Update vom 24. Januar, 19.30 Uhr: Bodo Ramelow hat sich mit einiger Verspätung für seine umstrittenen Äußerungen in der App Clubhouse entschuldigt - allerdings nur einen Aspekt betreffend: Just in der App habe ihn „eine kluge Frau“ auf seinen eigentlichen Fauxpas hingewiesen, twitterte der Thüringer Ministerpräsident am Abend. „Den Namen der Bundeskanzlerin zu verniedlichen war ein Akt männlicher Ignoranz. Dafür meine ehrliche Bitte um Entschuldigung.“
Ramelow hatte in der fraglichen Talkrunde am Wochenende Kanzlerin Angela Merkel „Merkelchen“ genannt. Die Kritik an Ramelow riss allerdings auch im Laufe des Sonntags nicht ab. Gerügt wurde unter anderem Ramelows Versuch, sich grundsätzlich gegen Zitate aus den „Clubhouse“-Runden zu wehren. Der Ministerpräsident habe „die Zahnpasta nicht zurück in die Tube“ bekommen, witzelte das Medien-Portal turi2. Tatsächlich untersagen die AGB der App Zitate ohne Erlaubnis der Zitierten - der bekannte Medienexperte Daniel Bouhs wies allerdings in einem Tweet auch auf die Freiheit der Berichterstattung hin.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker nahm hingegen Bezug auf ein weiteres Posting Ramelows - und erklärte, wenn Ramelow mehr Zeit für das Spiel „Candy Crush“ benötige, könne ihm „geholfen“ werden: Mit einer Abwahl bei der Landtagswahl im September. Der Thüringer Ministerpräsident hatte in dem ominösen Talk auch berichtet, er spiele während Corona-Gipfeln teils ausdauernd das App-Game.
Erstmeldung vom 24. Januar, 17.50 Uhr: Erfurt - Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist mit einer Talk-Plauderei über die Corona-Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel* (CDU) in die Kritik geraten. Der Linke-Politiker hatte in dem Format der neuen App Clubhouse berichtet, dass er sich bei den oft stundenlangen Videoschalten der Ministerpräsidenten mit Merkel mit dem Smartphone-Spiel „Candy Crush“ entspannt. Zu späteren Behauptungen, er habe die Kanzlerin in der Talkrunde als „Merkelchen“ bezeichnet, sagte er der dpa, es seien Versatzstücke aus dem Kontext gerissen worden.
Thüringens CDU-Chef Christian Hirte warf Ramelow Respektlosigkeit und Verantwortungslosigkeit vor. „Entweder ist es Ausdruck von Arroganz der Macht oder Amtsmüdigkeit“, schrieb Hirte am Sonntag bei Twitter. Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gehe es um Leben und Tod sowie um Existenzen und die Zukunft einer Schüler-Generation. „Wer sein Amt als Ministerpräsident so versteht, verspielt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger“, schrieb Hirte.
Die Thüringer FDP-Fraktion bezeichnete Ramelows Agieren in der Corona-Pandemie als chaotisch. „Ramelow verbringt in den entscheidenden Beratungen seine Zeit lieber mit Daddeln“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer FDP-Fraktion, Robert-Martin Montag.
Über den Auftritt des 64-Jährigen in der Clubhouse-Talkrunde hatte zuvor die Welt am Sonntag berichtet. Ihr zufolge sagte Ramelow in der Runde in der Nacht zu Samstag, er schaffe bei den Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel bis zu zehn Candy-Crush-Level.
Der dpa sagte Ramelow: „Die einen spielen Sudoku, die anderen spielen auf ihren Handys Schach oder Scrabble, und ich spiele Candy Crush.“ Das sei für ihn eine Methode zu entspannen. Bei den teils zehn Stunden langen Marathon-Sitzungen mit häufigen Unterbrechungen sei dies kein Aufreger. Es sei auch kein Geheimnis.
Das Thema der Clubhouse-Runde sei „Trash und Feuilleton“ gewesen. „Wenn man über Trash redet, dann ist es trashig“, sagte Ramelow. Wenn man das in einer anschließenden Debatte weglasse, finde er das komisch. „Wenn man daraus eine tiefernste Sache macht, dass es zeigt, wie die Politiker denken, wenn sie privat sind - das finde ich schwierig“, sagte Ramelow, der sehr affin für neue Medien ist und ihre unterschiedlichen Kanäle gerne für seine Kommunikation nutzt.
Clubhouse ist eine Social-Media-App aus den USA, die in Deutschland derzeit einen Hype erlebt. Man kann sich damit an Talkrunden beteiligen, es gibt aber auch geschlossene Gesprächsrunden. Sehen kann man sich in der App nicht, weil es ein Audio-Format ist.
Organisiert hatte die Runde, in die sich Ramelow dann einklinkte, die 19 Jahre alte SPD-Nachwuchshoffnung Lilly Blaudszun aus Mecklenburg-Vorpommern, zusammen mit fünf Freundinnen und Freunden. Es ging um Promis, Klatsch und Tratsch, wie sie der dpa berichtete. „Dann kam auf einmal Bodo Ramelow dazu, völlig ungeplant.“ Als er und andere Politiker dabei waren, sei grundsätzlich gesagt worden, dass dies kein Raum sei, um über politische Inhalte zu diskutieren. Es sei von Anfang an als „Trash Talk“ bezeichnet worden und habe auch auf der Ebene bleiben sollen.
Mit Blick auf Clubhouse äußerte Ramelow Datenschutzbedenken, weil Nutzer dazu aufgefordert würden, Zugriff auf ihre Kontakte zu erlauben. Auch, dass es die App bislang nur für iPhone-Nutzer gebe, stört ihn. „Und das darf nicht so bleiben, sonst wird das nicht mein Medium, wenn das so elitär bleibt.“
Trotz der Kritik an seinem Auftritt bei der Audio-App kann sich Ramelow die Teilnahme an weiteren solchen Talkrunden vorstellen. „Ich habe da auch zwei andere Nummern einfach als Zuhörer begleitet und fand das total spannend, junge Leute zu hören, die bestimmte Fragen debattieren“, sagte er.
Blaudszun wünschte sich, dass die Diskussion über Ramelows Beitrag sachlicher verlaufe. Natürlich könnten seine Aussagen kritisiert werden, aber gleichzeitig solle man sich auch überlegen, welche Rolle der Journalismus auf dieser Plattform spiele. Es sei ein Unterschied, ob ein Politiker an einer solchen Diskussion teilnehme oder einem Journalisten ein Interview gebe. Jeder solle sich überlegen, was die eigene Rolle auf der Plattform sei - sie als Moderatorin könne keine Verantwortung dafür übernehmen.
Der Thüringer Ministerpräsident verteidigte sich am Sonntag auch noch einmal auf Twitter - stieß dabei allerdings erneut auf Kritik. „Es wäre schön, wenn es keine stundenlange Debatten mehr über Pandemieabwehr gäbe. Dann könnte ich wieder lange Autofahrten oder nervige Parteitage nutzen“, schrieb er als Antwort auf einen Solidaritäts-Tweet seines Parteigenossen Stefan Liebich. „Man stelle sich die arbeitsrechtlichen Konsequenzen eines „normalen“ Arbeitnehmers vor, der während seiner Arbeitszeit stundenlang Candy Crush spielt“, lautete eine der Antworten.
Ramelow selbst äußerte sich am Wochenende auch über traditionelle Kanäle zum Stand der Corona-Pandemie - und zeigte Verständnis für die Ungeduld der Bürger. „Ich wäre gerne längst bei meinem Friseur gewesen und bei meiner Fußpflege“, sagte der Linke* der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Er glaube sogar, dass das Risiko in den Salons gering sei. Das sei aber nicht das Argument: „Ein Hauptfaktor, warum wir zu diesen Lockdowns kommen, ist auch die Reduzierung von Mobilität.“ (dpa/fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.