Corona-Mutation B117 in Bayern angekommen: Tragische Erinnerungen werden wach - Experten sprechen von neuer Pandemie
Nicht nur in Großbritannien verbreitet sich die Corona-Mutation B117. Deutschland ist ebenso betroffen. Experten schlagen Alarm und fordern diesmal schnellere Reaktionen.
München/London - Die Nachrichten kommen tröpfchenweise, in Corona-Zeiten* ahnt man, auch diese Dosis kann gefährlich sein. Ein erster Fall der Corona-Mutation B117* sei in Bayern aufgetaucht, meldete die Staatsregierung am Mittwoch. Ein zweiter Fall, ergänzten die Behörden am Donnerstag. Ein dritter werde noch im Labor untersucht. In allen Fällen wurde Quarantäne verhängt. Doch das erinnert fatal an Corona vor einem Jahr: eins, zwei, drei - und dann tausende.
Seit mindestens November warnen Virologen, Rest-Europa unterschätze die britische Mutation B117. Erst in London, dann in allen Landesteilen schossen die Corona-Zahlen steil in die Höhe, seit sich die Mutation durchsetzte. Derzeit werden täglich über 60.000 Fälle gemeldet, dazu vierstellige Totenzahlen, der öffentliche Gesundheitsdienst schlug am Donnerstag Alarm wegen fehlender Betten.
Corona-Mutation auch in Bayern nachgewiesen: Deutlich ansteckender als das ursprüngliche Virus
Die Mutation gilt als 50 bis 70 Prozent ansteckender*. Vor allem bei jungen Menschen gebe es deutlich mehr Übertragungen, warnte eine britische Expertengruppe, die die Regierung berät. Tödlicher als die in Europa dominierende Variante sei B117 nicht, auch wirkt wohl mindestens der Biontech-Impfstoff.
Das führt aber zu einem gefährlichen Unterschätzen des mutierten Virus. Auf einen Monat gerechnet, kostet ein 50 Prozent ansteckenderes Coronavirus über zehn Mal mehr zusätzliche Menschenleben als ein gleich ansteckendes Virus, das 50 Prozent tödlicher verläuft. Das klingt seltsam - ist aber reine Mathematik, legte ein britischer Epidemiologe in einer Modellrechnung vor.

Corona-Mutation in Bayern: Söder hat „große Sorge“ - Merkel sieht „neue und besondere Lage“
In die politische Debatte hat sich das langsam ausgebreitet. Am Dienstag argumentierte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) offensiv mit B117, um den verschärften Lockdown zu begründen. „Dieses mutierte Virus macht große Sorge, weil es aggressiver in der Verbreitung ist.“ Dem Land könne einiges bevorstehen. Kanzlerin Angela Merkel* (CDU) sagte, sie sehe jetzt eine „neue und besondere Lage“.
Die Hoffnung, B117 würde wegen der weitgehend geschlossenen Grenzen zu Großbritannien nicht nach Europa kommen, ist trügerisch. Dänemark bekommt das gerade zu spüren: Dort tauchten knapp 100 solche Fälle auf, Tendenz exponentiell steigend. Im Laufe des Februar könnte die neue Variante dominieren, warnen Forscher. Dänemark verschärfte seinen Lockdown noch mal.
Corona-Mutation in Bayern: Virologin empfiehlt einen möglichst strikten Lockdown
Die deutsche Virologin Isabella Eckerle warnt in immer dramatischeren Worten in Interviews und sozialen Netzwerken, B117 werde unterschätzt. „Die Gefahr durch die neue Virusvariante* wird nicht ernst genommen, es wird wieder abgewartet, bis es zu spät ist, und wieder die Stimme der Wissenschaft ignoriert.“ Ein Blick nach Großbritannien „sollte genügen, um zu sehen, worauf wir zuschlittern“. Sie rät zu einem möglichst strikten Lockdown.
Auch zwei Münchner Experten empfehlen Tempo. „Mit der ansteckenderen Mutante beginnt eine neue Pandemie“, schreiben die LMU-Risikoforscher Nikil Mukerji und Adriano Mannino im Tagesspiegel. B117 habe sich sehr wahrscheinlich schon verbreitet. Umso wichtiger sei eine schnelle Impfung, umso gefährlicher die europäische Beschaffungspolitik. Zu viele oder nicht wirksame Impfstoffe zu kaufen, sei „ein Schnäppchen im Verhältnis zu den hunderttausenden Toten, Millionen Langzeitgeschädigten und Billionen an volkswirtschaftlichem Wert“ in Europa. (cd) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks