Nach Eklat um Wahlkampf-Manager: SPD kürt Niederbayerin mit „wunderschönem Akzent“ zur Nachfolgerin

Die Bayern-SPD will bald „regieren“. Ein Fehlstart ins Wahljahr macht das wohl nicht einfacher. Eine Niederbayerin und ein „waschechter Franke“ sollen es richten.
München – Die SPD ist mit unangenehmen Turbulenzen ins Jahr der Bayern-Wahl gestartet: Ausgerechnet Generalsekretär Arif Tasdelen – und damit der Wahlkampfmanager – ist den Genossen von der Fahne gegangen. Ein Mitgrund waren eher pikante Vorwürfe. Nun hat die Bayern-SPD die Nachfolgerin gefunden.
Der Landesvorstand habe Ruth Müller „fast einstimmig“ zur kommissarischen Generalsekretärin gekürt, sagte Landeschef und Spitzenkandidat Florian von Brunn am Freitagvormittag (13. Januar). Müller sei „eine starke und selbstbewusste Frau“, mit inhaltlichen Schwerpunkten bei Umwelt, Landwirtschaft, aber auch einem Ohr am Alltagsleben der Bayern, erklärte seine Co Ronja Endres. Zudem handle es sich um eine Niederbayerin „mit wunderschönem bairischem Akzent“, scherzte sie. Müllers Stellvertreter wird der Politiker Nasser Ahmed aus dem Nürnberger Stadtrat.
Bayern-Wahl: SPD muss nochmal umstellen – General Tasdelen geht nach Eklat
Müller und Ahmed erben keine leichte Aufgabe. Der jüngste „Bayern-Trend“ des BR sah die SPD im einstelligen Bereich. Für die Neubesetzung hatten die beiden Landesvorsitzenden in den vergangenen Tagen viele Gespräche geführt, über die Personalsuche war zunächst aber nichts an die Öffentlichkeit gelangt.
Müller selbst betonte, sie wisse um die Sorgen der Menschen im ländlichen Raum. Sie kenne zwischen ihrem Wohnort Pfeffenhausen und Landshut „jedes Funkloch persönlich“. „Ich weiß, wie es ist, wenn man 25 Kilometer zum nächsten Bahnhof hat, ich weiß, wie es ist, wenn abends der letzte Bus um 19 Uhr in die Stadt reingeht“, erklärte sie. Ihre „Atomkraft, nein danke!“-Fahne habe sie noch nicht eingemottet, betonte sie zugleich mit Blick auf die Debatte um AKW-Laufzeitverlängerungen.
Ahmed sprach von einem neuen „Tandem“ mit Müller. Er sei „waschechter Franke“, sagte der Nürnberger. Nun komme „Stadt und Land“, „Frau und Mann“, „weiß und schwarz“ zusammen. Er wolle unter anderem die „Abteilung Attacke“ verstärken. Aus Nürnberg kenne er Ministerpräsident Markus Söders (CSU) Arbeitsweise bestens: Am Ende bleibe davon meist nur „heiße Luft“. „Diese Staatsregierung versagt bei der Migrationspolitik“, rügte er etwa. Von Brunn weitete die Vorwürfe auf „die konservativen Parteien“ und zitierte etwa den Militär-Experten Carlo Masala.
Müllers Vorgänger Tasdelen hatte am Mittwoch nach nicht mal zwei Jahren sein Amt hingeschmissen. Er reagierte damit auf parteiinterne Vorwürfe. Er habe sich jungen Frauen gegenüber unangemessen - aber nicht irgendwie strafrechtlich relevant - verhalten, hieß es. Tasdelen begründete den Schritt mit der hohen Belastung für ihn und seine Familie. Zugleich betonte er, die SPD solle durch die Neubesetzung „ohne Ablenkung in dieses so wichtige Landtagswahljahr“ starten können.
Bayern-SPD vor der Wahl in Schwierigkeiten: Neuer Generalsekretärin will „neun Monate nutzen“
In einem Fall soll Tasdelen aufdringlich nach der Handynummer einer jungen SPD-Kandidatin gefragt haben. Tasdelen hatte daraufhin zunächst angekündigt, künftig achtsamer zu formulieren und an einem sogenannten Awareness-Training teilzunehmen.
So oder so: Die Bayern-SPD steht vor einer Mammutaufgabe. Auch ein Kanzler-Bonus ist vor der Landtagswahl im Oktober bislang nicht zu erkennen. Stattdessen scheint sich die „Bayern-Koalition“ um Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf eine weitere Amtszeit zusammen einzustimmen.
„Wir wollen regieren“, sagte Co-Landesvorsitzende Ronja Endres dennoch im Oktober bei der Kür des SPD-Spitzenkandidaten. Richten soll es ihr Vorsitz-Kollege Florian von Brunn. Er wies am Vormittag auf eine neue Insa-Umfrage hin, derzufolge die SPD nun im zweistelligen Bereich und vor den Freien Wählern rangiere – und warnte CSU und Freie Wähler vor einem migrationsfeindlichen Wahlkampf. „Ich bin eine Frau und ich weiß, was ‚neun Monate‘ bedeutet“, sagte Müller selbst mit Blick auf den Wahltermin. In dieser Zeit lasse sich „viel erreichen“. (fn/dpa)