CDU-Schlagabtausch: Röttgen ist „kein Lager“, Laschet will deutsche Stahlwerke fürs Klima - und Merz „polarisiert“

Letzter Schlagabtausch vor der großen Entscheidung: Röttgen, Merz und Laschet haben sich am Freitag noch einmal „trielliert“ - dabei stets präsent: Die Grünen.
Update vom 10. Januar, 20.00 Uhr: Die scheidende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist nach eigener Aussage „bis heute zufrieden“ damit, auf die Kanzlerkandidatur verzichtet zu haben. „Es gibt Momente im Leben, in denen Sie kurz überlegen: Greife ich zu oder lasse ich es?“, sagte Kramp-Karrenbauer der Süddeutschen Zeitung. „Wenn man es dann nicht anpackt, bleibt oft der Gedanke, warum habe ich es damals nicht gemacht?“ Beim Parteivorsitz habe sie sich sofort gesagt: „Ich will.“ Bei der Kanzlerkandidatur habe sie für sich aber „am Ende entschieden, ich will es nicht zu 110 Prozent“, für das Kanzleramt würden 99 Prozent jedoch nicht reichen.
CDU-Schlagabtausch: Röttgen ist „kein Lager“, Laschet will deutsche Stahlwerke fürs Klima - und Merz „polarisiert“
Erstmeldung vom 8. Januar, 22.45 Uhr: Berlin - Eine Woche vor dem CDU-Parteitag zur Wahl des neuen Parteichefs haben die drei Bewerber bei einem letzten Schlagabtausch für sich geworben. Die Runde blieb allerdings vergleichsweise zahm: Bei der eineinhalbstündigen Live-Debatte am Freitagabend in der Berliner CDU-Zentrale vermieden Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen wie schon bei der ersten von der Partei organisierten Kandidatenrunde Mitte Dezember Konfrontationen. Bei den zentralen Diskussionsthemen Klimaschutz, innere Sicherheit und Außenpolitik zeigten sich kaum Unterschiede.
CDU-Wahlkampf: Letzte Debatte vor dem Parteitag - Röttgen will „alle“ vertreten, Laschet verweist auf Wahlsieg
Zum Abschluss der Runde konnten die drei Kandidaten in zweiminütigen Beiträgen in der live im Fernsehen übertragenen Debatte noch einmal direkt für sich werben. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet* setzte dabei vor allem auf seine Regierungserfahrung. Er habe sich nicht zehn Monate in den Wettbewerb um den CDU-Vorsitz begeben können, weil er in der Corona-Pandemie Entscheidungen habe fällen müssen, sagte er mit Blick auf seine Kontrahenten, den ehemaligen Unionsfraktionschef Merz und den Ex-Umweltminister und jetzigen Unions-Außenpolitikexperten Röttgen*.
Er bringe „Regierungserfahrung“, die „Leitung eines großen Landes“ und den „Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen“ mit, warb Laschet für sich. Es sei außerdem sicher nicht schädlich, dass er schon mal eine Wahl gewonnen habe. Der NRW-Landeschef hatte zuletzt in den Umfragen deutlich aufgeholt.
CDU-Vorsitz: Expertin sieht Laschet als Fortführung der Merkel-Jahre - Merz „polarisiert“
Merz sagte, Deutschland stehe vor großen Aufgaben, aber auch auf einem festen Fundament. Es gehe darum, den Aufbruch zu wagen und Erneuerung zu ermöglichen. Er habe insbesondere Vorschläge gemacht für eine „ökologische Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft“, einen „neuen Generationenvertrag“. Die CDU müsse „Europapartei“ bleiben und den Anspruch haben, „Volkspartei der Mitte“ zu sein.
Der CDU-Außenpolitikexperte Röttgen stellte sich als Alternative zu Laschet und Merz dar. „Ich bin kein Lager, ich stehe für alle“, sagte Röttgen. Er stehe für ein klares Modernisierungsprofil: Die CDU müsse „weiblicher, jünger und digitaler“ werden.
Die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele urteilte im Sender Phoenix nach der Runde, Laschet habe sich als Kandidat für die Fortsetzung des Kurses von Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel positioniert, Röttgen hingegen als Vertreter einer „modernen“ CDU. Merz habe hingegen polarisiert - er habe seine Klientel angesprochen, sei darüber aber auch nicht hinausgegangen.
CDU schielt auf Grüne: Röttgen schließt Tempolimit nicht kategorisch aus - Laschet überrascht mit Stahlwerk-These
Die größten Unterschiede zwischen den Kandidaten zeigten sich noch beim Thema Klimaschutz. So warnte Laschet davor, die deutsche Industrie durch überzogene Klimaschutzmaßnahmen zu ruinieren. Wer Stahl- oder Chemieindustrie im Land halten wolle, müsse für bezahlbaren Strom sorgen. „Wenn die Stahlindustrie abwandert nach China und da den Stahl produziert, ist dem Weltklima nicht gedient. Ein Stahlwerk in Duisburg ist ein Beitrag zum Weltklima“, sagte Laschet.
Röttgen plädierte für einen ambitionierteren Kurs. „Wenn wir in dem Denken bleiben, werden wir den Klimaschutz nicht erreichen, den Klimawandel nicht stoppen, und wir werden die Zukunft der Industrie und der Wirtschaft aushöhlen.“ Er sprach sich zudem prinzipiell zwar gegen ein Tempolimit aus - stellte allerdings auch klar, dass es sich dabei um keine unverrückbare Glaubensfrage handele.
Alle drei Kandidaten setzten sich bei der Klimapolitik in betont moderaten Tönen von den Grünen - die in diesem Jahr selbst Kanzlerambitionen hegen - ab. „Wir sind grundsätzlich eher auf der freiheitlichen Seite unterwegs und sind nicht der Meinung, dass wir die Menschen - weder in der Landwirtschaft noch auf der Verbraucherseite - ständig bevormunden und regulieren müssen“, sagte Merz. Laschet vermisste bei den Grünen „das Gespür für die soziale Frage und das Gespür für das Industrieland Deutschland“. Röttgen sagte, das Alleinstellungsmerkmal der CDU müsse es sein, klimapolitische Glaubwürdigkeit zu verbinden mit „marktwirtschaftlicher Kompetenz und Technologieoffenheit“.
Laschet will mit Kanzler-Kür noch warten - und kassiert schmerzliche Umfrage-Schlappe in NRW
Die drei Kandidaten werben sei Monaten um Zustimmung. Der für die Wahl vorgesehene Parteitag musste wegen der Corona-Pandemie zweimal verschoben werden. Am Freitag und Samstag kommender Woche* sollen nun 1001 Delegierte auf einem reinen Digital-Parteitag entscheiden, wer die Nachfolge der scheidenden Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer antritt. Die Wahl auf dem zweitägigen Parteitag ist für Samstag kommender Woche geplant.
Der Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl im Herbst soll allerdings erst später in Abstimmung mit der CSU bestimmt werden. Eine Entscheidung dürfte erst im Frühjahr fallen - nicht nur Laschet plädiert für ein Abwarten*. Spekuliert wird schon seit langem, ob der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder für die Union ins Rennen geht. Berichten zufolge soll auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seine Chancen auf eine Kanzlerkandidatur ausgelotet haben*; bei der Entscheidung über den CDU-Vorsitz bildet Spahn ein Team mit Laschet.
Laschet reagierte am Freitagabend gelassen. Formal sei eine Kandidatur von Spahn zwar noch möglich, sagte er. „Ich glaube nicht, dass er das tut. Ich glaube seinem Wort, dass er im Team steht. Und insofern mache ich mir da keine Sorgen“, sagte Laschet. Allerdings musste er am Freitag auch ein schmerzhaftes Umfrage-Ergebnis zur Kenntnis nehmen: Nirgendwo in Deutschland ist das Vertrauen in die eigene Landesregierung so gering wie in Nordrhein-Westfalen. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zufolge vertrauen dort nur 43 Prozent der Menschen ihrer Regierung, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete. (AFP/dpa/fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.