Update vom 13. November, 15.30 Uhr: Die britischen Konservativen von Premierminister Boris Johnson sind nach dem teilweisen Rückzug von Kandidaten der Brexit-Partei aus dem Wahlkampf im Umfragehoch. In einer aktuellen Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der „Times“ führten die Tories mit einem Vorsprung von 14 Prozentpunkten vor der der oppositionellen Labour-Partei.
Die Konservativen kämen demnach derzeit auf 42 Prozent der Stimmen, während Labour nur bei 28 Prozent läge. Könnten die Tories diesen Vorsprung bis zum Wahltag am 12. Dezember halten, wäre eine satte Mehrheit für Johnson wahrscheinlich. Weniger freuen dürfte den Premier aber die Tatsache, dass auch die Labour-Partei von dem teilweisen Verzicht der Brexit-Partei profitierte, wenn auch nicht so stark wie die Konservativen. Ein möglicher Konkurrent könnte nun in Wales dazukommen. Mister „Stop Brexit“ wird in Englands Nachbarland zur Wahl antreten.
Mister "Stop Brexit" will ins britische Unterhaus: Der für seine Zwischenrufe bekannt gewordene Brexit-Gegner Steve Bray kandidiert für die pro-europäischen Liberaldemokraten bei der britischen Parlamentswahl in einem Monat. Er tritt im Wahlbezirk Cynon Valley in Wales an, in der Nähe seiner Heimatstadt Port Talbot. Bislang war der Bezirk allerdings eine Hochburg von Labour. Die Liberaldemokraten holten dort bei der vergangenen Parlamentswahl lediglich 585 Stimmen.
Dennoch handelt sich nach Angaben von Parteichefin Jo Swinson um eine ernstzunehmende Kandidatur. "Er ist ein begeisterter Wahlkämpfer." Sie sei sich sicher, dass Bray seine Energie in die Kampagne in Wales einbringen werde.
Bray wurde landesweit bekannt, weil er seit mehr als zwei Jahren vor dem Parlament auf vorbeilaufende Abgeordnete oder Live-Übertragungen im Fernsehen lauert, um dann lauthals "Stop Brexit" zu brüllen. Nach eigenen Angaben war er in der Vergangenheit ein Wechselwähler, entschied sich nun aber wegen der Position der Liberaldemokraten zum britischen EU-Austritt für die Partei.
Die Liberaldemokraten lehnen den Brexit ab und unterscheiden sich damit deutlich von Labour und den Konservativen. Labour spricht sich für ein zweites Brexit-Referendum aus, die Tories von Premierminister Boris Johnson drängen auf einen möglichst schnellen EU-Austritt.
Update vom 12. November: Die oppositionelle britische Labour-Partei ist nach eigenen Angaben Opfer eines komplexen und großangelegten Cyber-Angriffs geworden. „Wir haben rasch gehandelt, und diese Versuche sind an unseren robusten Sicherheitssystemen gescheitert“, sagte eine Labour-Sprecherin am Dienstag. Die Wahlkampfaktivitäten der britischen Sozialdemokraten seien aber durch den Angriff teilweise eingeschränkt worden. Zu einem Abfischen von Daten kam es nach Einschätzung der Partei aber nicht. Großbritannien befindet sich mitten im Wahlkampf, am 12. Dezember sollen die Briten ein neues Parlament bestimmen.
Labour-Chef Jeremy Corbyn zeigte sich besorgt über den Vorfall, der sich bereits am Montag ereignet haben soll. „Wenn das ein Vorbote dessen ist, was in dieser Wahl noch kommt, bin ich sehr beunruhigt“, sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Blackpool im Nordwesten Englands. Eine Cyber-Attacke auf eine Partei während des Wahlkampfs sei verdächtig, so Corbyn.
Das Nationale Zentrum für Cybersicherheit in Großbritannien (NCSC) teilte mit, der Angriff sei nicht erfolgreich gewesen und nun beendet. „Wir haben Systeme, um Wahlbetrug auf allen Ebenen vorzubeugen, und bislang gab es keine erfolgreiche Cyber-Intervention in die demokratischen Prozesse des Vereinigten Königreichs“, hieß es in einer Mitteilung.
Laut NCSC handelte es sich um einen sogenannten DDOS-Angriff. Bei solchen Attacken werden Server mit einer Flut sinnloser Anfragen von gekaperten Rechnern in die Knie gezwungen. Die Urheber sind in solchen Fällen nur sehr schwer festzustellen. Die BBC berichtete unter Berufung auf eine Labour-Quelle, die Störungen seien von Computern in Russland und Brasilien gekommen, doch das bedeutet nicht, dass der Angriff auch aus diesen Ländern gesteuert wurde.
Über das Ausmaß der Attacke äußerten sich die Experten nicht. Die britische Nachrichtenagentur PA berichtete jedoch unter Berufung auf eine NCSC-Insiderquelle, der Angriff sei auf relativ niedrigem Niveau gewesen. Hinweise auf einen staatlichen Akteur dahinter gebe es keine.
Update vom 11. November, 16.00 Uhr: Der Chef der Brexit-Partei Nigel Farage will bei der Parlamentswahl am 12. Dezember nun doch nicht in fast allen britischen Wahlkreisen antreten. „Die Brexit-Partei wird sich nicht um die 317 Mandate bewerben, die bei der vergangenen Wahl von der Konservativen Partei gewonnen wurden“, sagte Farage am Montag bei einer Wahlkampfveranstaltung in der nordostenglischen Hafenstadt Hartlepool. Stattdessen wolle sie sich ganz auf die Wahlkreise konzentrieren, die von Labour und pro-europäischen Parteien vertreten werden.
Bis vor Kurzem hatte Farage einen Wahlpakt mit den Tories von Premierminister Boris Johnson ausgeschlossen, solange die sich nicht zu einem EU-Austritt ohne Abkommen bekennen. Johnson hofft bei der Wahl auf eine stabile Mehrheit, um seinen nachgebesserten Brexit-Deal durchs Unterhaus zu bringen. Den hatte Farage bislang abgelehnt mit der Begründung, es handele sich nicht um einen „echten Brexit“. Konservative Politiker fürchteten, die Konkurrenz von rechts könnte sie wichtige Stimmen kosten.
Ausgelöst hatte den Sinneswandel bei Farage nun angeblich eine Äußerung Johnsons. Der Regierungschef habe sich dazu bekannt, die künftigen Beziehungen mit der EU im Rahmen eines Freihandelsabkommens nach dem Vorbild Kanadas zu gestalten, sagte Farage. „Das hat für mich einen großen Unterschied gemacht.“ Bislang sei immer die Rede von einer engen und besonderen Partnerschaft gewesen. Doch er stand Berichten zufolge auch unter heftigem Druck aus den eigenen Reihen.
Trotz ihrer Kritik an den Brexit-Plänen des britischen Premierministers Boris Johnson bevorzugt unterdessen die deutsche Wirtschaft bei der Parlamentswahl den konservativen Amtsinhaber. „Es ist ein Abwägen des „kleineren Übels““, sagte der Geschäftsführer der deutsch-britischen Handelskammer (AHK) in London, Ulrich Hoppe, der Deutschen Presse-Agentur. Grund sind die wirtschaftspolitischen Vorhaben der größten Oppositionspartei Labour von Jeremy Corbyn.
„Die Wirtschaft steht den Plänen einer Regierung Corbyn kritisch gegenüber“, sagte Hoppe. „Aufgrund der angekündigten Verstaatlichungen und Umverteilungen fallen Anreize weg. Damit wird die Wirtschaftskraft geschwächt“, sagte Hoppe. „Das bedeutet, dass viele Verbraucher mittelfristig sicherlich noch weniger Geld in der Tasche haben, um Waren zu kaufen - und darunter leiden dann natürlich auch die deutschen Unternehmen, die den Markt bedienen.“
Update vom 7. November, 15.31 Uhr: Schon zum Wahlkampf-Auftakt steht Labour-Chef Jeremy Corbyn in Großbritannien heftig unter Druck. Einerseits wurden Antisemitismus-Vorwürfe gegen Corbyn laut. Zudem trat der stellvertretende Labour-Vorsitzende Tom Watson zurück.
Außerdem schmieden drei kleinere Pro-EU-Parteien eine Wahlallianz. Rund um die Liberaldemokratin Jo Swinson, die Premierministerin werden will, bildet sich ein Block aus Grünen und der walisischen Plaid Cymbru. Gemeinsam will man eine Chance im Wahlsystem Großbritanniens haben, das nur Direktmandate kennt.
Update vom 6. November, 21.45 Uhr: Kurz nach Ende seiner Amtszeit hat der britische Ex-Parlamentspräsident John Bercow seine Neutralität aufgegeben und den geplanten EU-Ausstieg scharf verurteilt. „Ich denke, dass der Brexit der größte außenpolitische Fehler in der Nachkriegszeit ist, und das ist meine ehrliche Meinung“, sagte Bercow am Mittwoch bei einem Treffen mit Auslandskorrespondenten in London. Der Brexit werde sich nicht positiv auf das internationale Ansehen Großbritanniens auswirken. „Meine ehrliche Antwort ist, dass ich nicht denke, dass dies dem Vereinigten Königreich hilft.“
Bercow sagte: „Ich bin nicht mehr der ‚Speaker‘, ich muss nicht mehr unabhängig sein.“ Er betonte, dass er sich während seiner Amtszeit stets neutral verhalten und auch die Brexit-Befürworter stets fair behandelt habe. Er respektiere, dass der Premierminister versucht habe, eine Mehrheit für seinen Brexit-Deal zu bekommen.
Vor allem Brexit-Hardliner hatten dem 56-Jährigen allerdings vorgeworfen, sich parteiisch zu verhalten. Mehrmals setzte er sich über Konventionen hinweg, damit die Abgeordneten im Streit mit der Regierung die Oberhand behalten konnten. Bercow rechtfertigte das mit einem immer stärker autoritären Regierungsstil. Er hatte das Amt des „Speaker of the House of Commons“ zehn Jahre inne. Am Montag wurde der Labour-Politiker Lindsay Hoyle zu seinem Nachfolger gewählt.
Update vom 6. November, 15.21 Uhr: Neben Brexit-Chaos befindet sich Großbritannien im Wahlkampf. Zum Auftakt haben beide Parteien bereits heftig ausgeteilt. Der britische Premierminister Boris Johnson fand einen neuen Dreh, gegen die Labour-Partei zu schießen und beschuldigt die Opposition sich in Sachen Skripal-Affäre auf die Seite von Moskau und Wladimir Putin gestellt zu haben.
„Kommen Sie mit uns, einer Regierung, die glaubt, dass Großbritannien selbstbewusst in der Welt auftreten sollte“, sagte Boris Johnson am Mittwoch in einer Rede vor dem Regierungssitz Downing Street 10. „Oder halten Sie es mit Jeremy Corbyn und der Labour-Partei, die sich an die Seite von Putin gestellt haben, als Russland Giftattacken in den Straßen von Salisbury anordnete.“
Der ehemalige russische Doppelspion Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren im März 2018 Opfer eines Giftanschlags im englischen Salisbury geworden und überlebten nur knapp. Eine unbeteiligte Frau starb. Die Regierung in London hatte sich schnell darauf festgelegt, dass Moskau hinter dem Anschlag stecken müsse, während Labour-Chef Corbyn davor warnte, voreilige Schlüsse zu ziehen. Später wurden zwei Russen als mutmaßliche Täter identifiziert. Der Kreml streitet jegliche Beteiligung weiterhin ab.
Ursprungsartikel vom 6. November, 8.48 Uhr: London - Unter dem Glockenturm Big Ben sind in der Nacht zum Mittwoch für gut fünf Wochen die Lichter ausgegangen. Das britische Unterhaus wurde kurz nach Mitternacht (Ortszeit, 1.01 Uhr MEZ) aufgelöst. Am 12. Dezember sollen die Briten ein neues Parlament wählen. Zusammentreten sollen die Abgeordneten dann erstmals wieder am 16. Dezember.
Premierminister Boris Johnson will mit dem vorgezogenen Urnengang das Patt im Brexit-Streit auflösen. Ob ihm das gelingen wird, ist jedoch ungewiss. Obwohl seine Konservativen in den Umfragen führen, ist nicht ausgeschlossen, dass es wieder für keine der beiden großen Parteien für eine absolute Mehrheit reicht.
Zeitgleich mit der Parlamentsauflösung begann in Großbritannien die offizielle Wahlkampfperiode. Dafür gelten in dem Land strenge Auflagen für Parteispenden und Wahlwerbung. Unterdessen bereiten sich viele Briten auf steigende Preise hin, die durch höhere Importkosten entstehen könnten.
Wahlkampfmodus bei den britischen Parteien: Die Neuwahl soll im jahrelangen Streit um den Brexit eine Entscheidung herbeiführen. Der britische Premier Boris Johnson kündigte „massive Investitionen“ in das Gesundheitssystem, Bildung, Infrastruktur und Polizei an. Labour-Chef Jeremy Corbyn machte ihm in seiner ersten großen Wahlkampfrede am 5. November schwere Vorwürfe.
Johnson will mit einer neuen Mehrheit das von ihm mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen durch das Parlament bekommen. Seine konservative Tory-Partei hat vor der Neuwahl eine starke Ausgangsposition: Einerseits liegen sie in der Wählergunst mit 35 Prozent deutlich vor Jeremy Corbyns Labour-Partei (25 Prozent), andererseits begünstigt das britische Mehrheitswahlrecht die stärkste Partei. Dennoch bleibt der Ausgang der Wahl ungewiss.
Die Konservativen haben in der Brexit-Frage Konkurrenz von Nigel Farages neuer Brexit-Partei (elf Prozent), die das von Johnson mit der EU ausgehandelte Abkommen als Ausverkauf der britischen Interessen kritisiert. Außerdem ist der Labour-Chef Corbyn ein oft unterschätzter Wahlkämpfer. Äußerst selbstbewusst treten auch die Liberaldemokraten auf, die in den Jahren des Brexit-Streits in der Wählergunst zugelegt haben (18 Prozent). Sie wollen den Austritt Großbritanniens aus der EU verhindern.
Labour hat in der Brexit-Frage eine kompliziertere Position. Wenn die Mehrheitsverhältnisse dafür reichen, will Corbyns Partei das von Johnson ausgehandelte Abkommen überarbeiten und danach eine zweite Volksabstimmung abhalten, bei der die Briten ihr knappes Votum vom 23. Juni 2016 im Lichte des inzwischen vorliegenden Austrittsvertrags überdenken - und also auch für den Verbleib in der EU stimmen - könnten.
Unterdessen wirft die britische Opposition der Regierung vor, einen Bericht über eine mögliche Einmischung Russlands in das Brexit-Referendum 2016 zurückzuhalten. Der Brexit ist zudem ein Problem für Ursula von der Leyen - denn die EU-Kommissionspräsidentin kriegt von Boris Johnson wohl keinen Briten mehr ernannt.
Das Brexit Drama droht Großbritannien zu zerreißen. Während mit der Parlamentswahl in England über den Brexit abgestimmt wird, könnten die Schotten für ihre Unabhängigkeit wählen gehen. Am Donnerstag (9. Januar) soll das britische Unterhaus über das Brexit-Abkommen entscheiden. Eine Zustimmung gilt als sicher. Der Entwurf muss dann noch durch das Oberhaus.
Tragisches Unglück in London: Ein Mann raste am Abend in eine Gruppe Schüler. Dabei wurde ein Zwölfjähriger getötet.
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dpa/AFP/frs