Chodorkowski legt Berufung ein - Haft für Nemzow

Moskau - Empörung im Westen über das Urteil für Putin-Gegner Chodorkowski. Russland weist aber alle Kritik zurück. Bei gewaltsam aufgelösten Protesten kam es zu Festnahmen.
Nach der umstrittenen Verurteilung des russischen Kremlkritikers Michail Chodorkowski (47) zu 14 Jahren Haft hat die Verteidigung Berufung eingelegt. "Die Urteilsbegründung liegt uns zwar noch nicht vollständig vor, aber wir wollten wegen der anstehenden Feiertage die Frist nicht versäumen", sagte Anwältin Karina Moskalenko. Das Strafmaß für den Erzfeind des Regierungschefs Wladimir Putin stößt international auf Kritik. Das Urteil "lasse ernste Fragen über die selektive Anwendung des Gesetzes aufkommen", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Moskau wies dies zurück. Die Gerichte seien unabhängig, betonte Außenminister Sergej Lawrow.
Bei gewaltsam aufgelösten und nicht genehmigten Protesten von Regierungsgegnern in Moskau und St. Petersburg kam es am Silvesterabend zu etwa 120 Festnahmen. Im Eilverfahren wurde Ex-Vize-Regierungschef Boris Nemzow am Sonntag zu 15 Tagen Haft verurteilt. Der 51-Jährige gilt als einer der einflussreichsten Führer der außerparlamentarischen Opposition.
Nemzow sei nach vierstündiger Verhandlung schuldig gesprochen, Widerstand gegen die Polizei geleistet zu haben. Das meldete die Agentur Interfax. Nemzow bezeichnete seine Festnahme als Beispiel für Polizeiwillkür. "Ich saß zwei Tage lang in einer fensterlosen, rund 1,5 mal 2 Meter kleinen Beton-Zelle ohne Matratze."
Zuvor waren bereits zwei andere bekannte Regierungskritiker zu 15 und zu 10 Tagen Haft verurteilt worden. In Russland demonstrieren Menschenrechtler und Kremlgegner traditionell am 31. eines Monats. Sie verweisen damit auf die in Artikel 31 der russischen Verfassung verankerte Versammlungsfreiheit.
Das Chodorkowski-Urteil sorgt auch in der EU für Empörung. "Die Vorwürfe über Unrechtmäßigkeiten während des Prozesses sind Anlass zu ernster Sorge und Enttäuschung", sagte die Außenbeauftragte Catherine Ashton. Lawrow sagte dagegen, Russlands Gerichte seien "weder von ausländischen noch von russischen Behörden abhängig". Jeder Verurteilte könne Widerspruch einlegen.
Ein Moskauer Gericht hatte am Donnerstag verkündet, dass Chodorkowski und sein Ex-Geschäftspartner Platon Lebedew wegen Unterschlagung von rund 200 Millionen Tonnen Erdöl sowie Geldwäsche bis 2017 hinter Gittern bleiben müssen. Das Urteil wird mit einer früheren Haftstrafe verrechnet. Chodorkowski, einst reichster Mann des Landes, sitzt seit 2003 im Gefängnis. Die Bundesregierung bezeichnete das Urteil als Rückschritt bei der Modernisierung Russlands. Prozessbeobachter prangern zahlreiche Ungereimtheiten an.
Chodorkowski war in der Ära des "Raubtierkapitalismus" nach dem Ende der Sowjetunion 1991 mit undurchsichtigen Mitteln aufgestiegen. Er hatte in den Jahren vor seiner Verhaftung immer deutlicher Kritik an Putins Regierung geübt und auch Oppositionsparteien unterstützt.
dpa