Müde Merkel oder Wahlkampf-Maschine? Was Schulz erwarten darf

Berlin - Es wird ein Wahlkampf mit Emotionen und Provokationen. Martin Schulz legt vor. Kann Merkel kontern? Will sie das überhaupt? Die Erfahrung mit ihr ist eindeutig - glaubt zumindest die SPD.
Beim Karneval in Köln liegt die Kanzlerin schon käfergleich auf dem Rücken. Unmöglich für Angela Merkel, wieder auf die Beine zu kommen. Und das wenige Monate vor der Wahl. Noch schlimmer: Ihr Konkurrent von der SPD, Martin Schulz, schwirrt als Schmetterling - dieses Kribbeln im Bauch - über sie hinweg. Riesig sind die Politiker aus Pappmaché beim Rosenmontagsumzug - riesig auch die Herausforderungen in diesem Bundestagswahlkampf mit der ersten Kanzlerkandidatur für Schulz und der vierten für Merkel. Zu den Waffen gehören auch Provokation und Emotion. Doch viele fragen sich: Verfügt die CDU-Vorsitzende darüber?
Der Politikberater Michael Spreng, einstiger Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber (CSU), hat Angela Merkels Namenskürzel AM in MM umgewandelt: Müde Merkel. Sie wirke matt und schicksalsergeben. „Wieder antreten und nicht kämpfen - das geht gar nicht“, schreibt er in seinem Blog „Sprengsatz“. Wollte sie ihre Kanzlerschaft noch verteidigen, müsse sie emotionaler werden, ihre Politik besser erklären und Kampfeswillen ausstrahlen. So wie Schulz, der auf Emotionen setzt. „Bei Frau Merkel ist das schwierig“, sagt auch der Parteienforscher Oskar Niedermayer.
Merkel zeigt einmal Gefühle - schon wird es zum Bumerang
Tausendfach wurde Merkel schon als sachliche Naturwissenschaftlerin beschrieben, die oft verschwurbelt spricht - auch um Schärfe zu vermeiden und Zeit für Festlegungen zu gewinnen. Und ausgerechnet ihr wohl gefühlvollster politischer Einsatz - für Flüchtlinge - entwickelte sich zum Bumerang. Ihr Mantra „Wir schaffen das“, das auf Motivation und Vertrauen zielte, will kaum noch einer hören. Und Merkel nicht mehr sagen, wie sie selbst ankündigte. So könnte die Frage auch lauten, ob Merkel überhaupt Emotionen zeigen will.
Dass sie es kann, und auch humorvoll ist, stellt sie vor allem im kleinen und nichtöffentlichen Kreis unter Beweis. Etwa bei Gremiensitzungen der CDU oder in der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, wenn sie ihren internen Widersacher, CSU-Chef Horst Seehofer, auf die Schippe nimmt. Oder sich selbst. In großer Runde oder vor laufenden Kameras ist sie aber stets beherrscht.
Auch Niedermayer meint, Merkel müsse nun in die Gänge kommen. „Ich denke, dass der Wahlkampf spätestens mit der Nominierung von Martin Schulz eröffnet war. Und dass Frau Merkel jetzt langsam durchaus darauf einsteigen sollte“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Sie müsse jetzt auf Schulz eingehen.
Eine Kostprobe gab sie am Wochenende schon. Allerdings erzählt Merkel davon auch bereits seit Jahren: von dem Hadern der SPD mit der Agenda 2010. Es ist eine Steilvorlage für die Regierungschefin eines Landes, das durch Arbeitsmarktreformen des sozialdemokratischen Vorgängers Gerhard Schröder wirtschaftlich gestärkt wurde während andere Staaten ins Strudeln kamen.
Merkel lobt die Agenda 2010 - Schulz kritisiert Teile davon
Schulz fordert nun die teilweise Rücknahme der Agenda 2010. Merkel sagt: „Die Sozialdemokraten mögen sich bis heute zu dieser Erfolgsgeschichte nicht bekennen. Man hat den Eindruck, sie schämen sich sogar dafür.“ Freude bei der Union.
Aber die Parteivorsitzende sagt auch solche Sätze, ebenfalls am Wochenende: „Die Christlich-Demokratische Union ist die Partei, die gleichermaßen sagt, wir müssen uns überlegen, wie etwas erwirtschaftet wird, wie überhaupt Steuereinnahmen beim Staat ankommen und gleichzeitig überlegen, wie wir sie gerecht verteilen.“ Sagen. Überlegen. Das hört sich nicht nach Taten an.
In Zirkeln von CDU und CSU kursieren zwei Prognosen für die Wahl. „Ruhig bleiben“, sieben Monate bis zur Wahl seien eine lange Zeit, Schulz und seiner SPD werde noch die Luft ausgehen, auch die vorigen SPD-Kanzlerkandidaten seien mit tollen Umfrageergebnissen gestartet und bei der Wahl deutlich hinter Merkel und der Union gelandet. Die Kanzlerin werde das schon wieder schaukeln. Andere sind dagegen alarmiert. Der Thüringer CDU-Vorsitzende Mike Mohring etwa, der warnt, die bisherige Strategie der Demobilisierung des Gegners funktioniere nicht mehr. Die CDU müsse die eigene Wählerschaft aktivieren.
Ein Vorteil von Schulz mag sein, dass er sich schon jetzt voll in den Wahlkampf stürzen kann, weil er keinen anderen Job erledigen muss. Merkel steckt dagegen bis zum Sommer auch noch bis über beide Ohren in Regierungsarbeit. Aus der SPD-Führung verlautet derweil jedoch die Mahnung: Kein Genosse solle sich in Sicherheit wiegen. Merkel sei eine Wahlkampf-Maschine.
dpa