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Milliarden-Poker in Brüssel: Merkel und Macron machen nun gemeinsame Sache - Kurz äußert sich

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In Brüssel werden die EU-Finanzen verhandelt - ein zähes Ringen zwischen den Nettozahlern und den Süd- und Osteuropäern. Angela Merkel und Emmanuel Macron wollen nun zusammenarbeiten.

Brüssel  - Im Milliardenpoker um die Finanzierung der Europäischen Union haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre EU-Kollegen am Freitag stundenlang Kompromisschancen ausgelotet. Am zweiten Tag des Sondergipfels in Brüssel deutete sich daraufhin Bewegung an - Stunden zuvor hatte noch düsterer Pessimismus geherrscht. 

Diplomaten wollten jedoch noch keine Erfolgsprognose abgeben. Vorsichtig optimistisch äußerte sich am Nachmittag Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Mein Eindruck ist, dass es jetzt Bewegung in die richtige Richtung gibt“, sagte Kurz. „Wir sind hier, um eine Lösung zu finden. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das möglich ist.“ Er erwarte einen neuen Vorschlag von EU-Ratschef Charles Michel für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU. Dieser müsse dann studiert und diskutiert werden. „Und hoffentlich führt das am Ende des Tages zu einer Lösung.“

Gipfel um EU-Finanzen: Mehr als eine Billion Euro steht auf dem Spiel

Bei den Verhandlungen geht um den Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 - und dabei wiederum um mehr als eine Billion Euro. Die EU-Gelder kommen unter anderem Millionen Landwirten, Kommunen, Unternehmen oder Studenten zugute, auch in Deutschland. Die EU-Staaten waren sich jedoch uneins sowohl bei den Einzahlungen als auch bei den Prioritäten für die Ausgaben. Eine Lösung ist diesmal besonders schwierig, weil nach dem Brexit die britischen Milliardenbeiträge fehlen.

EU-Ratschef Charles Michel war am Donnerstag mit einem Kompromissvorschlag in den Gipfel gegangen, der aber bei Merkel und anderen Teilnehmern auf Ablehnung stieß. Michel suchte dann die ganze Nacht über in Einzelgesprächen mit den 27 EU-Staaten Kompromisslinien, allerdings ohne erkennbare Bewegung.

EU-Gipfel: Neue Bewegung nach Vorstoß von Merkel und Macron?

Dynamik entstand dann nach Angaben von Diplomaten, nachdem Merkel - die zuletzt auch in der internationalen Presse als „lame duck“ abqualifiziert worden war - und der französische Präsident Emmanuel Macron zusammen mit den übrigen Nettozahlern eine gemeinsame Position absteckten. Michel ließ daraufhin neue Berechnungen zu einem Kompromisspaket anstellen.

EU-Gipfel zum Haushalt
EU-Gipfel zum Haushalt: Angela Merkel (CDU) und Emmanuel Macron arbeiten nun offenbar an einer gemeinsamen Lösung. © dpa / Olivier Matthys

Deutschland, Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich wollen eigentlich nicht mehr als 1,0 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung einzahlen und pochen zudem auf Beitragsrabatte. Sie sind alle Nettozahler, also EU-Staaten, die mehr in die Gemeinschaftskasse einzahlen als sie herausbekommen. Michel hat indes 1,074 Prozent vorgeschlagen.

Dass die fünf Staaten Frankreich mit an Bord holten, galt als Fortschritt. Denn Macron war mit anderen Prioritäten nach Brüssel gekommen. Er stemmte sich gegen allzu strikte Beschränkungen des Budgets, weil er Einschnitte bei den Subventionen für seine Bauern abwenden will. Diesen Punkt hatte er am Donnerstag besonders betont. Eine große Rolle spielt das Budget auch für die Umsetzung von Ursula von der Leyens „Green Deal“.

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EU-Länder im Osten und Süden wollen aus demselben Grund ebenfalls einen höheren Gesamtrahmen. Sie bekommen besonders viel aus den Strukturhilfen zur Förderung armer Regionen, den sogenannten Kohäsionsfonds. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter, für ihn seien Mittel für die Landwirtschaft sowie die Regionalförderung wichtig.

An diese Hilfen knüpft sich ein weiterer Streitpunkt: Sie sollen künftig gekoppelt werden an die Rechtsstaatlichkeit in den Empfängerländern. Ratschef Michel hatte den dafür vorgesehenen Mechanismus etwas entschärft und war damit den potenziell betroffenen Ländern Polen und Ungarn entgegengekommen. Auch das traf bei Merkel auf Kritik.

EU: Zähes Ringen mit osteuropäischen Ländern - Luxemburger Regierungschef hat „keinen Bock jetzt“

Wegen der überaus komplizierten Lage hatte sich die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Freitagmorgen sehr pessimistisch geäußert. Es werde wahrscheinlich ein weiteres Gipfeltreffen im März nötig sein, um zu einem Kompromiss der 27 Mitgliedstaaten zu kommen. Ähnlich äußerte sich der rumänische Präsident Klaus Iohannis: „Die meisten von uns sind nicht sehr optimistisch.“ Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis gab den Nettozahlern die Schuld. „Wenn diese Länder sich nicht bewegen, dann fliegen wir hoffentlich zurück heute.“

Besonders enttäuscht zeigte sich der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel, dessen Land ebenfalls zu den Nettozahlern zählt: „Ich habe keinen Bock jetzt, dass wir rechnen müssen, wieviel ich hier zahle, wieviel ich zurückzahlen soll“, sagte er. „Ich bin bereit, mehr zu zahlen für dieses europäische Projekt.“

Selbst wenn sich die EU-Staaten einig werden, ist noch ein Kompromiss mit dem Europaparlament nötig. Das fordert viel mehr Geld - nämlich 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und droht mit einem Veto. Ratspräsident Charles Michel hatte schon vor dem Gipfel gewarnt, es stehe „viel auf dem Spiel“: „Unser Wohlstand, unsere Lebensqualität und die Zukunft der kommenden Generationen.“

dpa/fn

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