Papst Franziskus meldet sich in Migrationsstreit mit klarer Ansage zu Wort
Bei einem Besuch in Marseille thematisiert Papst Franziskus den Umgang Europas mit Geflüchteten. Er fordert Gerechtigkeit am Mittelmeer.
Marseille - Papst Franziskus hat zum Ende eines Treffens zwischen Bischöfen und Jugendlichen aus 29 Anrainerstaaten des Mittelmeers die französische Hafenstadt Marseille besucht. Seinen schon länger geplanten, zweitägigen Aufenthalt widmete der Pontifex dem Schicksal der Flüchtlinge, die über das Meer nach Europa aufbrechen. Mit dem Blick auf das europäische Vorgehen in der Flüchtlingsfrage äußert sich Franziskus kritisch über die „Hauptkriterien“ der Staaten.
Papst Franziskus: Mittelmeer „Grab der Menschenwürde“
Angesichts der katastrophalen Lage auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa sowie unter dem Eindruck der Debatte eines neuen Einwanderungsgesetzes in Frankreich, mahnte Papst Franziskus zur Menschlichkeit. Das Mittelmeer, einst Wiege der Zivilisation, so Franziskus, sei mittlerweile zum „Grab der Menschenwürde“ geworden. Alleine in diesem Jahr ertranken bereits über 2.000 Menschen auf dem Weg über das Mittelmeer.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche wies auf die großen Unterschiede zwischen Europa und Nordafrika hin. An den Ufern des Mittelmeers herrsche „auf der einen Seite Überfluss, Konsum und Verschwendung, auf der anderen Seite hingegen Armut“. Schon am Freitag, den ersten Tag seines Besuchs in Marseille, äußerte sich das Kirchenoberhaupt dezidiert zur Lage in Lampedusa: „Die Lage auf Lampedusa ist grausam, ein schrecklicher Mangel an Menschlichkeit.“

Franziskus äußert Kritik am europäischen „Hauptkriterium“
Im Anschluss an die Hervorhebung der unterschiedlichen Lebensumstände an den Ufern des Mittelmeers prangerte Franziskus am Samstag die Haltung Europas an. Die Schwierigkeiten Europas bei der Aufnahme und Integration „unerwarteter Menschen“ seien nicht zu übersehen. „Aber das Hauptkriterium kann nicht der Erhalt des eigenen Wohlstandes sein, sondern vielmehr die Wahrung der Menschenwürde“, so der Pontifex.
Auch in Richtung derjenigen, die Flüchtlinge als Gefahr der eigenen Lebensrealität wahrnehmen, richtete der Papst klare Worte: „Diejenigen, die ihr Leben auf dem Meer riskieren, sind keine Invasoren, sie suchen Aufnahme.“
Papst mahnt Verantwortung ganz Europas an
Die Lösung im Hinblick auf die menschenunwürdigen Zustände bestehe nicht in der Ablehnung, sondern „in der Sicherstellung einer Vielzahl von legalen und regulären Einreisemöglichkeiten“, betonte Franziskus. Ziel müsse seine „ausgewogene Aufnahme in Europa in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern“ sein. Dafür mahnte er die Verantwortung ganz Europas an, um den den Prozess der Migration „mit kluger Weitsicht“ zu gestalten. Ob dies auch Teil seines Gesprächs mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron war, ist nicht bekannt.
Ein gemeinsames europäisches Vorgehen, wie es sich Papst Franziskus wünscht, scheint ob der derzeitigen Umstände äußerst fraglich. Während die Rechtsaußen-Koalition in Italien für einen knallharten Flüchtlingskurs steht – und an diesem Anspruch nun zu scheitern droht –, steht Deutschland für einen eher humanitären Weg. Gar nicht zu reden von den Interessen der anderen 25 EU-Länder sowie den europäischen Staaten, die nicht Mitglied im Staatenbund sind. (sch/afp)