„Wir befinden uns am Anfang der dritten Welle. Es gibt deutliche Signale, dass diese Welle noch schlimmer werden kann, als die anderen beiden“, warnte am Freitag auch RKI-Chef Lothar Wieler in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jens Spahn.
Update vom 26. März, 6.50 Uhr: Ganz Frankreich bald Hochinzidenz-Gebiet? Nach dem ersten Tag des EU-Gipfels am Donnerstag wurde Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu befragt. Sie erklärte daraufhin, bei solchen Entscheidungen komme es auf die Inzidenzzahlen an. „Und wenn die Inzidenzen eben in diesem Falle über 200 nachhaltig sind, dann erfolgt die Einstufung als Risikogebiet.“ Es sei ein „fast automatisierter Prozess“. Merkel benutzte in ihrer Antwort zwar den Begriff „Risikogebiet“, meinte aber offenbar „Hochinzidenz-Gebiet“, weil sie sich auf den Wert 200 bezog.
Eine solche Einstufung bedeute nicht, dass es auch um Grenzkontrollen gehe, betonte Merkel. „Wer Tests vorweisen muss, wie oft, das wird mit Frankreich besprochen. Da gibt es auch die notwendigen Übergangszeiten“, versicherte sie. Für die Region Moselle mit ihren Pendlern gebe es bereits sehr eingespielte Verfahren. Reisende aus Hochinzidenz-Gebieten müssen einen negativen Corona Test vorweisen. Hier wie auch für Risikogebiete gilt zudem normalerweise eine Quarantänepflicht.
Update vom 25. März, 20.10 Uhr: Gilt bald ganz Frankreich als Corona-Hochinzidenz-Gebiet? Die Bundesregierung denkt offenbar über eine derartige Einstufung nach. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, könnte das RKI nach Beratungen des Kabinetts am Freitag entsprechend nachjustieren. Die Co-Vorsitzenden der Deutsch-Französischen Parlamentarierversammlung, Christophe Arend und Andreas Jung (CDU), riefen ihre jeweiligen Regierungen auf, noch vor einer möglichen Entscheidung bilaterale Beratungen einzuberufen.
Bei einer Sondersitzung des deutsch-französischen Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit solle per Video-Konferenz über die praktische Umsetzung eines solchen Beschlusses gesprochen werden, erklärten Arend und Jung in einer gemeinsamen Stellungnahme. Damit könne ein Beitrag für „ein abgestimmtes Vorgehen in der Grenzregion“ zwischen Deutschland und Frankreich geleistet werden. Wie in Paris verlautete, versuchte Europa-Staatssekretär Clément Beaune in Verhandlungen eine Schließung der Grenzen zu verhindern.
Frankreich erlebt gerade eine dritte Corona-Welle. Im Pariser Großraum ist die Lage besonders angespannt. Dort liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei über 600 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern. Ende Februar hatte die Bundesregierung bereits den an das Saarland und Rheinland-Pfalz angrenzenden französischen Verwaltungsbezirk Moselle zum Virusvarianten-Gebiet erklärt.
Das Robert Koch-Institut und die Bundesregierung unterscheiden zwischen Risikogebieten, Virusvarianten-Gebieten und Hochinzidenz-Gebieten. Letztere sind Staaten und Regionen, in denen das Corona-Infektionsrisiko als besonders hoch eingeschätzt wird. In Europa gelten derzeit unter anderem Polen, Bulgarien, Schweden, Serbien, die Slowakei, Zypern und Albanien als Hochinzidenz-Gebiete.
Für Reisende aus Hochinzidenz- oder Virusvarianten-Gebieten gilt, dass sie bereits vor der Einreise nach Deutschland einen negativen Corona-Test vorlegen müssen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Dies gilt auch, wenn sich jemand in den zehn Tagen vor der Einreise in einem solchen Gebiet aufgehalten hat. Zudem gilt eine zehntägige Quarantänepflicht. Darüber hinaus können weitere Einreisebeschränkungen oder -verbote verhängt werden. Umgekehrt gelten besonders bei EU-Staaten teilweise Ausnahmen, etwa für Pendler oder den Güterverkehr.
Update vom 25. März, 16.40 Uhr: Karl Lauterbach (SPD) fordert eine schnelle Verschärfung der Corona-Eindämmungsmaßnahmen. „Wir müssen eine Stabilität reinbekommen und diese Stabilität bekommen wir nicht, ohne dass wir den Lockdown jetzt deutlich verschärfen“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte am Donnerstag im ARD-“Mittagsmagazin“. Darüber hinaus forderte er: „Man muss es ganz ehrlich sagen, ich sehe keinen anderen Weg, als hier mit einer Ausgangssperre ab 20.00 Uhr zu arbeiten, zumindest für eine befristete Zeit für zwei Wochen.“
Update vom 25. März, 15.15 Uhr: Nach dem Corona-Gipfel sprießen in den Bundesländern neue Pläne zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Das Saarland startet ein Modellprojekt. Berlin will beim Thema Homeoffice hart durchgreifen (siehe Erstmeldung). Nun kommt Schleswig-Holstein mit touristischen Modellprojekten in Gebieten mit niedrigen Corona-Zahlen um die Ecke. Ab dem 19. April will das Bundesland diese ermöglichen.
„Schleswig-Holstein zeigt als innovatives Tourismusland nach einem erfolgreichen Sommer 2020 anhand von konkreten Modellprojekten, dass Urlaub in Pandemiezeiten mit Auflagen und intelligenten Konzepten verantwortungsvoll möglich ist“, steht im Konzeptpapier des Landeswirtschaftsministeriums geschrieben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Gemeinden, Kreise, kreisfreie Städte und regionale touristische Organisationen könnten sich demzufolge für abgegrenzte Projekte bis zum 7. April bewerben. Bei Zustimmung könnten sie dann am 19. April starten.
Voraussetzung dabei ist: In dem entsprechenden Gebiet müssen innerhalb der vergangenen sieben Tage unter 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus pro 100.000 Einwohner gemeldet worden sein. Die Angebote sollen sich unter anderem auf Ferienwohnungen, Hotels und Gastronomie beziehen. Dazu gehören auch strenge Schutz- und Hygienekonzepte.
Update vom 25. März, 14.50 Uhr: Die Bundesländer gehen nach dem Corona-Gipfel nun teils eigene Wege - zumindest im Falle des Saarlandes sorgt das für Unmut. „Dafür habe ich kein Verständnis“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Donnerstag zu den angekündigten Corona-Lockerungen im Saarland (siehe Erstmeldung). „Solidarität ist keine Einbahnstraße.“
Das Bundesland erhalte 80.000 zusätzlicher Impfstoff-Dosen, da es dort die südafrikanische Corona-Mutation gebe. Auf die Einwohnerzahl gerechnet sei das eine große Menge. „Wie sollen andere Länder ihren Bürgern erklären, dass sie keinen zusätzlichen Impfstoff erhalten und diese Öffnungsschritte nicht gehen können?“
Erstmeldung vom 25. März, 13.30 Uhr: Berlin/München - Der jüngste Corona-Gipfel hat außer Verwirrung nicht viel gebracht - nun überschlagen sich die Einzelinitiativen aus den Parteien, Parlamenten und Regierungen. Die vielleicht plakativste: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will die Gipfel gründlich reformieren.
Doch auch die ganz praktischen Corona-Regeln stehen vor dem Osterwochenende im Fokus. So einige Bundesländer wollen schärfere Regeln anführen. Im bisherigen Verlauf der Pandemie hatten die Länder bei den Maßnahmen eher gebremst. Unterdessen wollen in Deutschland immer mehr Kommunen Modellprojekte ausprobieren - und auch ein ganzes Bundesland. Dabei gab es nun auch von Ministerpräsidenten*-Seite Kritik an „einfallslosen“ Regelungen*.
Hart durchgreifen will unter anderem die Hauptstadt. In Berlin könnte die von Teilen der Opposition lange geforderte Home-Office-Pflicht Realität werden. „Wir wollen in eine Verpflichtung gehen, was das Homeoffice anbelangt“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bei einer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus am Donnerstag. Die bisherigen Appelle hätten nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Arbeitgeber sollten außerdem verpflichtet werden, ihren Arbeitnehmern Testangebote zu machen.
„Wir haben Möglichkeiten, im Bereich des Wirtschaftslebens einzugreifen“, sagte Müller. Er könne nicht nachvollziehen, wie selbstverständlich über Wechselunterricht für Schüler diskutiert werde, und wie wenig selbstverständlich darüber geredet werde, in den Betrieben Wechselschichten zu verlangen.
Möglicherweise werden auch andere Länder über die Gipfel-Regeln hinausgehen. Die Brandenburger Landesregierung etwa will am Freitag über mögliche strengere Corona-Beschränkungen über Ostern entscheiden. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte am Mittwoch im Landtag gesagt, dass die Rücknahme der jüngsten Lockerungen „für die kommenden Wochen nicht ausreichen“ wird. In Bremen wird das sogenannte Terminshopping ausgesetzt, die erst vor kurzem geöffneten Museen müssten wieder schließen, sagte Landeschef Andreas Bovenschulte (SPD) am Donnerstag.
SPD-Fraktionsvize Katja Mast hat unterdessen tägliche Corona-Tests für Kinder und Erwachsene an Schulen und Kitas in Deutschland gefordert. Schulen und Kitas würden zunehmend zu Hotspots, wenn nichts geändert werde, sagte Mast am Donnerstag im Bundestag. Kita-Kinder müssten verbindlich getestet werden. Ziel müsse jetzt eine ehrgeizigere Teststrategie sein. „Ich will zu täglichen Tests für Kinder und Erwachsene an Schulen und Kitas, damit wir unser Versprechen „Schulen und Kitas zuerst“ mit Leben füllen“, sagte Mast. „Corona-Tests sind eine Brückentechnologie, bis alle geimpft sind.“
Auch CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt forderte Nachbesserungen bei den Schulen - äußerte aber weniger klare Vorstellungen. „Nach Ostern brauchen wir auch entsprechende Konzepte in den Schulen, sie sind noch nicht ausreichend“, erklärte er. „Es geht um die fehlenden Luftfilter, es geht um die Tests, die noch nicht stattfinden. Wer die Schulen nicht schließen will, der muss sie auch besser schützen.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zuvor im Plenum auch noch einmal zur Corona-Politik geäußert.
Doch auch die Bundesregierung will nachlegen: Für alle Reisenden, die mit dem Flugzeug nach Deutschland einreisen wollen, soll ab Freitag vor dem Abflug eine Corona-Testpflicht gelten. Die Betroffenen müssten „vor der Abreise im Ausland dem Beförderer einen Nachweis“ vorlegen, heißt es in dem AFP am Donnerstag vorliegenden Entwurf für eine entsprechende Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Entwurf befindet sich allerdings noch in der Ressortabstimmung.
Die Hoffnung vieler Städte und Gemeinden - und nun auch eines ganzen Landes - ruht unterdessen auf Sonderwegen, die aus der Praxis vor Ort erwachsen sollen. Das Saarland will die Corona-Maßnahmen nach Ostern in einem Modellprojekt weitreichend lockern: Vom 6. April an - dem Dienstag nach Ostern - sollen unter anderem Kinos, Theater, Fitnessstudios und die Außengastronomie wieder öffnen. Voraussetzung sei ein negativer Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein dürfe, sagte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag. Hans setzte einen Seitenhieb in Richtung Gipfel-Ergebnisse. „Es muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränken“, sagte der Regierungschef.
In Baden-Württemberg zeigen immer mehr Städte Interesse daran, das sogenannte Tübinger Modell im Corona-Lockdown zu übernehmen, wie die dpa berichtete. Calw hat sich ebenso offiziell als Corona-Modellkommune beim Land beworben wie Neckarsulm, Singen, Böblingen und andere. Die Kommunen berufen sich auf einen Beschluss der Bund-Länder-Konferenz, nach dem die Länder im Rahmen von Modellprojekten einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens unter strengen Voraussetzungen öffnen können. In Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder* (CSU) die Modellkommunen bereits zur Chefsache erklärt und den Start dieser Projekte in acht Kommunen vom 12. April an erklärt.
Tübingen selbst befürchtet unterdessen einen Ansturm aufgrund der geltenden Sonderregel - und hat am Donnerstag reagiert. Wer nicht im Kreis Tübingen wohnt oder arbeitet, soll ab Samstag nur noch an drei Stationen einen Schnelltest machen dürfen, teilte eine Sprecherin der Stadt am Donnerstag mit. Zudem werde die Zahl der Tests am Samstag für Auswärtige auf 3000 beschränkt. Das Modellprojekt entwickele sich aber „erfreulich“. Auch 16 Tage nach der Wiederöffnung der Geschäfte in Tübingen liege die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt bei 30.
Kreativere Wege in der Corona-Krise auch andere europäische Länder. Die Lage in den Staaten ist allerdings völlig unterschiedlich - und teils prekär. (dpa/fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA