geschlossen, das Schienennetz um 9000 Kilometer gekürzt und Zehntausende Schalter geschlossen worden.
Einig sind sich alle Parteien, dass die Bahn eine Konzentration auf ihr Kerngeschäft verordnet werden muss, zudem könnten Netz und Betrieb getrennt werden. Ramsauer macht klar: Die Zeit der Ausreden und des Kaputtsparens bei der Bahn ist vorbei. Und die Börsenträume sind mit Ramsauer vorerst nicht zu realisieren.
Von Georg Ismar