Türkische Regierungspartei sieht Inhaftierung von Yücel kritisch

Istanbul - Die angeordnete Untersuchungshaft von Deniz Yücel sieht selbst eine türkische Regierungspartei kritisch - ein Abgeordneter warnt jedoch vor zu viel deutscher Einmischung.
Die Untersuchungshaft für den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel in Istanbul ist auch in der türkischen Regierungspartei AKP auf Kritik gestoßen. Er sehe „die Gerichtsentscheidung kritisch“, sagte der deutsch-türkische Abgeordnete und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Parlament, Mustafa Yeneroglu, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. „Ohne Einzelheiten zu kennen und soweit ich den Berichten entnehmen kann, denke ich, dass der Propagandabegriff zu weit ausgelegt worden ist.“ Yeneroglu warf Yücel zugleich vor, „mehr Aktivist als Journalist“ zu sein.
„Seine Berichte über die Türkei sind meistens von tiefen persönlichen Ressentiments geprägt, entsprechend auch extrem verzerrt, er fokussiert und überspitzt, wo es seinem Bild passt und blendet aus, wo es dem eigenen Weltbild nicht entspricht“, sagte Yeneroglu. „Insbesondere die Berichterstattung über die (verbotene kurdische Arbeiterpartei) PKK ist mindestens von Symphatie für die Terrororganisation geprägt, die er wohl nicht als solches betrachtet.“ Ein Richter hatte am Montagabend Untersuchungshaft für Yücel erlassen, dem unter anderem Terrorpropaganda vorgeworfen wird.
Yücels Fall soll im Bundestag diskutiert werden
Yeneroglu sagte zur Kritik an dem Beschluss aus Deutschland: „Kritik ist willkommen, solange sie sachlich ist, nicht verallgemeinert und im konkreten Beispiel nicht verkennt, dass die Haftentscheidung die eines unabhängigen Gerichts ist und nicht der türkischen Regierung.“
Der Fall um Deniz Yücel soll auch den Bundestag beschäftigen: Die Linksfraktion will für die kommende Woche eine Aktuelle Stunde zu dem Fall des deutsch-türkischen Journalisten beantragen, wie Fraktionssprecher Michael Schlick am Dienstag mitteilte. Konkret soll es demnach um die Haltung der Bundesregierung zu Yücel und den anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei gehen.
Annen: „Das ist nicht irgendein Fall“
Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sieht die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in Istanbul als Gefahr für die bilateralen Beziehungen zur Türkei. „Die türkische Führung muss wissen: Das ist nicht irgendein Fall, sondern wir werden uns mit allen Möglichkeiten, die uns rechtlich, aber auch politisch zur Verfügung stehen, dafür einsetzen, dass Herr Yücel schnellstmöglich auf freien Fuß gesetzt wird“, sagte Annen am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin.
„Dieser Fall hat das Potenzial, die eh schon sehr angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei noch weiter zu belasten. Wir wollen das nicht. Aber wir können auch nicht einfach schweigen, wenn hier grundlegende Freiheiten von einem Land verletzt und ignoriert werden.“
Initiative #FreeDeniz ruft zu Auto-Korsos auf
Zugleich warb er dafür, die Kontakte nicht abbrechen zu lassen. Die Türkei sei „nicht irgendein Land“, sagte Annen. „Die vielen persönlichen Verhältnisse, die es gibt, die Beziehungen, die wir haben, die wirtschaftlichen und politischen, sind zu wichtig. Das heißt: Sprachlosigkeit gerade in der Krise können wir uns auch nicht leisten.“
Die Initiative #FreeDeniz hat für Dienstag zu Protest-Autokorsos in elf Städten aufgerufen. Solidaritätsaktionen seien in Berlin, Bielefeld, Bremen, Frankfurt/Main, Hannover, Hamburg, Köln, Leipzig, München, Wien und Zürich geplant, teilte die Initiative mit.
dpa