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Trump vor Amtsenthebungsverfahren - aber Vorwurf der Demokraten scheint viel zu weit zu greifen

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Das US-Repräsentantenhaus will über die Amtsenthebung von Präsident Donald Trump abstimmen. Hat er zu Gewalt und „Aufstand“ aufgerufen? Trump verteidigt sich in gewohnt scharfem Ton.

Washington, D.C. - David Cicilline ist Abgeordneter der US-Demokraten* und Co-Autor jener „Anstiftung zum Aufstand“-Anklage, die die Opposition im Repräsentantenhaus* gegen Donald Trump* eingebracht hat. Auf ihr fußt das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten, über das die größere Kammer auf dem Kapitol an diesem Mittwoch abstimmen will.

Am Dienstag versuchte Cicilline noch mal klarzumachen, warum man so kurz vor Trumps Ausscheiden am 20. Januar noch ein „Impeachment“ betreibt. Es sei „unvermeidbar“ gewesen, dass die Anhänger des Präsidenten nach dessen Rede letzte Woche das Kapitol erstürmen würden, sagte er.

Trump vor Amtsenthebungsverfahren: Verurteilung nach Amtsende wohl unwahrscheinlich

Vor einem ordentlichen Gericht, das sich ebenfalls in diesem Jahr mit dem Verhalten Trumps unter strafrechtlichen Aspekten befassen könnte, wäre der Begriff der „Unvermeidbarkeit“ vermutlich eine der Kernfragen. Und wie Jeffrey Shapiro, ein ehemaliger Staatsanwalt im District of Columbia, am Montag im Wall Street Journal feststellte, wäre eine Verurteilung des Präsidenten* nach dem Verlassen des Weißen Hauses* durch eine Geschworenenjury unwahrscheinlich. Seine Rede sei verfassungsrechtlich geschützt und die Folgen seien nicht absehbar gewesen, so der Jurist.

Allerdings ist ein Amtsenthebungsverfahren, dem sich Trump jetzt zum zweiten Mal ausgesetzt sieht, ein rein politisch motivierter Prozess, bei dem übliche Gerichtsregeln nicht gelten. Und da ein weiter loyaler Vizepräsident Mike Pence* bereits durchblicken ließ, er werde der Aufforderung der Demokraten, Trump für amtsunfähig zu erklären, nicht folgen, erscheint das „Impeachment“ nun unabwendbar. Dieses hätte für die Demokraten im Erfolgsfall auch den Vorteil, Trump mit einfacher Senatsmehrheit eine Kandidatur 2024 verbieten zu können.

Donald Trump steht mit dem Tücken zur Kamara und signiert eine Plakette
Seine letzten Tage als US-Präsident: Für Donald Trump wird es in den kommenden Wochen sicher nicht langweilig. © Mandel Ngan/afp

Trump vor Amtsenthebungsverfahren: Anwalt präsentiert Argumente für Präsidenten

Die Frage, ob Trump der „Anstiftung zum Aufstand“ schuldig ist, könnte also nach juristischen Gesichtspunkten erst entschieden werden, wenn es zu einem Strafverfahren kommt. Shapiro hat in seinem viel zitierten Beitrag für das Wall Street Journal Argumente vorgetragen, die von Trumps Anwälten auch während des Amtsenthebungsverfahrens vorgetragen werden dürften.

Sie lauten unter anderem: Emotionen zu schüren, ist kein Verbrechen. Der Präsident hat mit keinem Wort Gewalt erwähnt, sondern gesagt, man solle „friedlich und patriotisch“ den Stimmen Gehör verschaffen. Die Aufforderung, „härter zu kämpfen“, könne rein politisch gemeint gewesen sein. Und der Appell, zum Kapitol zu marschieren, sei mit dem Vorschlag des Präsidenten verbunden gewesen, Senatoren und Abgeordneten zuzujubeln - oder eben nicht. Und: Als Trump gesprochen habe, sei dies vor einer Menge geschehen, die sich völlig friedlich verhalten habe. Der Sturm auf das Kapitol sei später durch eine Minderheit erfolgt, die strafrechtlich verfolgt werden müsse. Hinzu kommt, dass sich ein Aufstand gegen eine amtierende Regierung richtet.

Trump vor Amtsenthebungsverfahren: Zeitliche Ablauf womöglich entscheidend

Vor einem ordentlichen Gericht, das sich mit größerer Unabhängigkeit den Fakten widmen würde als der Polit-Zirkus eines „Impeachment“, käme auch dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse eine große Rolle zu. Trumps Rede vor Anhängern dauerte bis 13.11 Uhr, doch die erste Welle der Demonstranten erschien bereits gegen 12.40 Uhr vor dem Kapitol. Um 13.09 Uhr, so steht heute fest, hatte der höchst beunruhigte Polizeichef des Kapitols bereits bei den Sicherheitsverantwortlichen von Repräsentantenhaus und Senat um Genehmigung für die Anforderung der Nationalgarde angefragt. Das Kapitol wurde um 13.50 Uhr erstürmt.

Das bedeutet: Der Großteil der Rädelsführer war bereits lange vor Ende der Trump-Rede erschienen - was wiederum dem von den Demokraten verwendeten „Anstiftungs“-Begriff einen großen Teil der Brisanz nimmt. Der Präsident meldete sich dazu am Dienstag erstmals selbst zu Wort und verteidigte seine Rede als „absolut angemessen“. Das Impeachment nannte er indes „gefährlich“ für das Land. Es sei die „Fortsetzung der größten Hexenjagd in der Geschichte der Politik“. (Friedemann Diederichs) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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