Corona-Krise reißt größtes Steuerloch in der Geschichte der Bundesrepublik - fast 100 Milliarden fehlen
Das Finanzministerium rechnet mit der stärksten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Bund, Ländern und Kommunen fehlen noch bis Ende des Jahres Unsummen, die bereits verplant waren.
- Die Corona-Krise reißt das größte Loch der Nachkriegsgeschichte in die Staatskassen
- Noch 2020 belaufen sich die Steuereinbußen geschätzt auf 81,5 Milliarden, damit fehlen Bund, Ländern und Kommunen 98,6 Milliarden Euro
- Finanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigt für Juni ein weiteres, milliardenschweres Konjunkturpaket an
- Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft und die Weltwirtschaft ins Mark, die EU-Staaten und die Bundesregierung* versuchen mit Finanzspritzen* zu stabilisieren.
Update vom 18. Juni: Bayern wird nach Einschätzung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) besonders stark von Steuerausfällen betroffen sein. Er hat nun einen Plan zum Umgang mit dem Problem vorgestellt.
Update, 17.00 Uhr: Weil die Steuereinnahmen durch die Corona-Krise 2020 großenteils ausbleiben, fordert der SPD-Fraktionsvize, Achim Post, einen Schuldenschnitt für arme Kommunen. „Bund und Länder sollten je zur Hälfte die Altschulden der besonders betroffenen Kommunen übernehmen“, sagte Post am Donnerstag der Bild-Zeitung. Andernfalls würden die strukturschwächsten Kommunen absehbar von ihrer Schuldenlast erdrückt. Außerdem forderte Post Soforthilfen, um die krisenbedingten Steuerausfälle der Kommunen zu kompensieren.
Corona-Krise verursacht dem deutschen Haushalt nie dagewesene Steuereinbußen
Berlin - Die Corona-Krise reißt ein riesiges Loch in die Staatskassen. Erstmals seit der Finanzkrise 2009 sinken die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen, wie das Finanzministerium bekannt gab. Die Steuerschätzer rechnen damit, dass in diesem Jahr 81,5 Milliarden Euro weniger Steuern hereinkommen als im vergangenen Jahr - ein Minus von mehr als zehn Prozent. Bund, Länder und Kommunen müssen daher mit 98,6 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November vorhergesagt - und bereits in den Haushalten verplant.
Die Steuereinnahmen sinken der Prognose zufolge noch drastischer als in der Finanzkrise. Auch für die kommenden Jahre sind die Aussichten düster. Bis 2024 stehen dem Staat laut Schätzung rund 315,9 Milliarden Euro weniger zur Verfügung als im vergangenen Herbst erwartet.
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Steuerloch: Bundesregierung rechnet mit schwerster Rezession der Nachkriegsgeschichte
Eine wesentliche Grundlage für die Steuerschätzung ist die Frühjahrs-Konjunkturprognose. Die Bundesregierung rechnet wegen der Corona-Krise mit der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Wirtschaftsleistung dürfte um 6,3 Prozent abstürzen. Das lässt nicht nur Gewerbe- und Umsatzsteuer einbrechen, sondern wegen der drastischen Kurzarbeit auch die Einkommensteuer.
Das Finanzministerium beziffert die Kosten der Corona-Hilfspakete inzwischen auf 453,4 Milliarden Euro allein im Jahr 2020. Dazu kommen Garantien über mehr als 800 Milliarden Euro, die möglicherweise auch noch greifen müssen, wenn Unternehmen ihren Kreditverpflichtungen nicht nachkommen können.
Neue Schulden reichen nicht, um Corona-Krise abzufedern
Es deutet sich deshalb an, dass die bisher geplanten 156 Milliarden Euro an neuen Schulden im Bundeshaushalt nicht ausreichen, um die Folgen der Pandemie abzufangen. Im Juni will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ein großes Konjunkturpaket vorlegen, das der Wirtschaft wieder auf die Füße helfen soll, auch die Börse* beruhigen dürfte - aber auch viele Milliarden zusätzlich verschlingen dürfte. Nicht nur die Unternehmen, auch die finanziell gebeutelten Kommunen erwarten Hilfe.
Eine bittere Stunde für den Finanzminister und Vizekanzler, der sich in einer Pressemitteilung dennoch optimistisch gibt: „Trotz der Mindereinnahmen und aller Unsicherheiten wird deutlich: Dank der guten Haushaltspolitik der vergangenen Jahre ist die Corona-Krise finanziell zu bewältigen“, wird er dort zitiert. Man habe mit ersten Maßnahmen Beschäftigten und Unternehmen geholfen durch die Krise zu kommen. „Als nächster Schritt steht an, die Konjunktur mit gezielten Maßnahmen wieder in Schwung zu bringen, damit die Industrie, Handel und Gewerbe parallel zu den Lockerungen auch wieder besser ins Geschäft kommen.“
Bei der Pressekonferenz zur Steuerschätzung betonte er: „Wir können uns das, was wir uns vorgenommen haben, weiter leisten.“
Corona-Krise: Auswirkungen der Hilfen sind noch nicht abzusehen und erschweren Schätzung
Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. Darin sitzen Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen. Sie gehen die erwarteten Einnahmen bei allen Steuerarten durch und rechnen diese dann zusammen.
In diesem Jahr dürfte das auch deshalb besonders schwierig gewesen sein, weil die Auswirkungen der Corona-Hilfen noch gar nicht endgültig abzusehen sind. So ist beispielsweise unklar, ob Handel und Gastgewerbe einen Teil ihrer Umsatzverluste im Sommer und Herbst wieder reinholen können.
Auch angesichts des Lochs im Steuer-Budget könnte eine alte Debatte wieder hochkochen: Jene um Staatsgeld für Dividenden ausschüttende Konzern. Ein Fall aus München macht nun Schlagzeilen. Aufgrund der Corona-Krise will die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof nun drastische Konsequenzen ziehen. Olaf Scholz hat inzwischen eine wichtige Ankündigung für Künstler gemacht.
Das Coronavirus schädigt neben der Lunge noch weitere Organe - diesen Schluss legt eine deutsche Studie nahe.
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