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Ende des Ukraine-Kriegs: „Putins Niederlage ist höchstens eine Frage der Zeit“

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Von: Mark Stoffers

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Könnte der Krieg in der Ukraine bald ein Ende finden? Die Experten-Meinungen über eine mögliche Niederlage von Russland und Präsident Putin gehen auseinander.

München – Ist ein baldiges Ende des Ukraine-Kriegs in Sicht? Wenn man Putins innerem Zirkel und Russlands Machthaber selbst Glauben schenken darf, ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Denn in den vergangenen Wochen hat sich die Rhetorik, die die Würdenträger aus dem Kreml verlauten ließen, nochmals zugespitzt. Russlands Außenminister Lawrow oder Ex-Präsident Medwedew drohen offen und geradewegs nonchalant mit Vergeltung, dem Überschreiten von der „Roten Linie“ oder möglichen Atomschlägen gegen die Ukraine und den Westen. Nun greift auch Präsident Wladimir Putin selbst zunehmend dieses Narrativ auf, was ein mögliches Ende des Kriegs in der Ukraine wohl in weiter Ferne rücken lässt. Das berichtet Merkur.de.

In seiner jüngsten Rede zum Gedenken der Schlacht von Stalingrad sprach Putin eine unverhohlene Drohung in Richtung Westen aus. „Diejenigen, die hoffen, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen, verstehen nicht, dass ein moderner Krieg gegen Russland ganz anders aussehen wird. Wir schicken nicht unsere Panzer an ihre Grenzen – wir haben andere Antworten …“, wetterte der Kreml-Chef in seiner Ansprache im Hinblick auf die aktuelle Situation im Ukraine-Krieg und darüber hinaus.

Ende des Ukraine-Kriegs: Putin bedient sich altbekannter Narrative, um von Russlands Misserfolgen abzulenken

Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz.
Eine Niederlage Putins im Krieg zwischen Russland und der Ukraine steht laut eines Politologen wohl bevor. Die Meinungen über ein Ende des Kriegs gehen allerdings weit auseinander. © Alexei Nikolsky / dpa

Um die eigene Bevölkerung im Ukraine-Krieg hinter sich zu vereinen, bedient sich der Kreml-Chef alter Feindbilder aus dem 2. Weltkrieg oder Kalten Krieg. Der Propaganda-Plan Putins geht wohl nur zum Teil nach hinten los. Dadurch verschleiert er die schleppend verlaufende und von Misserfolgen geprägte „Spezialoperation in der Ukraine“ und verklärt den Russland-Ukraine-Krieg zu einem Krieg gegen den Westen. „Wir sind im Krieg mit dem Westen. Wir kämpfen gegen die Nato. Gegen die deutschen Panzer. Putins Narrativ ist: Der Krieg gegen die Nazis und gegen die Feinde Russlands hat nie aufgehört“, erklärt der bulgarische Philosoph und Politologe Ivan Krastev im Interview mit Stern.de.

Eine Strategie, die bisher aufgeht und aktuell ein baldiges Ende des Ukraine-Kriegs infrage stellt, sondern vielmehr den Boden für die befürchtete Frühjahrsoffensive Russlands nährt. Da Putin besonders bei einem Teil aus Russlands Bevölkerung den Rückhalt nicht verliert und bereit ist, die Verluste im Ukraine-Krieg hinzunehmen. Denn Russlands Angriffskrieg sorgt für einen sozialen Wandel in der Gesellschaft. Der Krieg in der Ukraine verschafft vor allem den gescheiterten oder ausgestoßenen Existenzen neue Aufstiegschancen, während die einstige Elite vor den „wahren Russen“, die im Krieg bereit sind, für ihr Vaterland zu sterben, zittern muss.

Russland-Ukraine-Krieg war ein „gewaltiger Fehler“ – „Niederlage nur eine Frage der Zeit“

Doch auch wenn der Rückhalt in der eigenen Bevölkerung für den Russland-Ukraine-Krieg weiterhin groß zu sein scheint, besteht in anderen Kreisen kein Zweifel daran, dass Putin den Ukraine-Krieg verlieren wird. Der bekannte US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama beispielsweise, attestiert Russland im Interview mit t-online.de durch die Invasion der Ukraine einen „gewaltigen Fehler“ begangen zu haben. „Der russische Angriff auf die Ukraine war sogar der größte strategische Fehler, dem ich in meinem Leben beigewohnt habe“, so der Dozent der Standford University weiter.

Darüber hinaus sieht Fukuyama ein Ende des Ukraine-Kriegs kommen, welcher in einem Sieg der Verteidiger mündet. „Die Ukraine kann Russland besiegen, daran habe ich keinen Zweifel“, erklärte Fukuyama weiter im Interview. „Putins Niederlage ist höchstens eine Frage der Zeit.“ Zum einen macht der Politikwissenschaftler das daran fest, dass die Motivation der Ukraine sehr viel höher sei, als die der russischen Invasoren, was unter anderem Putins Pläne, Kiew zu Beginn des Krieges zu erobern, längst zunichtegemacht hat. Und zum anderen der Westen im Ukraine-Krieg nun auch Kampfpanzer wie den Leopard 1 oder Abrams liefert.

Ende des Ukraine-Kriegs: „Ernsthafte Verhandlungen“ über Frieden zwischen Russland und der Ukraine möglich

Um ein Ende des Ukraine-Kriegs zu erreichen, forderte Fukuyama daher eine fortwährende Unterstützung der Ukraine, damit sie die von Russland besetzten Gebiete zurückerobern könne. „Ich halte es nicht für unwahrscheinlich“, so der bekannte Politologe weiter, „dass die ukrainische Armee bis zum Sommer zumindest den südlichen Teil des Landes komplett befreien kann.“ Auch für einen Ex-US-General ist davon überzeugt, dass die „Krim der Schlüssel“ zum Ende des Ukraine-Kriegs ist.

Falls es zu dieser Verschiebung der aktuellen Situation im Krieg in der Ukraine kommen und die Lage für Putins Russland auf der völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim unsicher werden sollte, schließt Fukuyama sogar „ernsthafte Verhandlungen“ zwischen Kiew und Moskau zum Ende des Ukraine-Kriegs nicht aus.

Ende des Kriegs in der Ukraine: „Der Ukraine werden die Menschen ausgehen“

Wichtig für das Ende des Ukraine-Kriegs sei laut Fukuyama, „dass die Ukraine sehr starke Garantien für ihre Fortexistenz erhält. Und Russland deutlich klargemacht wird, dass es nicht nur ein paar Jahre warten muss, bis es wieder einen Krieg vom Zaun brechen kann“. Ein deutlich dunkleres Bild zeichnet hingegen Wolfgang Merkel für das Schicksal der Ukraine im russischen Angriffskrieg bei seinem Gastauftritt im ZDF. „Der Ukraine werden nicht die Waffen ausgehen, der Ukraine werden die Menschen ausgehen“, lautet die Prognose des Politologen für den Ukraine-Krieg bei „Markus Lanz“.

Einem ähnlichen Ansatz folgt wohl auch die Aussage von Michael Kofman im Interview mit Spiegel Online zur aktuellen Lage im Ukraine-Krieg: „Die Ukraine hat nicht den Luxus, sich die Schlachten auszusuchen.“ Die Aussage des Militärexperten beschränkt sich zwar auf den Kampf um Bachmut, könnte sich im Zuge von Putins Kriegsstrategie und bei der befürchteten russischen Rache in Form einer Großoffensive zum Jahrestag der Invasion auf weitere Fronten in der Ukraine ausweiten.

Ukraine-Krieg bald zu Ende: Keine Friedensverhandlungen oder Friedensvertrag – Pattsituation nach Vorbild von Nordkorea

Daher sieht auch der Politologe Ivan Krastev im Interview mit stern.de kein Ende des Ukraine-Kriegs im konventionellen Sinne mit Friedensverhandlungen und abschließendem Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland kommen. Über ein mögliches Eingeständnis Putins zu einer Niederlage verliert er nicht einmal ein Wort. Seiner Ansicht nach ist vielleicht der einzige Schlüssel zur Beendigung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Aufnahme Kiews in die Nato.

Eine unabhängige, souveräne Ukraine, die „eins zu eins Russland gegenüber“ stehe, sei für Putin eine kaum akzeptable Lösung. „Mit der Nato wäre es für ihn einfacher. Einen Deal mit den Amerikanern zu machen, ist leichter als mit den Ukrainern“, formuliert der Experte seinen Ansatz für ein mögliches Ende im Krieg in der Ukraine. Die Ukraine ihrerseits werde „Zugeständnisse verlangen“ – in Form einer Aufnahme in EU und Nato – falls der Westen sie mit dem Ziel einer Beendigung des Kriegs zu territorialen Kompromissen dränge.

Als mögliches Szenario für das Ende des Kriegs in der Ukraine hält der Bulgare Krastev eine Pattsituation „wie zwischen den beiden Koreas“ für wahrscheinlicher als einen Friedensvertrag. Denn Wladimir Putin würde trotz des Scheiterns seiner Spezialoperation sein Gesicht wahren können, da eine Isolation ähnlich Nord-Koreas Russland dann aber nicht bevorstünde, da Russland, laut Krastev, „vom Westen isoliert“ wird. „Aber nicht vom Rest der Welt“. Was die lukrativen Geschäfte zeigen, die Putin mit Staaten wie China oder Indien trotz des Russland-Ukraine-Kriegs munter weiterführt und viel Geld in die russische Kriegskasse spült. (mst)

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