Gaddafi offenbar zu Verhandlungen bereit

Tripolis - Der langjährige Machthaber Gaddafi ist nach Angaben seines Sprechers nach wie vor in Libyen und zu Verhandlungen mit den Rebellen bereit. Die Übergangsregierung versucht unterdessen, Engpässe zu beheben.
Mussa Ibrahim, Sprecher von Muammar al Gaddafi, rief am Samstagabend die Zentrale der Nachrichtenagentur AP in New York an und sagte, er habe Gaddafi am Freitag gesehen. Er selbst sei in der Hauptstadt Tripolis.
Gaddafi biete Verhandlungen mit den Rebellen über eine Übergangsregierung an, sagte Ibrahim. Gaddafi habe seinen Sohn Al Saadi zum Verhandlungsführer bestimmt. Vor wenigen Tagen hatte der amerikanische Fernsehsender CNN auf seiner Website berichtet, Al Saadi sei um Kontaktaufnahme mit den US-Behörden und den Aufständischen bemüht. Er habe Autorität, um zu verhandeln, schrieb Al Saadi dem Bericht zufolge in einer E-Mail an einen CNN-Reporter.
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Der libysche Übergangsrat will unterdessen die Versorgungsengpässe in Tripolis schnell beheben. Informationsminister Mahmud Schammam sagte am Samstag in Tripolis, mit der Verteilung von 30 000 Tonnen Benzin werde sofort begonnen. Auch werde eine Lieferung von Diesel erwartet, um die ausgefallene Wasserversorgung in Tripolis wieder in Gang zu setzen. Die Gas-Leitungen sollten innerhalb von zwei Tagen wieder geöffnet werden. Auch medizinische Hilfsgüter sollten in der Hauptstadt eintreffen.
“Tripolis war 42 Jahre unter der Kontrolle eines Diktators“, sagte Schammam. Seine Regierung müsse jetzt noch “unter dem Nullpunkt“ neu beginnen. Er warnte die Bewohner davor, Wunder zu erwarten. Die Aufständischen würden weiter nach dem gestürzten Machthaber Muammar al-Gaddafi suchen und gleichzeitig das ganze Land stabilisieren.
Am Samstag wurden in Tripolis erneut Dutzende von Menschen beigesetzt, die bei den Kämpfen der vergangenen Tage ums Leben gekommen waren. Augenzeugen berichteten, auch mehrere Söldner seien von Fremden nach islamischem Ritus beerdigt worden. Einige von ihnen waren tot in dem Viertel Abu Salim aufgefunden worden.
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Weil der Übergangsrat die Sicherheitslage nicht in den Griff bekommt, erwägt er jetzt, für eine befristete Zeit Polizisten aus arabischen oder anderen muslimischen Staaten zu stationieren. Eine Hilfe durch westliche Sicherheitskräfte schloss der Chef des Rates, Mustafa Abdul Dschalil, am Samstag in Bengasi kategorisch aus.
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den UN-Sicherheitsrat und alle betroffenen Länder dazu auf, Gelder des Gaddafi-Regimes jetzt freizugeben. Der Übergangsrat müsse jetzt schnell die Bedürfnisse der Menschen erfüllen können, sonst drohe ein “politisches Vakuum“, hatte Ratsmitglied Mahmud Dschibril gewarnt. Den Aufständischen gelang es, die Kontrolle über einen wichtigen Grenzübergang zu Tunesien zu übernehmen. Auf dieser Route könnten dringend benötigte Versorgungsgüter und Hilfslieferungen Tripolis erreichen, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira.
Die Jagd nach dem untergetauchten langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi macht offenbar keine großen Fortschritte. Dschalil räumte ein, dass es derzeit keine gesicherten Informationen über den Aufenthaltsort des 69-Jährigen gebe.
Knapp eine Woche nach dem Fall von Tripolis ist kein Ende der Kämpfe zwischen Rebellen und Gaddafi-Getreuen in Sicht. Allerdings haben die Aufständischen nach gleichlautenden Berichten in den meisten Stadtteilen von Tripolis die Oberhand gewonnen. Der Rebellenkommandeur für Tripolis, Abdelhakim Belhadsch, sagte, 95 Prozent der Stadt seien unter ihrer Kontrolle.
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Dagegen dauerten die erbitterten Kämpfe zwischen Rebellen und Gaddafi-Anhängern am Internationalen Flughafen von Tripolis weiter an. Die Aufständischen haben außerdem Sirte, die Geburtsstadt Gaddafis, von Westen und Osten eingeschlossen. Sie drohen mit einem Angriff, falls die Gaddafi-Truppen nicht aufgeben. Mit Bani Dschawad sei eine der letzten Hochburgen Gaddafis in die Hand der Rebellen gefallen, berichtete Al-Dschasira.
Großbritannien kündigte an, humanitäre Hilfe im großen Stil in das Bürgerkriegsland zu schicken. Es gehe um Nahrungsmittel und Medikamente. Nach Angaben des Roten Kreuzes werden vor allem Medikamente zur Behandlung von Krebs oder Diabetes knapp.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte die Bereitschaft der Bundesregierung, beim Wiederaufbau zu helfen. “Wenn nun ein neues Libyen aufgebaut wird, wird Deutschland selbstverständlich unterstützend daran teilhaben“, sagte sie der “Bild am Sonntag“.
dpa/dapd