Explosive Lage in Ägypten: Demonstranten angeklagt
Kairo - Tränengas und Schlagstöcke können die Demos nicht stoppen: Auch in der Nacht zum Donnerstag kam es in Ägypten wieder zu heftigen Protesten. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Demonstranten angeklagt.
Die Demonstranten in Ägypten lassen sich nicht einschüchtern. Trotz
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des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte kam es in der Nacht zum Donnerstag erneut zu heftigen Protesten gegen die Regierung. Dabei wurden in Kairo und auf dem Sinai zwei Menschen getötet und Dutzende verletzt. Am Donnerstag sorgten massive Polizeikräfte für gespenstische Ruhe im Zentrum von Kairo. Der Handel an der Börse wurde nach Kurseinbrüchen vorübergehend ausgesetzt. Ermutigt vom Umsturz in Tunesien kam es auch im Jemen zu Protesten. Die ägyptische Führung unter Präsident Husni Mubarak schweigt weiter zu den Protesten.
Die Staatsanwaltschaft hat nun 46 Demonstranten wegen “Aufruhrs und Sabotage“ angeklagt. Das verlautete am Donnerstag aus Sicherheitskreisen.
Blutige Massenproteste in Ägypten
Das einzige Zugeständnis war am Donnerstag eine Meldung der staatlichen Medien, wonach das Parlament am kommenden Sonntag über Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, eine Anhebung des staatlichen Mindestlohnes und eine bessere Gesundheitsversorgung debattieren soll. An der Börse in Kairo stürzten die Kurse am Donnerstag unmittelbar nach Eröffnung des Handels um weitere 6,2 Prozent ab. Daraufhin wurde der Handel vorübergehend ausgesetzt.
Seit Beginn der Proteste gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit am Dienstag sind nach Darstellung ägyptischer Medien mindestens sechs Menschen getötet, mehrere hundert verletzt und mehr als 800 verhaftet worden. Einige Protestgruppen haben bereits für diesen Freitag zu neuen Demonstrationen aufgerufen. Sie forderten die Bürger auf, nach dem Freitagsgebet von den Moscheen aus loszumarschieren. Die Christen sollten nach dem Kirchgang auf die Straße gehen.
In der Nacht zum Donnerstag wurden nach Angaben von Krankenhausärzten bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei in Kairo und Suez ein Polizist und ein Demonstrant getötet. Dies wurde vom Innenministerium jedoch zunächst nicht bestätigt. Angehörige eines 27 Jahre alten Mannes, der sich in der Provinz Nord-Sinai an den Protesten beteiligt hatte, erklärten, er sei durch Schläge und Tränengas ums Leben gekommen. Aus Sicherheitskreisen hieß es dagegen, er habe Selbstmord begangen.
Nächtliche Ausgangssperre verhängt
Besonders heikel war die Lage am Mittwoch in der Hafenstadt Suez gewesen, wo Demonstranten Feuer am Rathaus und einem Polizeigebäude legten. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden 52 Demonstranten und Polizisten verletzt. Das Innenministerium verhängte in der Stadt eine nächtliche Ausgangssperre. Der Konflikt war eskaliert, nachdem die Polizei eine große Trauerfeier für die vier Männer verboten hatte, die in der Nacht zuvor getötet worden waren. Wütende Demonstranten stürmten einen Polizeiposten. Die Polizei trieb sie mit Gewalt auseinander.
US-Außenministerin Hillary Clinton rief am Mittwochabend zu Reformen in dem arabischen Land auf. Zugleich appellierte sie an die Behörden, friedliche Demonstrationen und den Zugang zu sozialen Netzwerken und Informationsdiensten wie Facebook oder Twitter zuzulassen. Ägypten ist ein enger Verbündeter der USA in der arabischen Welt. Allerdings drängt Washington Mubarak seit Jahren zu Reformen. “Wir unterstützen die universellen Rechte des ägyptischen Volkes, was das Recht auf Meinungsfreiheit und Versammlung einschließt“, sagte Clinton nach einem Treffen mit dem jordanischen Außenminister Nasser Judeh.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), fordert von der EU eine “klare Botschaft“ an die ägyptische Regierung, die Gewalt gegen Demonstranten einzustellen. “In Ägypten geht es darum, dass die EU der Regierung klar macht, nicht mit Gewalt gegen Demonstranten vorzugehen“, sagte Polenz am Donnerstag im Deutschlandfunk. Die EU und Deutschland müssten Ägypten deutlich machen, dass das Land “faire und freie Wahlen“ brauche.
In Jemens Hauptstadt Sanaa demonstrierten am Donnerstag Tausende Oppositionelle gegen die Politik von Präsident Ali Abdullah Salih. Bei einer Protestversammlung in der Nähe der Universität forderten rund 10 000 Demonstranten den Präsidenten zum Rücktritt auf. Sie skandierten: “Oh König Abdullah, hier ist Ali Abdullah“. Damit spielten sie auf das unrühmliche Ende der Amtszeit des tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali an. Ben Ali war, nachdem er ins Exil geflohen war, von Saudi-Arabiens König Abdullah als Gast aufgenommen worden.
dpa