Erste Wahl nach Sturz Mubaraks

Kairo - Erstmals seit dem Sturz Mubaraks wird in Ägypten gewählt. Vor den Wahllokalen herrscht großer Andrang. Die Kairoer gehören mit zu den ersten, die ihre Stimme abgeben dürfen.
Etwa 500 Meter vom Tahrir-Platz entfernt, wo die Protestbewegung Ägyptens kampiert, ist die Kasr al Dobara Sprachschule. Hier wählen bei den ersten Parlamentswahlen seit dem Sturz von Machthaber Husni Mubarak nur Frauen. Eine lange Schlange hat sich am Montag schon um 8.00 Uhr (Ortszeit) vor der alten Villa gebildet, in der sich das Wahllokal befindet. Polizisten und Soldaten sichern das Gebäude. Es ist eine reichere Gegend, die meisten der Frauen sind unverschleiert. Gegenüber haben sich Kamerateams mit großen Satellitenschüsseln aufgebaut, aus Europa, den USA, Asien.
Sainab hat sich einen kleinen Klappstuhl mitgebracht, sie hat mit langen Wartezeiten gerechnet. Die Bewohnerin des Stadtteils Garden City gehört zu den ersten im Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern, die wählen dürfen. Bis Dienstagabend sind nur Bewohner von Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen aufgefordert, ihre Stimmen abzugeben. Die Menschen in den übrigen 18 Provinzen sind erst später dran, im Dezember und Januar.
Sainab hält nichts vom Aufruf der seit über einer Woche demonstrierenden Jugendbewegung, den Wahlgang zu boykottieren, bis der herrschende Militärrat die Macht an eine zivile Regierung abgibt. “Wir müssen der Führung helfen, das Land wieder auf die Beine zu bringen“, sagt die gelernte Reiseführerin. Alles andere führe nur zu Chaos.
Ähnlich sieht es Gheda, eine der wenigen Frauen mit Kopftuch in der Schlange. “Wir Ägypter sind eine Einheit. Wir müssen zusammenarbeiten, um wieder Stabilität herzustellen“, betont sie. Eine Frau, die ihren Namen nicht nennt, aber sich sehr über die Wahlen freut, steht weiter hinten in der Reihe. “Alles wird besser“, ist die Mittvierzigerin überzeugt. Daher wählt sie nun zum ersten Mal.
Wenige Kilometer weiter östlich ist Kairo viel ärmer. Die Straßen in Saida Sainab sind enger, die Häuser wirken baufälliger, überall liegt Müll. Vor der Al-Sania-Schule hat sich ebenfalls eine lange Schlange gebildet. Hier wählen nur Männer. “Die neue Regierung wird uns - so Gott will - auch Abfalleimer hinstellen“, scherzt einer. Militär und Polizei sind auch hier präsent. Ein Soldat ruft in ein Megafon: “Die Alten dürfen nach vorne kommen.“ Ein arabisches Kamerateam filmt.
Am Eingang der Klassenzimmer, in denen die Wahlurnen stehen, herrscht ebenfalls Gedränge. Bänke sind wild übereinandergestapelt, an einigen Schreibtischen sitzen Wähler, die jeder Wartende beobachten kann. Wer vor Blicken geschützt sein will, kann sich hinter eine kleine Stellwand zurückziehen. Wahlhelfer überprüfen die Ausweise, geben die Listen aus. Wer abgestimmt hat, bekommt eine Tintenmarkierung an den Finger.
Eingereiht in die Schlange hat sich auch Jassir, der Buchhalter einer Baufirma. Die Wahlen hält er für verfrüht. “In zehn Jahren wäre es besser“, meint er. Gekommen ist Jassir nur, weil er fürchtet, sonst eine Geldstrafe zahlen zu müssen. Für Ägypter besteht Wahlpflicht, wenn sie sich registrieren lassen.
Mohammed Adel sieht das anders. Er wählt aus Überzeugung. Der Apotheker will unbedingt an den “ersten freien Wahlen“ teilnehmen. Denn danach könne es nur besser werden. Für wen er stimmt, will der Bartträger nicht sagen. Einen Hinweis gibt Mohammed aber. “Niemand muss Angst vor den Islamisten haben.“ Auf das Wahlergebnis kann sich dieser Mann wohl jetzt schon freuen. Denn der islamistischen Muslimbruderschaft werden die besten Chancen zugerechnet.
Wie die Wahlen aber letztlich ausgehen und was sie in dem nordafrikanischen Land bewirken, wird sich erst in vielen Wochen herausstellen. Das vollständige Ergebnis soll am 13. Januar bekanntgegeben werden. Danach gibt es eine neue Verfassung. Der neue Präsident soll bis Juli gewählt sein. So hält sich die Freude über die ersten Wahlen nach Mubarak in Kairo noch in Grenzen.
dpa