Senioren empfinden bisher keinen Impfdruck. Sie kommen schlicht nicht mit Corona oder Impfkampagnen in Berührung.
Laut Caixin lasse sich daher ein interessanter Effekt beobachten: In Städten, in denen es einen Corona-Ausbruch gibt, nehme die Impfbereitschaft der Alten plötzlich rapide zu. Doch oft steht dann ausgerechnet Chinas Null-Corona-Politik einer schnellen Impfung im Wege. „Die Beamten, die mit der Verbesserung der Impfraten beauftragt sind, sind in der Regel dieselben, die im Falle eines Ausbruches dafür sorgen müssen, dass die Lage schnell wieder unter Kontrolle gebracht wird“, schreibt Caixin. Sprich: Das Personal an Impfzentren wird zum Beispiel für die in vielen Städten laufenden Massentests abgezogen. Derzeit kämpfen mehr als 20 Provinzen mit aktuen Ausbrüchen. Die Arbeit vieler Mediziner hat sich dadurch eben von Impfungen auf Tests verlagert. Einige Regionen haben laut Caixin ihre Impfkampagnen sogar ganz auf Eis gelegt.
Wissenschaftler der Fudan-Universtiät kommen in einer neuen Studie zu einem klaren Ergebnis. Laut ihrer Analyse, die diese Woche das Wissenschaftsmagazin Nature Medicine veröffentlichte, könnte es innerhalb von sechs Monaten 112 Millionen symptomatische Ansteckungen und bis zu 1,5 Millionen Tote geben, sollte China seine Null-Corona-Politik von heute auf morgen komplett aufgeben . Die Intensivstationen würden überrollt: Der Bedarf wäre 15,6 Mal höher als die Kapazität. Im schlimmsten Fall hätte die sehr ansteckende Omikron-Variante das Potenzial, zu 5,1 Millionen Einlieferungen in Krankenhäuser zu führen. 1,5 Millionen Menschen könnten sterben.
Die Forscher zeigen aber auch auf, wie die Zahl der Toten und Erkrankten bei einer angepassten Strategie reduziert werden könnte. Eine „Schlüsselrolle“ spielten dafür Impfungen – darunter Booster und Kampagnen für ältere Menschen über 60, sowie antivirale Therapien und Kontaktbeschränkungen. Es müsse eine Kombination geben, weil keiner der Vorschläge allein in der Lage wäre, die Todeszahl auf das Niveau üblicher Grippewellen (88 000 Tote) zu drücken, schreiben die Autoren. „Ob oder wie lange eine Null-Covid-Politik aufrechterhalten werden kann, ist fraglich.“
Von Jörn Petring und Gregor Koppenburg.
Jörn Petring und Gregor Koppenburg leben seit einigen Jahren als freie Autoren in Peking. Seit Anfang 2021 berichten sie von dort auch für China.Table.
Dieser Artikel erschien am 16. Mai 2022 im Newsletter China.Table Professional Briefing – im Zuge einer Kooperation steht er nun auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.