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Der Minister kämpft um sein Mandat

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Promi-Wahlkämpfer an der Basis: Joachim Herrmann muss in Erlangen kämpfen.
Promi-Wahlkämpfer an der Basis: Joachim Herrmann muss in Erlangen kämpfen. © Braun

Bayerns bekanntester Minister muss kämpfen. In seinem Stimmkreis Erlangen, einer Studentenstadt, ist das Direktmandat für Joachim Herrmann (CSU) nicht sicher. Die Grünen fordern ihn heraus.

Erlangen – Ob der Herr Minister nicht lieber in den Schatten gehen wolle, fragen ein paar junge CSUler. „Ihnen muss doch in dem Sakko heiß sein“, sagt Patrick Helmer (26) von der JU Erlangen. Der Innenminister schüttelt den Kopf. „Ich bleibe lieber hier stehen. Da sieht man mich besser“, sagt Joachim Herrmann (CSU). Dabei ist der kräftige 1,90-Meter-Mann mit den blauen Helium-Luftballons in der Fußgängerzone kaum zu übersehen. „Na, möchtest du einen?“, fragt er ein kleines Mädchen, das mit seiner Familie an ihm vorbeispaziert.

Samstagmittag, fast 30 Grad im fränkischen Erlangen, noch drei Wochen bis zur Landtagswahl. In der Altstadt bauen mehrere Parteien Pavillons auf. Beim CSU-Stand an der Martius-Säule tragen die JU-Helfer dunkelblaue T-Shirts, Aufschrift „Team Herrmann“. Der Staatsminister, der sonst vor Fernsehkameras steif über extremistische Szenen und Terrororganisationen informiert, ist heute auf Stimmenfang daheim unterwegs – mit Dauergrinsen.

Bei der letzten Landtagswahl gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen

Dabei macht er das nicht zum Spaß. Schon bei der letzten Landtagswahl wurde es knapp für ihn. 2018 gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Christian Zwanziger von den Grünen. Erlangen ist als Studentenstadt ein hartes Pflaster. Bei den Jungwählern liegt die CSU bestenfalls gleichauf mit den Grünen. 2018 gewann Herrmann zwar sein Direktmandat mit 32,5 Prozent – für ein Polit-Schwergewicht wie ihn, Dienstältester im Söder-Kabinett, erfahrenster Innenminister der Republik, waren aber nur sechs Punkte Vorsprung gegen einen Neuling eher knapp.

Für Herrmann (67) geht es um viel. Politisch vielleicht sogar um alles. Den eigenen Stimmkreis zu holen, ist in der CSU eine Art Mindestanforderung an einen Minister. Ohne Direktmandat daheim könnte die von Söder verkündete „Job-Garantie“ des Innenministers wackeln.

In Erlangen ist Herrmann nicht Minister, sondern der lokale Abgeordnete

Herrmann liegt in lokalen Prognosen aktuell wieder klar vorn – weiß aber, dass es um jede einzelne Stimme geht. Er betont es immer wieder an diesem Mittag. Und tritt nahbar auf in seiner Heimatstadt. Er ist hier nicht der Staatsminister, der mit Personenschutz und Konvoi mit Blaulicht durch den Freistaat eskortiert wird, sondern eben der lokale Abgeordnete, den man kennt und hin und wieder vorbeiradeln sieht.

„Dürfen wir ein Foto mit Ihnen machen?“, fragt ein älteres Paar. Er zögert nicht und drückt einem JU-Helfer ein Handy in die Hand. „Wir kennen Sie noch von früher“, sagt die Dame, „Ihr Sohn hat fast gleichzeitig mit unserem Abitur gemacht.“ Immer wieder wollen Bürger Selfies. Die wenigsten wollen mit ihm über politische Inhalte diskutieren. Jedenfalls nicht über Sicherheit, sein Spezialgebiet. Über zu hohe Kita-Gebühren klagt ein Familienvater – ob der Minister da nicht etwas machen könne. Um Schulpolitik geht es bei einer Mutter. Und dass sie in der Innenstadt Tempo 30 möchte. „Das wollte ich Ihnen gesagt haben, auch wenn Sie meine Stimme sowieso sicher haben.“ Herrmann nickt. Ob er sich wirklich höchstpersönlich um Tempo 30 kümmern wird? Aber er hört zu, verspricht, das Thema an die Kommunalverwaltung weiterzugeben.

Grünen-Herausforderer stichelt: „Ich frage mich, warum so manch ein Mitbewerber Angst vor der Zukunft hat.“

Ausnahmslos alle wünschen ihm viel Erfolg – jedenfalls die, mit denen er ins Gespräch kommt. Das ist eher die Altersgruppe Ü40 – und älter. Hier und da möchte Herrmann jemandem einen CSU-Flyer in die Hand drücken, aber zurück kommt nur ein Kopfschütteln. Oder eben gar nichts.

Studenten sind kaum unterwegs. Dabei sind sie diejenigen, die für Herrmanns Ergebnis gefährlich werden könnten. Es sind Semesterferien. Und es ist früh – um diese Zeit dürften viele noch auskatern. Am Vorabend hatte der Innenminister mit seinen Helfern versucht, einige abzupassen, man ging auf Kneipentour. „Zumindest in die erste Kneipe bin ich noch mitgegangen“, sagt Herrmann und lächelt. Ihm ist bewusst, dass er dort nicht unbedingt in erster Linie seine Wählerschaft trifft. „Aber viele wissen, dass ich mich auch für die Sorgen der Jugend einsetze“, sagt er. Das 29-Euro-Ticket für Studenten nennt er als Beispiel.

Ein paar Stände weiter kämpfen die Grünen. Zwanziger, 36 und inzwischen über die Liste in den Landtag gekommen, fordert Herrmann erneut heraus. „Die CSU tendiert ja oft dazu, aufzuzählen, was sie alles in den vergangenen Jahren richtig gemacht hat“, sagt er. „Ich habe das Gefühl, so viele Menschen hier stehen in den Startlöchern, um Grundlegendes zu ändern.“ Von Erneuerbaren Energien, Kitaplätzen, Fördermitteln für die Uni spricht er. Und stichelt: „Ich frage mich, warum so manch ein Mitbewerber Angst vor der Zukunft hat.“ Zwanziger sagt, er sei über die Hochschulpolitik zu den Grünen gekommen, könne die Sorgen der jungen Menschen viel besser verstehen. „Ich bin das Gegenangebot.“

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