FSB präsentiert ukrainische „Spionin“ - doch 25-Jährige wollte womöglich nur ihren kranken Vater besuchen
Eine 25-jährige Krimtatarin wird vom FSB als „Spionin“ bezeichnet und verurteilt. Recherchen deuten auf ihre Unschuld hin.
Moskau - Ist sie eine Spionin der Ukraine? Oder war sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Der russische Geheimdienst feierte die Gefangennahme einer Frau auf der Krim als Coup - doch die Zweifel mehren sich, dass es sich bei ihr wirklich um eine ukrainische Agentin handelt. Berichten zufolge soll sie zum Zeitpunkt ihrer Festnahme vor fünf Monaten lediglich auf dem Weg zu ihrem kranken Vater gewesen sein. Seit Dezember 2022 sitzt sie in Haft.
Der russische Föderale Sicherheitsdienst FSB veröffentlichte am Dienstag (16. Mai) ein Video, das angeblich eine „inhaftierte ukrainische Spionin“ zeigt. Die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti stellte ihn auch ins Netz. Die 25-jährige habe „Informationen über russische Militäreinrichtungen und Ausrüstung der östlichen Truppengruppe übermittelt“, hieß es. Berichten zufolge wurde die Frau festgenommen und in Moskau wegen Spionage angeklagt.
Leniye Umerowa - war sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort?
Womöglich aber zu Unrecht. Laut dem unabhängigen russischen Medium Mediazona handelt es sich bei der Person in dem Video höchstwahrscheinlich um Leniye Umerowa, eine Krimtatarin und ukrainische Staatsbürgerin, die im Dezember 2022 von russischen Geheimdiensten am Grenzübergang Werchni Lars an der russisch-georgischen Grenze festgenommen wurde.
Die ukrainische Zeitung Grati berichtete, Umerowa habe versucht, auf die annektierte Krim zu reisen, um ihren krebskranken Vater zu besuchen. Der Vorwurf der „Spionage“ sei „unsinnig, da Umerowa faktisch inhaftiert ist, seit sie versuchte, von Georgien nach Russland einzureisen“, schreibt die Menschenrechtsorganisation „Human Rights in Ukraine“. Weiter heißt es über das hinter verschlossenen Türen gehaltene Tribunal: „In diesem Fall (wie in den meisten, wenn nicht allen) ist das einzige ‚Geheimnis‘ das Fehlen jeglicher Begründung für die Anklage.“
Nach Angaben von Umerowas Bruder Aziz verhängten die russischen Behörden eine Geldstrafe gegen sie wegen Verstoßes gegen die Grenzregeln des Landes und ordneten ihre Abschiebung an. Berichten zufolge wurde Umerowa bis Mitte März in einem provisorischen Internierungslager für Ausländer in der Nähe von Wladikawkas festgehalten, als die Abschiebungsanordnung aufgehoben wurde. Als sie das Internierungslager verließ, sei Umerowa aber von vier Männern festgenommen worden, die ihr einen Sack über den Kopf stülpten und sie in einem Fahrzeug wegbrachten.

Richter soll Blinde und Krankenschwestern zu „Terroristen“ und „Spionen“ erklärt haben
Doch damit begann den Berichten zufolge der Leidensweg der wohl zu Unrecht beschuldigten „Spionin“ erst: In den folgenden Wochen verurteilten Gerichte in Wladikawkas Umerowa wiederholt zu 15-tägigen Haftstrafen wegen angeblichen Ungehorsams gegenüber der Polizei. Anfang Mai berichteten laut Meduza Verwandte nach Haftbesuchen, dass Umerowa von FSB-Agenten abgeführt worden sei.
Die Entscheidung, sie zur „Spionin“ anzuklagen, wurde laut einem Tweet der Journalistin Lutfiye Zudiyeva von Richter Sergei Ryabtsew getroffen. Im Juli 2020 ließ dieser demnach auch den ehemaligen Kommersant- und Wedomosti-Journalisten Iwan Safronow, Berater des Chefs von Roskosmos, Dmitri Rogosin, verhaften. Sie berichtet von ungewöhnlichen Strafsachen, was den Richter angeht: „Blinde Menschen mit Behinderungen und krimtatarische Väter großer Familien als ‚Terroristen‘, eine Krankenschwester aus Feodossija mit ‚Sprengstoff im Brillenetui‘, ein Rentner-‚Spion‘ aus Sewastopol.“ (cgsc)
Wegen angeblicher „Diskreditierung der russischen Streitkräfte“ hat ein Gericht in Moskau einen Kolumbianer zu fünf Jahren und zwei Monaten Freiheitsentzug verurteilt.