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Vorband „Siggi“ kommt besser an als Hauptact „Martin“

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SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel auf dem Marktplatz in Salzgitter.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel auf dem Marktplatz in Salzgitter. © dpa

Die beiden Alphatiere der SPD machen zusammen Wahlkampf, Schulz fährt dafür in den Wahlkreis von Gabriel nach Niedersachsen. Der Kanzlerkandidat hat es dort schwer.

Salzgitter - Im Ratskeller stecken Sigmar Gabriel und Martin Schulz die Köpfe zusammen. Minutenlang wird leise getuschelt. Ein SPD-Sprecher wacht über die beiden Spitzengenossen, damit kein Umstehender etwas mitbekommt. Regloser Zuhörer ist nur der „Ritter von Salzgitter“ - eine Blechrüstung, die neben Gabriel und Schulz in einer Wandnische steht.

Schulz ist gerade aus Magdeburg von einer Kundgebung angekommen. Die Rede von Gabriel hat er verpasst. Er dürfte ahnen, dass es ihm schwer fallen wird, den im Amt des Außenministers plötzlich zum Umfrage-Liebling aufgestiegenen Gabriel auf dessen heimatlicher Scholle zu übertrumpfen. Der 57-Jährige aus dem nahen Goslar ist in der VW-Stadt Salzgitter nicht zu übersehen. Überall hängen große Plakate mit seinem Foto, auch am Bratwurststand gegenüber der Bühne.

Erster und einziger gemeinsamer Auftritt?

So fällt der Applaus für Schulz auf dem gut gefüllten Marktplatz spärlicher aus als für den Außenminister. Die Vorband „Siggi“ kommt viel besser an als der Hauptact „Martin“. 

Es ist der womöglich erste und einzige gemeinsame Auftritt der beiden vor der Bundestagswahl in vier Wochen. In der SPD und in den Medien wird jedes Wort, das die beiden übereinander verlieren, genau beobachtet und gewichtet. Schulz versucht, diese Spannung mit Ironie aufzulösen, was eher missglückt.

Für jeden Sozialdemokraten sei die zentrale bundesweite Wahlkampf-Kundgebung natürlich in Salzgitter-Bad: „Wegen der weltpolitischen Bedeutung von Salzgitter“, sagt der Kanzlerkandidat schelmisch. Höhnisches Aufstöhnen der älteren Kundschaft an den Biertischen vor dem Ratskeller. Es sei aber auch der wichtigste Ort, fährt Schulz fort, „weil es der Platz ist, auf dem wir klarmachen können, dass es etwas in der Politik gibt, was viele bestreiten, was aber existiert - nämlich Freundschaft zwischen zwei Männern“, die viel Verantwortung für Deutschland trügen. Interessanterweise war Gabriel in seiner Rede mit keinem Wort auf sein Verhältnis zu Schulz eingegangen.

Mehr Applaus für Gabriel: Schulz bei seiner Wahlkampfrede
Mehr Applaus für Gabriel: Schulz bei seiner Wahlkampfrede © dpa

Schulz ist nicht zu beneiden. Als Gabriel im Januar zurückzog und ihm in der K-Frage den Vortritt ließ, setzte ein beispielloser Hype um den Ex-EU-Parlamentspräsidenten ein. Die SPD lag mit Schulz zeitweise in Umfragen vor der Union - nun sind es weniger als 30 Tage vor der Wahl nur noch 22 Prozent. Werte wie in Gabriels Ära. Der wiederum strahlt seit Monaten eine Selbstgewissheit aus, als ob er der nächste Kanzler wäre. Schlank, braun gebrannt, tiefenentspannt. Und immer nah an den Leuten, wie auch Schulz es für sich in Anspruch nimmt.

“Das Recht auf 'ne anständige Heimat haben“

Die Politik dürfe nicht vergessen, dass die meisten Menschen nicht in Großstädten wie Berlin lebten, sondern in Dörfern und Gemeinden und dort „das Recht auf 'ne anständige Heimat haben“, ruft Gabriel, der sich sogar dafür rühmt, drei Mädchen in die Welt gesetzt zu haben. „Ich hab' meinen Job gemacht. An mir liegt der demografische Wandel nicht.“

Im nächsten Moment lässt sich der Vizekanzler - im azur-blauen Jackett ohne Krawatte - zu einer weiteren gewagten Aussage hinreißen. „Frau Merkel will ab 2030 den Diesel verbieten.“ Hört sich knackig an, stimmt aber gar nicht. Angela Merkel zeigte zunächst zwar Verständnis für die grüne Forderung nach einem Diesel-Ende, stellte aber erst am Sonntag im ZDF klar, dass der durch den Abgasskandal in Verruf geratene Diesel-Antrieb wohl noch Jahrzehnte gebraucht werde. CDU-Generalsekretär Peter Tauber reagiert auf Gabriel sofort, twittert gen Salzgitter: „Er sollte aufhören zu lügen.“

Der Außenminister macht sich da schon auf den Weg zum Flughafen. In Washington wartet US-Amtskollege Rex Tillerson. Und Schulz? Der bereitet sich auf das TV-Duell gegen Merkel vor. Vielleicht seine letzte Chance, den riesigen Rückstand zu verkürzen. Denn kann die SPD bis zum 24. September nicht mehr zulegen, wird es für Schulz und Gabriel ganz eng - Freundschaft hin oder her.

dpa

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